KanzlerkandidatOlaf Scholz: Wer ist der Mann, der Angela Merkel beerben will?
tsha
10.8.2020
Nach 16 Jahren Angela Merkel wollen die deutschen Sozialdemokraten im kommenden Jahr wieder den Bundeskanzler stellen. Hat Olaf Scholz Chancen, ins Kanzleramt einzuziehen?
Die Nachricht schlug am Montagmorgen ein wie eine Bombe: Olaf Scholz soll Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokraten werden. Das entschied die SPD-Spitze. Die beiden Parteivorsitzenden Norbert Walter Borjans und Saskia Esken haben Scholz demnach auserkoren, im kommenden Jahr ins Rennen um die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu gehen. Wer ist der Mann, der auf eines der wichtigsten politischen Ämter der Welt schielt? Und wie gross sind seine Chancen, tatsächlich ins Berliner Kanzleramt zu ziehen?
Gewählt wird in Deutschland voraussichtlich im September kommenden Jahres, der genaue Termin steht noch nicht fest. Wenn die Deutschen derzeit an den nächsten Urnengang zur Wahl des Bundestages denken (dessen Abgeordnete wiederum den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin bestimmen), dann zumeist mit einem Augenrollen.
Denn auch wenn Amtsinhaberin Angela Merkel für eine kleine Minderheit in den letzten Jahren regelrecht zur Hassfigur geworden ist, so ist die 66-Jährige auch nach fast 15 Jahren im Amt bei breiten Teilen der Bevölkerung extrem beliebt. Von ihren potenziellen Nachfolgern aber lässt sich das kaum sagen.
Olaf Scholz, der Mann, den die SPD nun gegen Merkel antreten lassen will, kommt einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zufolge auf der Beliebtheitsskala der Deutschen auf einen dritten Platz – deutlich hinter Merkel allerdings. Scholz, 1958 im niedersächsischen Osnabrück geboren, ist seit 2018 nicht nur Vizekanzler und damit Stellvertreter von Merkel; in der öffentlichen Wahrnehmung ist er vor allem der deutsche Finanzminister. Ein Amt, mit dem man sich nicht unbedingt beliebt macht bei Volke.
Eine Karriere in der SPD
Scholz ist seit 1975 Mitglied der SPD. Noch als Gymnasiast trat er der Partei bei, die damals mit Helmut Schmidt den Bundeskanzler stellte. Scholz, ein studierter Jurist, machte bald Karriere in der sozialdemokratischen Partei. Zunächst in der Jugendorganisation, dann in Hamburg, später im Bund. Im vergangenen Jahr wollte er den Vorsitz der traditionsreichen Partei übernehmen, unterlag aber in einer Stichwahl dem bis dato weitgehend unbekannten Kandidatenduo Esken und Walter-Borjans.
Scholz gilt als kompetenter Politiker, aber auch als wenig charismatisch. Weil er auf Pressekonferenzen bisweilen arg hölzern wirkt, verpassten ihm die deutschen Medien den wenig charmanten Spitznamen «Scholzomat» – eine Bezeichnung, die Scholz selbst einmal als «sehr treffend» bezeichnete.
Zuletzt geriet Scholz, der dem konservativen Teil seiner Partei zugerechnet wird, im Zuge der Wirecard-Affäre unter Druck. Als Finanzminister ist er für jene Bundesanstalt zuständig, die bei der Kontrolle des mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleisters so offensichtlich versagt hatte.
Dass Scholz nun erster SPD-Kanzler seit Gerhard Schröder werden soll, kommt für viele überraschend. «Wir wissen, dass diese Entscheidung für einige eine unerwartete Wendung darstellt», erklärten denn auch die Parteichefs. «Wir bitten um Vertrauen in unseren Weg. Wir sind entschieden, diesen Weg gemeinsam zu gehen.» Während der Coronapandemie zeigte sich Scholz allerdings auch als Macher: Mit einem Milliardenpaket will er die deutsche Wirtschaft durch die Krise bringen.
Ein sozialdemokratischer Traum
Nachdem Scholz' Kandidatur am Montag bekanntgeworden war, äusserte sich der SPD-Politiker via Twitter: «Ich freue mich auf einen tollen, fairen und erfolgreichen Wahlkampf in einem starken Team», so der Politiker.
Jetzt ist es raus: Auf Vorschlag unserer Vorsitzenden @EskenSaskia und @NowaboFM haben mich Präsidium und Vorstand der @spdde gerade einstimmig als Kanzlerkandidaten nominiert. Ich freue mich auf einen tollen, fairen und erfolgreichen Wahlkampf in einem starken Team. #KK_SPDpic.twitter.com/3OFQepqQxj
Ob Scholz der richtige Mann für diesen Wahlkampf sein wird, muss sich zeigen. Klar ist schon jetzt: Leicht wird er es nicht haben. Wenn schon am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD auf nur 14 Prozent der Stimmen. Die CDU/CSU hingegen liegt aktuell bei 38 Prozent. Allerdings hat auch die konservative Merkel-Partei ein Problem: Ein geeigneter Nachfolger für die Bundeskanzlerin ist derzeit nicht in Sicht.
Merkel selbst wird aller Voraussicht nach nicht ein weiteres Mal antreten. Ihre möglichen Nachfolger – Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen – waren während der Coronakrise der letzten Monate entweder weitgehend unsichtbar oder machten – wie Laschet – eklatante Fehler bei der Krisenbewältigung. Und Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident und derzeit der nach Merkel beliebteste Politiker im Lande, hat wiederholt verkündet, nicht von München nach Berlin wechseln zu wollen.
Zweitstärkste Partei nach CDU/CSU und noch vor der SPD sind in den Sonntagsumfragen derzeit die Grünen. Sie liegen bei aktuell 21 Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2017 war die Öko-Partei noch auf magere neun Prozent gekommen. Es ist vor allem die Diskussion um den Klimawandel, der den Grünen Aufwind gegeben hat.
Vielleicht also wählt der deutsche Bundestag im kommenden Jahr also erstmals einen grünen Politiker zum Bundeskanzler – oder eine grüne Politikerin. Denn welcher der beiden Ko-Vorsitzenden der Grünen als Spitzenkandidat ins Rennen gehen wird – Robert Habeck oder Annalena Baerbock –, ist noch offen. Aber egal, wen die beiden Unionsparteien und die Grünen als ihren Kandidaten aufstellen: Olaf Scholz wird sich warm anziehen müssen. Denn dass der Mann, der heute zum Kandidaten gekürt wurde, tatsächlich nächster Bundeskanzler wird, ist heute kaum mehr als ein sozialdemokratischer Traum.