Grüne Kanzler-Kandidatin Für Annalena Baerbock liegt alles drin

Von Andreas Fischer

20.4.2021

Mit einem stillen Coup in die Pole Position: Die Grünen in Deutschland bestimmen Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin. Ihr Erfolg hängt von der Frage nach dem Stil ab.

Von Andreas Fischer

Das K steht für Kanzler(in): Über die «K-Frage» wird in Deutschland vor jeder Bundestagswahl heftig diskutiert. Bislang aber nur in der sozialdemokratischen SPD und der konservativen Union, die aus zwei Schwesterparteien besteht, die sich das Land aufgeteilt haben. Die CSU tritt nur in Bayern an, die CDU in allen anderen Bundesländern. Im Bundestag bilden sie dann eine Fraktion.

SPD und Union waren lange Zeit die «grossen Volksparteien», nur sie hatten Chancen, ins Kanzleramt einzuziehen. Erst einmal hat eine Partei jenseits von CDU/CSU und Sozialdemokraten einen Kanzlerkandidaten aufgestellt: 2002 nominierte die liberale FDP Guido Westerwelle, der kläglich scheiterte.

Die Zeiten haben sich geändert. Von Wahlergebnissen jenseits der 30-Prozent-Marke kann die SPD seit 15 Jahren nur noch träumen. Auch für die Union wird es am 26. September, dem Wahltag, schwer, ihr Ergebnis von 2017 (32,9 Prozent) zu verteidigen.

Frisch zur Kanzlerkandidatin gekürt: Annalena Baerbock hat realistische Chancen Deutschlands erste grüne Regierungschefin zu werden.
Frisch zur Kanzlerkandidatin gekürt: Annalena Baerbock hat realistische Chancen Deutschlands erste grüne Regierungschefin zu werden.
KEYSTONE

Grün ist der Weg ins Kanzleramt

In diesem Jahr führt der Weg ins Kanzleramt wohl nur über die Grünen. Während sich die Union in den letzten Tagen selbst zerfleischte und die zerstrittenen Kandidaten Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU) in der «K-Frage» ein Bild des Jammers abgaben, zeigten die Grünen, wie man Personalfragen stilvoll und geräuschlos klärt: Die 40-jährige Annalena Baerbock führt ihre Partei als erste grüne Kanzlerkandidatin in den deutschen Bundestagswahlkampf – die Zustimmung des Bundesparteitags Mitte Juni kann man voraussetzen.



Auch die Grünen mussten in der «K-Frage» eine Entscheidung zwischen zwei Menschen treffen: Neben Baerbock wollte auch Robert Habeck Kanzler werden. Die beiden sind seit 2018 Co-Vorsitzende ihrer Partei. «Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur einer machen», räumte Habeck nach der Entscheidung freimütig ein. «Ich wollte immer, dass Macht so interpretiert wird, dass Führung so gelebt wird, dass man aneinander wächst und sich nicht gegenseitig die Beine wegtritt.»

Die Grünen predigen einen neuen Politikstil. Baerbock und Habeck haben «in vertraulichen, vertrauten, intensiven, offenen, manchmal auch schwierigen Gesprächen miteinander um die beste Lösung gerungen.» Baerbock sagte dazu: «Das ist emotional für beide gewesen.»

Eine Frage des Stils

Dass Baerbock und Habeck eine der wohl härtesten Entscheidungen ihres politischen Lebens ohne offenen Streit miteinander getroffen haben – und das nach Worten Baerbocks schon vor Ostern – ist zwar einerseits beachtlich, angesichts ihres immer wieder bekundeten Politikverständnisses aber auch nur konsequent.

Der Gegensatz zu CDU/CSU, der die Grünen das Kanzleramt abjagen wollen, könnte dabei kaum grösser sein. Seit mehr als einer Woche streiten die beiden Leitwölfe Markus Söder und Armin Laschet um die Kandidatur für das höchste Regierungsamt Deutschlands, unter Vertiefung manch parteiinterner Gräben. Nach einer nächtelangen Sitzung hat sich der CDU-Vorstand nun auf Armin Laschet als Kanzlerkandidaten geeinigt. Immerhin hat sich Söder am Dienstag mit seiner Niederlage abgefunden.



Wechselstimmung spricht für Baerbock

Welche Auswirkungen der Streit in der K-Frage auf die Zustimmungswerte der Union hat, ist noch unklar. Der Trend jedenfalls geht für Grün nach oben, für Schwarz nach unten. CDU/CSU haben laut Umfrage zuletzt deutlich verloren, die Grünen deutlich zugelegt.

Laut ZDF-Politbarometer trennen die beiden Parteien nur noch fünf Prozentpunkte. Demnach könnten die Grünen Juniorpartner in einer Koalition mit der Union werden. Was unwahrscheinlich ist, weil es auch für eine Ampel-Koalition unter Führung der Grünen mit SPD und FDP oder eine grün-rot-rote Koalition mit SPD und Linken rechnerisch reichen könnte. Im Land herrscht Wechselstimmung.

Kandidatin mit Manko

Dass Annalena Baerbock Deutschlands Dauerkanzlerin Angela Merkel im Amt folgt, scheint vor diesem Hintergrund nicht unrealistisch. Aber kann sie auch Kanzlerin? Baerbock hat zwar eine steile Karriere in ihrer Partei hingelegt, Regierungserfahrung hat sie aber nicht.

Ein Manko, mit dem die zweifache Mutter offen umgeht: «Ja, ich war noch nie Kanzlerin, auch noch nie Ministerin. Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere.» Sie bringe «Entschlossenheit, Durchsetzungskraft und einen klaren Kompass und Lernfähigkeit» mit.

Bei den deutschen Grünen ist man von Baerbocks Befähigung naturgemäss überzeugt. «Sie hat die Ideen für eine gute Zukunft und kennt die Alltagssorgen der Menschen. Sie wäre eine hervorragende Bundeskanzlerin», sagte etwa Fraktionschef Anton Hofreiter. Aber auch Politiker anderer Parteien trauen Baerbock, die als fleissig und gut vorbereitet gilt, das Amt zu.

Mit Material von dpa.