Trump plötzlich «massvoll» «Wenn dein Gegner sich selbst hochjagt, unterbrich ihn nicht»

Von Philipp Dahm

12.7.2024

Trump fordert Biden zum Golfmatch heraus

Trump fordert Biden zum Golfmatch heraus

Der Wahlkampfauftritt von Donald Trump in Florida am Dienstag lief nach dem üblichen Muster ab: Er selbst lobte sich über den grünen Klee, seine politischen Gegner, also US-Präsident Joe Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris bezeichnete er dagegen als unfähig, korrupt oder sogar gefährlich für das Land.

11.07.2024

Die Republikaner halten sich bei der Biden-Debatte zurück: Sollen sich die Demokraten doch selbst zerfleischen. Die würden dagegen das Gespräch gern auf Donald Trump und das Project 2025 richten, das sein neues Image bedroht.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Donald Trump spricht relativ wenig über Joe Bidens Alter oder greift Demokraten an, die seinen Rücktritt von der Kandidatur fordern.
  • Der Gesprächsfokus soll bei Bidens Alter bleiben: Die Republikaner wollen sich nicht in die Diskussion einmischen.
  • «Trumps neuer Plan 2024»: Durch moderateres Auftreten will der Ex-Präsident neue Wählergruppen erschliessen.
  • Die Demokraten wollen das Gespräch auf das rechte Project 2025 bringen, das mit Trumps neuer Taktik so gar nicht vereinbar ist.
  • Das Project 2025 ist der Fahrplan für einen radikalen Umbau des Staates ins Autoritäre – inklusive Verbot von Pille und Pornografie.

«Ein kognitives Durcheinander», nennt Donald Trump auf Truth Social die Parteigrösse der Demokraten. Der 78-Jährige beschreibt aber nicht Joe Biden, sondern die Demokratin Nancy Pelosi: Die 84-Jährige hatte sich zuvor im MSNBC-Interview bedeckt gehalten, als es um das Alter des amtierenden Präsidenten ging.

Diese Pelosi habe sich gegen «Crooked Joe» gewendet, schreibt Trump. Exakt dasselbe wie bei George Clooney, weil sich der Schauspieler dafür ausgesprochen hatte, dass Biden von einer erneuten Kandidatur absieht: «Er hat sich gegen ‹Crooked Joe› gewendet wie Ratten, die sie beide sind.»

Clooney fordert Biden zu Rückzug auf

Clooney fordert Biden zu Rückzug auf

Hollywood-Schauspieler George Clooney hat US-Präsident Joe Biden aufgefordert, sich aus dem Wahlkampf für eine zweite Amtszeit zurückzuziehen. Der Oscar-Preisträger schrieb in einem Gastbeitrag für die «New York Times»: «Ich liebe Joe Biden. Aber wir brauchen einen neuen Kandidaten.» Dies sei nicht nur seine Meinung, sondern die Meinung aller Senatoren, Kongressmitglieder und Gouverneure, mit denen er privat gesprochen habe, schrieb Clooney.

11.07.2024

Trump zählt weiter die vermeintlichen Verfehlungen auf, die er Biden ankreidet – aber über die 81 Jahre, die sein Gegner ins Feld führt, verliert er kein Wort. Auch nach dem TV-Duell führt der New Yorker keinen Freudentanz auf. Das macht einen hohen Berater des demokratischen Ex-Präsident Barack Obama misstrauisch.

«Trumps neuer Plan 2024»

«Trump spricht nicht viel über Bidens schlechte Debatte», schreibt David Axelrod auf X. Seine Kampagne habe keine entsprechenden TV-Clips geschaltet, wundert sich der 69-Jährige. Trumps Tochter Lara habe gar gesagt, es sei ein Affront für die Demokratie, wenn Biden nicht nominiert würde. «Frage: Warum halten sie sich so uncharakteristisch zurück?»

Die Antwort: «Wenn dein Gegner sich selbst hochjagt, unterbrich ihn nicht», bringt es Steve Stivers bei «The Hill» auf den Punkt, der einst für Kampagnen der Republikaner verantwortlich war. «Es gibt keinen Grund, sich selbst ins Gespräch einzubringen. Die Disziplin bei diesem Thema ist klug. Ich bin froh, zu sehen, dass [Trump] aus 2020 gelernt hat, als er nicht sehr diszipliniert war.»

«Axios» schlägt in dieselbe Kerbe: «Berater» reden demnach von «Trumps neuen Plan 2024». Dass sich der Ex-Präsident aus der Biden-Diskussion heraushält, gehört demnach ebenso dazu, wie ein dezenterer Stil bei den TV-Duellen. So sollen angeblich in sieben Bundesstaaten mehr als sechs Wählergruppen angesprochen werden, die man womöglich überzeugen könnte.

Trump kann nicht aus seiner Haut

Doch leicht fällt es Trump nicht, sich am Riemen zu reissen. Mal schreibt er auf Truth Social: «Crazy Nancy Pelosi ist ein noch grösseres kognitives Durcheinander als ‹Sleepy Crooked Joe›.»

Mal prahlt er beim Wahlkampf in Miami, Florida, er habe beim TV-Duell «den überwältigendsten Sieg in der Geschichte präsidialer Debatten» eingefahren – mit «einer der höchsten Einschaltquoten in der Geschichte des Fernsehens».

Donald Trump am 9. Juli in Miami, Florida, an einer Wahlkampfveranstaltung.
Donald Trump am 9. Juli in Miami, Florida, an einer Wahlkampfveranstaltung.
Bild: Keystone

Es fliessen auch Krokodilstränen: Es sei «eine Schande», dass die Demokraten nun über «Crooked Joes» Kandidatur diskutierten. Auch wenn der «ein sehr böser Typ» sei – weil Biden die Justiz instrumentalisiere.

Schliesslich bietet Trump dem politischen Gegner an, sich «vor der ganzen Welt» zu rehabilitieren – mit einer weiteren Debatte und einem Golf-Duell über 18 Löcher. Einen Vorsprung wolle er ihm auch geben, gibt sich der 78-Jährige juvenil. Wenn Trump verliere, werde er eine Million Dollar spenden.

Trumps Distanzierung lässt tief blicken

Trump hat gut lachen – noch. Denn die Demokraten versuchen alles, um das Gespräch wieder auf ihn zu lenken, nachdem nach dem TV-Duell nicht Trumps dauerndes Lügen, sondern Bidens Alter Thema war. Deshalb kauft die Partei unter anderem vor Trumps Auftritt Reklameflächen in Miami, die Trump in Verbindung mit dem Project 2025 bringen.

Dass Trump das gerade in Zusammenhang mit seiner neuen Wahlkampftaktik gar nicht recht kommt, beweist sein Dementi auf Social Media: Er wisse nichts über das Project 2025, er habe keine Ahnung, wer dahintersteckt, und habe rein gar nichts damit zu tun – obwohl hinter der Sache mehr als 200 Vertraute und Ex-Mitarbeitende stecken.

Der Grund: Im Project 2025 steckt das genaue Gegenteil vom «neuen Trump». Es geht darin um Rache am politischen Gegner, um einen Umbau des Staates und der Verwaltung sowie höchst unpopuläre Massnahmen, die von Verboten der Abtreibung über Verhütung bis zur Pornografie gehen. 

Radikaler Staatsumbau

Das über 900 Seiten schwere Papier Project 2025 ist von über 100 konservative Organisationen ersonnen worden, erklärt «Last Week Tonight» – darunter die NRA. Soldaten sollten «Festungen» an der Grenze zu Mexiko einrichten. Und das sei erst der Anfang, erklärt John Oliver: Polizeikorps sollen verpflichtet werden, Personen anzuhalten und zu durchsuchen.

Die NOAA sollen aufgelöst werden– «die Behörde, die Hurrikane verfolgt und Meereslebewesen schützt», so Oliver. Der Grund: Die NOAA ist für die Konservativen ein Motor «der Klimawandel-Alarm-Industrie». Weiter soll das Gesundheitsprogramm «Head Start» eingedampft sowie das Justizministerium und die Bundespolizei FBI beschränkt werden.

In der Verwaltung würde kein Stein auf dem anderen bleiben, wenn das Projekt Realität würde: Die Stellung des Präsidenten würde aufgewertet, die Gewaltentrennung beschnitten. Und statt wie bisher üblich rund 4000 politische Angestellte wie etwa Minister oder Staatssekretäre auszutauschen, will das Projekt weitere 50'000 Angestellte ernennen.

Dann bekommt den Job bei der Flughafensicherheit oder dem Wetteramt nur, wer auf Trumps Linie ist. Um dieses Personal zu finden, soll ein konservatives LinkedIn entwickelt werden. Diese Entwicklung wurde unter dem Namen Schedule F bereits 2020 von Trump genehmigt, der nun seine Unwissenheit beteuert.

Ob nun Joe Bidens Alter oder Donald Trumps Palastrevolution demnächst das Narrativ im politischen Washington beherrscht: Es bleibt eine Wahl der Qual.


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08.07.2024