Late Night USA «Was passiert nun mit den armen Hedgefonds?»

Von Philipp Dahm

29.1.2021

Und wer denkt an die armen Hedgefonds? Trevor Noah, hier stilecht als Montage in der Luxus-Badewanne.
Und wer denkt an die armen Hedgefonds? Trevor Noah, hier stilecht als Montage in der Luxus-Badewanne.
Screenshot: YouTube

Kleine Anleger, die den grossen Hedgefonds Milliardenverlust bescheren und Trader, die deshalb den Handel aussetzen: In den USA braut sich ein Finanzskandal zusammen, den Trevor Noah gewohnt geistreich erklärt.

«Die Börse», beginnt Trevor Noah seine «Daily Show», «Amerikas bester Lieferant Grosser Depressionen.» Es sei wild zugegangen an der New Yorker Wall Street, weiss der Late-Night-Host – und er kann auch wunderbar erklären, worum es bei der Sache eigentlich geht.

Auf der einen Seite stehen Kleinanleger, die sich auf der Onlineplattform Reddit organisieren, um im Schwarm an der Börse zu spekulieren, sagt Noah. «Und ja, das ist, was viele ‹seriöse› Investoren auch tun, aber die Leute bei Reddit gehen einfach ehrlicher damit um und ärgern gern jene, die es nicht tun.»

Die Kette GameStop verkauft Konsolen, Laptops, Zubehör und vor allem Games. «Kein gutes Geschäftsfeld, weil Games heutzutage heruntergeladen werden können», fährt der Südafrikaner fort: Die «Seriösen» haben also gegen das Unternehmen gewettet. «Doch die Reddit-User sind Gamer, die eine halb-ironische Liebe für die Kette aufgebaut haben.»

Heulen auf hohem Niveau

Mit Memes hätten sich die Kreativen hochgepusht, um den «Seriösen» einen Denkzettel zu verpassen. Viele zeichnen die «wertlose GameStock-Aktie», deren Kurs explodiert und den Hedgefonds – zu jenem Zeitpunkt – einen Verlust von 5 Milliarden Dollar beschert.

«Der Shit ist wild», freut sich Noah, wenn da nicht der anschliessende Aufschrei gewesen wäre. «Hey, so funktioniert die Wall Street nicht», spielt Noah mit weinerlicher Stimme den Advocatus Diaboli. «Was passiert nun mit diesen armen Hedgefonds?» «Lasst mich euch was sagen», kontert er sich dann selbst: «Die Wall Street wird es überstehen.»

Immerhin floriere die US-Börse derzeit, obwohl Millionen arbeitslos seien und Tausende Geschäfte hätten schliessen müssen. Die Manager «können in ihren Helikoptern darüber rumheulen. Mit dem sie zu ihrem Boot fliegen. Das sie zu ihrer Yacht bringt. Es ist lustig zu sehen, wie Wall Street reagiert, wen sie mal jemand wallstreetet».

Trader bremsen Handel aus

Das GameStop-Beispiel macht bereits Schule: Der Kino-Betreiber AMC, Bed Bath & Beyond oder Schoggi-Hersteller Tootsie Roll sind weitere Firmen, deren Aktien trotz widrigen Branchen-Umfeldes und entgegen der Spekulationen der Hedgefond-Manager in die Höhe schiessen. 

Die US-Börse hat daraufhin dem Ganzen einen Riegel vorgeschoben: Mehrere Händler haben den Kauf von Aktien von GameStop und AMC eingestellt und ermöglichen Kleinanlegern mitunter nur noch, ihre Wertpapiere des Duos abzustossen. Die Handelsplattform Robinhood wird für das Aussetzen des Handels während des Kursanstiegs in New York bereits verklagt: Das sei Manipulation des freien Marktes, so der Vorwurf.

Trevor Noah nervt sich an jenen Leuten, die sonst stets behaupten: «Die Märkte dürfen nicht reguliert werden. Sie müssen immer frei bleiben!» Nun würden sie jammern: «Oh shit, die armen Leute erhalten Zugang zur Freiheit. Schaltet sie ab. Schaltet die Freiheit ab!» Es sei verständlich, dass viele nun mächtig sauer seien, findet der Moderator.

Politische Dimension

Zumindest bringe der Fall Menschen zusammen, die eigentlich von den unterschiedlichsten Planeten kommen: Sowohl Ted Cruz, Donald Trumps neue Speerspitze in der republikanischen Partei, wie auch Alexandria Ocasio-Cortez (AOC), der aufstrebende Star der Demokraten, verurteilen die Aussetzung des Handels. (Bei AOC kam es übrigens nicht so gut an, dass Ted Cruz ihr zugestimmt hat, wenn man ihren Tweet richtig deutet.)

Inzwischen hat die ganze Sache also politische Ausmasse angenommen: Der Demokrat Sherrod Brown, der den Bankenausschuss des Senats übernehmen wird, hat eine Untersuchung angekündigt.«Die Leute an der Wall Street scheren sich nur um die Regeln, wenn sie diejenigen sind, denen es wehtut», polterte Brown und ordnete eine Anhörung «zum aktuellen Zustand des Aktienmarkts» an.

Nach dem Sturm der Entrüstung und ersten Klagen von Anlegern, die sich um Kursgewinne gebracht sehen, kündigte Robinhood am Abend an, die Handelsbeschränkungen für die Wertpapiere wieder zu lockern. Die Einschränkung habe dem Schutz des eigenen Unternehmens und seiner Kunden gedient, so die Rechtfertigung.

Die Aktien von GameStop stiegen daraufhin im nachbörslichen Handel um über 70 Prozent, die von AMC um fast 50 Prozent. Auch die Papiere anderer Unternehmen wie etwa des Smartphone-Pioniers Blackberry, für die ebenfalls Einschränkungen galten, legten kräftig zu.

Erklärung zum unten stehenden Tweet: Charley Payne, Wirtschaftsexperte bei «Fox», macht der Vorgang an der Wall Street ungewöhnlich emotional.

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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