Urteile zum Sturm aufs KapitolAngeklagte belasten sich durch Facebook-Postings
Von Michael Kunzelman/AP/tpfi
14.12.2021
Bei Prozessen gegen Teilnehmer der Erstürmung des Washingtoner Kapitols legen Anklage und Gerichte auch Posts aus den Sozialen Medien in die Waagschale. Viele belegen, dass die Unruhestifter zu Gewalt bereit waren, dazu anstachelten oder sie dann noch feierten.
Von Michael Kunzelman/AP/tpfi
14.12.2021, 00:00
Von Michael Kunzelman/AP/tpfi
«Ich hatte Spass lol», steht in einem Facebook-Beitrag zu der Erstürmung des Kapitols in Washington zu lesen. Gepostet wurden die Worte von einem Mann aus Pennsylvania, der sich wegen der gewaltsamen Proteste gegen den Wahlsieg von Joe Biden nun vor Gericht verantworten musste. Das Strafmass: 30 Tage Haft.
Die Postings des Angeklagten hätten es ihr «ausserordentlich schwer gemacht», Milde zu zeigen, betonte Richterin Amy Jackson bei der Verkündung des Strafmasses. Vor allem das «lol» (lautes Lachen) am Ende des einen Beitrags sei ihr übel aufgestossen. «Denn – ich hoffe, Sie haben das inzwischen eingesehen – nichts im Hinblick auf den 6. Januar war spassig», erklärte sie dem Angeklagten. «Niemand, der in einem Raum eingeschlossen war, stundenlang unter einem Tisch kauerte, musste lachen.»
Rund 700 Personen angeklagt
In Botschaften, Fotos und Videos haben viele derer, die sich im Januar dem Sturm auf das Kapitol anschlossen, dazu angestachelt oder sich und den Mob gefeiert. Ihre Postings fliessen nun auch in die Strafverfahren gegen sie ein.
Rund 700 Personen wurden im Zusammenhang mit den Unruhen angeklagt. Bislang wurden mehr als 50 verurteilt – und oft kommen die stärksten Beweise von den Beschuldigten selbst: Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AP führte die Anklage in mindestens 28 der bisher mit Urteil belegten Fälle Beiträge aus den Sozialen Medien heran, um eine schärfere Strafforderung zu begründen.
Vor, während und nach dem Sturm auf das Parlamentsgebäude wurden Aufrufe zu Hass und Gewalt verbreitet, Falschinformationen und Verschwörungstheorien gepostet. Die Bundespolizei FBI kam so Dutzenden gewaltbereiten Unruhestiftern vom 6. Januar auf die Spur, die Staatsanwaltschaft zieht die Postings für ihre Anklage heran, Richterinnen und Richter wägen damit ihr Urteil ab.
Soziale Medien werden Angeklagten zum Verhängnis
Bei der angeklagten Inhaberin eines Friseursalons in Indiana war es ein Screenshot eines Twitter-Posts, den sie nach den Unruhen vom 6. Januar verbreitete: Die Frau habe damit gezeigt, dass ihr die Randale keineswegs leidtue, erklärte die Richterin. «Sie feiert und gibt damit an, bei etwas dabei gewesen zu sein, das auf einen versuchten Sturz der Regierung hinauslief.» Obwohl die Anklage eine Bewährungsstrafe gefordert hatte, entschied sich die Richterin so für zwei Wochen Gefängnis.
Schon Anfang Januar hatte ein Mann aus Maryland auf Facebook gepostet: «Macht euch auf Chaos gefasst, und ich werde am 6.1.2021 in DC sein, um für meine Freiheit zu kämpfen!» Dieser Beitrag habe beim Abwägen dazu beigetragen, dass es Hausarrest statt reiner Bewährung geworden sei, sagte Richter James Boasberg bei der Urteilsverkündung. «Der Grundstein unserer demokratischen Republik ist der friedliche Machttransfer nach Wahlen», gab er dem Verurteilten mit auf den Weg. «Was Sie und andere am 6. Januar taten, war nichts weniger, als ein Versuch, dieses Regierungssystem zu untergraben.»
41 Monate Haft für prügelnden Gewalt-Täter
In Fall eines Mannes aus Florida fand das Gericht in den Postings hingegen Hinweise auf schwere psychische Probleme des Angeklagten. Angeordnet wurden daher Hausarrest und die Verpflichtung zu psychologischer Behandlung, statt einer von der Anklage geforderten viermonatigen Gefängnisstrafe. Der Mann hatte Videos von sich und anderen Randalierern im Kongressgebäude gedreht und nach den Unruhen einen Rap auf YouTube gestellt, in dem es hiess: «Wir haben Selfies gemacht» und «Wir haben sogar Polizisten mit der Faust geschlagen».
Derart schlagend wurde etwa der Inhaber eines Fitness-Studios aus New Jersey vor dem Kapitol gefilmt. Die Facebook- und Instagram-Beiträge des Mannes belegten nach Worten der Staatsanwaltschaft, dass er bereit war zu Gewalt und seine Taten auch nicht bereute. «Mit den Beweisen, die ich gesehen habe, hätten Sie den Prozess nicht gewinnen können», erklärte Richter Royce Lamberth dem Angeklagten. Das Strafmaß: 41 Monate Haft.