Baerbock, Laschet, ScholzDer Run auf das deutsche Kanzleramt ist eröffnet
Von Anne Funk
22.4.2021
Seit dieser Woche steht fest, welche Kandidaten ins Rennen um die Nachfolge Merkels geschickt werden. Doch wofür genau stehen Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz?
Von Anne Funk
22.04.2021, 06:45
Anne Funk
Wer wird im September Angela Merkel als Bundeskanzler*in in Deutschland beerben? Die Amtsinhaberin selbst wird nach 16 Jahren nicht noch einmal zur Wahl stehen. Nach langen Querelen ist nun immerhin beschlossen, wen die aktuell regierende CDU zusammen mit ihrer Schwesterpartei CSU ins Rennen um das wichtigste Amt des Landes schicken wird: Armin Laschet.
Aktuell ist der noch Ministerpräsident des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und musste sich in einen harten Kampf um die Nominierung als Kanzlerkandidat gegen seinen Kollegen aus Bayern, Markus Söder, begeben.
Der Wahlkampf geht nun aber erst los. Auch SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich bereits für einen Kandidaten beziehungsweise eine Kandidatin entschieden, der oder die die jeweilige Partei im Rennen um den Wahlsieg über die Ziellinie führen soll.
Olaf Scholz will das für die SPD in die Hand nehmen, bereits im August 2020 hatte sich die Parteispitze einstimmig für den amtierenden Bundesfinanzminister entschieden. Seit Montag wissen die Deutschen auch, wen sich die Grünen als Merkels Nachfolge vorstellen: Annalena Baerbock.
Doch wer sind eigentlich die drei Politiker, die in den kommenden Wochen und Monaten das Land von ihrer Fähigkeit des Regierens überzeugen wollen und wofür stehen sie? Ein Überblick.
Aufbruchstimmung mit Annalena Baerbock
Erstmals überhaupt erheben die Grünen Anspruch auf das Kanzleramt. Für Baerbock ist das Chance und Bürde zugleich, wie das Magazin «Spiegel» urteilt. Die 40-Jährige steht für einen Neuanfang, für Aufbruchsstimmung. Gleichzeitig müsse sie aber hoffen, dass all die Euphorie, die ihre Nominierung in den vergangenen Tagen begleitete, nicht bis zur Wahl im September wieder verpufft sein wird.
Zur Person
Bild: Keystone
Annalena Baerbock wurde am 15. Dezember 1980 als Tochter einer Sozialpädagogin und eines Maschinenbauingenieurs in Hannover geboren. Sie studierte Politikwissenschaft und öffentliches Recht in Hamburg sowie Völkerrecht in London. Seit 2005 ist Baerbock Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, seit Januar 2018 gemeinsam mit Robert Habeck Bundesvorsitzende. Annalena Baerbock lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Potsdam.
«Eine grüne Kanzlerkandidatur steht für ein neues Verständnis von politischer Führung: entschieden und transparent, lernfähig und selbstkritisch. Eine grüne Kanzlerkandidatur steht für Erneuerung», ist am Tage von Baerbocks Nominierung auf ihrer Facebook-Seite zu lesen. Für eine gute Zukunft des Landes seien allerdings grosse Veränderungen nötig.
Welche Veränderungen, das ist im Wahlprogramm der Grünen zu lesen. «Klimaschutz, Wirtschaft, Soziales, Bildung, Verwaltung – unser Land braucht eine Politik, die den Herausforderungen der Wirklichkeit gewachsen ist», heisst es darin. Vor allem der Kampf gegen den Klimawandel ist zentraler Punkt des Programms. Das liegt nicht nur in der Natur der Partei als Grüne, es verschafft ihr auch einen Glaubwürdigkeitsvorsprung gegenüber den anderen Parteien. Denn, so der «Spiegel», nach Ende der Pandemie wird Klimaschutz das zentrale Thema werden.
Konkret bedeutet das für die Grünen: Deutschland soll auf den 1,5-Grad-Kurs gebracht werden, sofortiger Kohleausstieg, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Unternehmen sollen bis 2023 wesentlich mehr dafür zahlen müssen, wenn sie fossile Brennstoffe nutzen. Die Einnahmen durch diesen «CO2-Preis» sollen an die Bürger als «Energiegeld» zurückfliessen.
Die Grünen wollen jährlich 50 Milliarden Euro investieren: in schnelleres Internet, Ladesäulen für Elektroautos, emissionsfreie Busse und klimaneutrale Infrastrukturen. Auch sozial soll sich etwas tun: für die Bürger soll es eine Garantiesicherung ohne Sanktionen geben, der Mindestlohn auf 12 Euro steigen (derzeit liegt er bei 9,50 Euro) und in mehr Sozialwohnungen investiert werden. Das Geld für die Investitionen soll aus einem höheren Spitzensteuersatz kommen.
Schafft Olaf Scholz den Umfrage-Aufschwung?
Schon im August 2020 war man sich in der Parteispitze einig: Olaf Scholz wird Kanzlerkandidat der SPD. Bei der Bundestagswahl im September will er mehr als 20 Prozent der Stimmen holen, so das «ZDF». Auf den ersten Blick ist das ein bescheidenes Ziel, konnte man doch in der Vergangenheit schon 40 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Doch die Zeiten sind vorbei: Zuletzt konnte man in Umfragen die 20-Prozent-Hürde Anfang 2018 nehmen.
Zur Person
Bild: Keystone
Olaf Scholz wurde am 14. Juni 1958 in Osnabrück geboren, seine Eltern arbeiteten in der Textilwirtschaft. Nach dem Zivildienst studierte er in Hamburg Rechtswissenschaft. Seit 1985 ist Scholz zugelassener Anwalt. 1975 trat er der SPD bei, im März 2018 wurde er Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen. Olaf Scholz ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in Potsdam.
Seit der Nominierung von Olaf Scholz hat sich allerdings nichts verändert hinsichtlich der Umfragewerte der SPD: sie waren und bleiben im Keller. Weder kann die Partei von guter Regierungsarbeit profitieren, noch «vom Selbstzerstörungsmodus des Koalitionspartners, noch vom Wahlprogramm», so der «Spiegel».
Das Programm, mit dem Scholz und die SPD punkten wollen, beinhaltet vier sogenannte «Zukunftsmissionen»: den Kampf gegen den Klimawandel, eine moderne Mobilität, Digitalisierung und ein optimiertes Gesundheitssystem. Im Vordergrund stehen dabei vor allem der Ausbau des Sozialstaats und der Klimapolitik, berichtet der «Deutschlandfunk».
Ziel ist es, dass Deutschland bis 2050 klimaneutral wird, erneuerbare Energien sollen bis 2040 ausgebaut werden, schon bis 2030 sollen 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Strassen unterwegs sein. Des Weiteren will auch die SPD eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, ausserdem eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie ein Bürgergeld als Grundsicherung.
Es fällt auf: Die Programme von SPD und den Grünen ähneln sich doch stark. Das ist allerdings auch beabsichtigt, bei der SPD will man sich vor allem von der CDU abgrenzen. «Das wird dadurch sichtbar, dass man ganz klar und ganz knallhart eine Steuerreform fordert», erklärt Frank Capellan, Hauptstadtkorrespondent des «Deutschlandfunk». Eine Vermögenssteuer habe die CDU stets abgelehnt.
In anderen Punkten sei eine Abgrenzung allerdings schwer, vor allem werden sowohl Olaf Scholz als auch seine Partei Probleme mit der Glaubwürdigkeit bekommen. So lässt das Wahlprogramm vermuten, dass die SPD einerseits «grüner als die Grünen» werde, bei sozialpolitischen Themen nähere man sich der Linkspartei an. Man könne sich also fragen, warum der Wähler die SPD und nicht die «Original»-Partei wählen sollte.
Mit Armin Laschet wird es kein «weiter so» geben
Zur Person
Bild: Keystone
Armin Laschet wurde am 18. Februar 1961 als Sohn einer Hausfrau und eines Bergbauarbeiters in Aachen geboren. Er studierte in München und Bonn Rechts- und Staatswissenschaften, anschliessend arbeitete er als Journalist. Seit 1979 ist Laschet Mitglied der CDU. 2017 wurde er zum Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gewählt, seit Januar 2021 ist er Bundesvorsitzender der CDU. Armin Laschet lebt mit seiner Frau in Aachen. Das Paar hat zwei Söhne und eine Tochter.
Bis er zum Kanzlerkandidaten der CDU gekürt wurde, musste Armin Laschet eine Weile zittern. Hatte es doch CSU-Chef Markus Söder ebenfalls auf den Posten abgesehen. Nun aber steht Laschet als möglicher Nachfolger von Angela Merkel in den Startlöchern.
Allerdings muss der 60-Jährige jetzt auch beweisen, dass er das Zeug zum Kanzler hat. Laut «Spiegel» gibt dabei allerdings ein grosses Problem: die Union sei nach den Merkel-Jahren inhaltlich ausgehöhlt. Noch gebe es nichts, womit man diese Lücke füllen kann. Denn: Ein Wahlprogramm gibt es noch nicht, noch wisse niemand, wofür die Union aktuell stehe. CDU und CSU haben gerade erst mit der Arbeit an dem Programm begonnen.
«Wir müssen unsere Gesellschaft wieder versöhnen, zusammenhalten, einander zuhören. Das ist die solide Grundlage für ein nachhaltiges Modernisierungsjahrzehnt. Für diese Überzeugungen bin ich bereit, Verantwortung für unser Land zu übernehmen», heisst es auf Laschets Facebook-Seite. Eben dieser Begriff des «Modernisierungsjahrzehnt» ist es, mit dem Laschet seit Monaten für seine Politik wirbt, schreibt das «Handelsblatt».
Und auch wenn es bisher kein Wahlprogramm gibt, Vorstellungen von der Zukunft hat Armin Laschet natürlich. So dürfe es ein «weiter so» nicht geben, zitiert die «Süddeutsche Zeitung» aus einer Rede Laschets in der CDU-Zentrale. Dabei verspricht er Verbesserung in der Pandemiebekämpfung, denn Fehler und persönliches Fehlverhalten innerhalb der Union hätten dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Partei geschadet. «Wir werden das ändern, wir werden das besser machen, dafür stehe ich persönlich ein», so Laschet.
Man sei in den vergangenen Jahren bequem geworden, nun müssten Veränderungen her. Der Staat und die Verwaltung müssten digitaler, schneller, schlanker, flexibler und effizienter werden. Natürlich steht auch bei der CDU das Klima auf der Agenda, glaubt man Laschets Worten. Er wolle «Klimawohlstand», sprich Umweltpolitik und Wirtschaftsinteressen zusammenführen, schreibt «Tagesschau.de».
Wessen Wahlprogramm nun letztendlich die deutschen Wähler überzeugen wird, zeigt sich am 26. September 2021. Dass die CDU erneut mit der Regierungsbildung beauftragt werden wird, ist unsicherer denn je, lassen Pandemie-Management und Korruptionsaffäre doch die Umfragewerte senken.
Doch auch die SPD wird zu kämpfen haben, wenn sie stärkste Kraft in einer Koalition werden will. Dafür muss sie allerdings die 15 Prozent hinter sich lassen und sich einen Ranglistenplatz vor den Grünen sichern. Denn die stehen bei vergangenen Wahlen an zweiter Stelle – vor der SPD.
Und vielleicht ist nun doch die Zeit gekommen, dass in Deutschland erneut eine Frau die Regierungsgeschäfte übernimmt, die zwar noch auf wenig Erfahrung zurückblicken kann, aber den viel beschworenen frischen Wind in die Politik Deutschlands bringt.