Wagner-Chef droht Abzug an«Dann fällt die Front zusammen»
Von Andreas Fischer
6.3.2023
Ukrainische Truppen in Bachmut unter Druck
Die Versorgung der Truppen wird nach Angaben aus Grossbritannien immer schwieriger. So gut wie alle Zufahrtsstrassen liegen unter russischem Beschuss.
04.03.2023
Um Bachmut toben weiterhin heftige Kämpfe. Die russische Söldnertruppe Wagner soll dort hohe Verluste erleiden. Deren Chef vermutet Verrat im Kreml.
Von Andreas Fischer
06.03.2023, 11:15
Von Andreas Fischer
«Die Wagner-Truppe», sagt Jewgeni Prigoschin in einem kürzlich veröffentlichten Video-Statement, «ist der Zement, der die russische Front zusammenhält.» Doch der Chef der Söldnertruppe ist unzufrieden mit der Unterstützung aus dem Kreml und hat offen gedroht, seine Truppen aus Teilen der besetzten Gebiete zurückzuziehen.
Prigozhin threatens Putin with a retreat
Sitting in some basement, he said that the retreat of mercenaries from #Bakhmut due to "ammunition shortage" would lead to the collapse of the front up to the Russian border "or even further", as well as that #Crimea would be de-occupied. pic.twitter.com/tScnxmTpTA
«Die Konsequenz wäre: Die Front bricht zusammen», droht Prigoschin. «Vielleicht bis zur Grenze Russlands, vielleicht noch weiter. Die Situation wird unangenehm für alle Einheiten, die Russland verteidigen.» Selbst die Krim würde für Russland auf dem Spiel stehen.
Kreml knausert mit Munition
Die markigen Worte Prigoschins, der einst als enger Vertrauter Wladimir Putins galt, aber seit Monaten durch Kritik an der russischen Militärführung auffällt, kommt nicht von ungefähr. Seit Wochen beschwert sich der Wagner-Chef über die mangelnde Ausrüstung seiner Kämpfer durch das russische Militär. «Sie haben uns keine Munition gegeben, und sie geben uns auch jetzt keine», unterstreicht er in seiner Videobotschaft.
Auch britische Militärexperten haben Waffen- und Munitionsengpässe auf russischer Seite ausgemacht, die bizarre Konsequenzen nach sich ziehen sollen. Im täglichen Kurzbericht schrieb das britische Verteidigungsministerium am Sonntag, Moskau setze im Nahkampf auch gewöhnliche Feldspaten ein. Hintergrund sind Äusserungen russischer Reservisten, die angegeben haben sollen, nur mit «Schusswaffen und Schaufeln» zum Angriff auf einen einbetonierten ukrainischen Stützpunkt geschickt worden zu sein.
Wagner-Sträflinge quasi aufgerieben
Prigoschin vermutet derweil im Nachschubproblem sogar Verrat: Das Verteidigungsministerium wolle die Wagner-Söldner zu Sündenböcken machen, wenn die russische Offensive nicht den gewünschten Erfolg hat oder komplett scheitert. Zurzeit sind Wagner-Söldner hauptsächlich in der Gegend um Bachmut aktiv.
Vor allem ehemalige Sträflinge werden in den brutalen Kämpfen regelrecht verheizt. Nach Schätzungen westlicher Geheimdienstmitarbeiter sollen die Gefangenenverbände zwischen 40'000 bis 50'000 Sträflinge umfasst haben, schreibt der US-Thinktank «Institute for the Study of War» (ISW) in seinem aktuellen Lagebericht.
Nachdem sie einen Grossteil dieser Kämpfer verloren habe, müsse die Wagner-Truppe inzwischen ihre Elitetruppen einsetzen. Laut «ISW» ist unklar, wie kampffähig die Privatarmee nach dem Höhepunkt der russischen Operationen um Bachmut sein werde.