Late Night USA Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt

Von Philipp Dahm

21.1.2021

Donald Trump (links) und Trevor Noah: Wer warnt hier vor wem?
Donald Trump (links) und Trevor Noah: Wer warnt hier vor wem?
Screenshot: YouTube

Donald Trump wollte «den Sumpf in Washington trockenlegen» – und machte auf den letzten Metern die einzige Regel seiner Amtszeit rückgängig, die Korruption bekämpft. Zeit zum Aufräumen, findet Trevor Noah.

«Amerika hat einen brandneuen Dad», beginnt Trevor Noah seine «Daily Show». Die Vereidigung von Joe Biden habe trotz Pandemie alles geboten: «Biden hat sich dem Thema Einheit so verschrieben, dass er sogar Staatsfeinde eingeladen hat», sagt Noah, während Bilder des republikanischen Senators Ted Cruz eingespielt werden.

«Nein, ich scherze, ich scherze Leute, ich scherze», berichtigt der Moderator lachend. «Ted Cruz hat nicht versucht, die Regierung zu stürzen. Er hat bloss die Leute unterstützt, die es getan haben.» Dabei habe sogar Mike Pence an der Amtseinführung teilgenommen, um die demokratische Machtübergabe zu ehren.

Vor dem Einzug des neuen Präsidenten ins Weisse Haus muss jedoch erst der alte gehen: Ab Minute 2:13 zeigt die Show Ausschnitte aus Trumps Abschiedsrede, in der er seine «unglaublichen vier Jahre» bilanziert.

«Ich hoffe, sie erhöhen euch nicht die Steuern»

«Wir haben eine neue Streitmacht aufgestellt, die Space Force heisst», sagte Trump. «Die Börsenkurse sind tatsächlich deutlich höher, als sie vor der Pandemie waren. Also sind sie, äh, man kann sagen, wir haben sie zweimal aufgebaut.»

«Wir lieben euch»: Trumps Abschiedsrede auf der Joint Base Andrews in Maryland am 20. Januar.
«Wir lieben euch»: Trumps Abschiedsrede auf der Joint Base Andrews in Maryland am 20. Januar.
KEYSTONE

Und Donald Trump, der Biden ein enormes Staatsdefizit hinterlässt, unkt: «Ich hoffe, sie erhöhen euch nicht die Steuern. Aber wenn doch, sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.» Das Finale: «Wir lieben euch. Wir werden zurückkommen in irgendeiner Form. Habt ein gutes Leben. Wir sehen uns bald.»

«Habt ein gutes Leben?», wundert sich Noah. So was erwarte man nicht von einem scheidenden Präsidenten, sondern wenn der beste Freund aus der Schulzeit was mit der eigenen Ex-Partnerin anfange: «Ich hoffe, ihr zwei werdet glücklich! Habt ein gutes Leben! Aber wenn vor dem Abschlussball Schluss ist, sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!»

Von Trumps Gnaden

Noah gefällt auch die angekündigte Rückkehr «in irgendeiner Form»: «Mein Mann weiss, wie man einen Cliffhanger macht», frotzelt der Südafrikaner. «Aber es ging bei Trumps letztem Tag nicht nur ums Rumheulen und Stehlen des Tafelsilbers – er hat sich auch nicht nehmen lassen, allen seinen Freunden noch ein paar sehr schöne Abschiedsgeschenke mitzugeben.»

Natürlich sind die 143 Begnadigungen und Umwandlungen gemeint – im Bild zu sehen ab Minute 3:43. Sein Ex-Berater Steve Bannon, der angeklagt ist, bei Spenden abkassiert zu haben, wird vorsorglich begnadigt. Politikern werden Strafen erlassen – unter ihnen auch ein demokratischer Ex-Bürgermeister. Und die Rapper Lil Wayne und Kodak Black, die wegen Waffenbesitzes verurteilt wurden.

Begnadigt: die Rapper Lil Wayne (links) und Kodak Black.
Begnadigt: die Rapper Lil Wayne (links) und Kodak Black.
Screenshot: YouTube

Dass Trump sich nicht selbst begnadigt habe, mache aber Sinn, so Noah – angesichts dessen dicker Akte. Zumal es Gerüchte gebe, der Ex-Präsident habe sich selbst heimlich begnadigt, um sie später zu nutzen, falls er sie braucht. Nun tobt übrigens eine Diskussion, ob das legal wäre, wenn es denn stimmt. Noah ist sich aber so oder so sicher, dass Trump so einen Freifahrtschein für eine Lappalie verschwenden würde – etwa bei einer Busse wegen Parkierens auf einem Handicapierten-Parkplatz.

Der Sumpf ist trocken – lang lebe der Sumpf

Wobei auch andere scheidende US-Präsidenten so gehandelt haben, erinnert der Late-Night-Host: «Bill Clinton hat bekanntermassen seinen Bruder und einen gerissenen Geschäftsmann, dessen Ex-Frau für Clintons Bibliothek gespendet hat, begnadigt.» Doch Trump habe das Ganze auf ein neues Level angehoben – und es dabei nicht belassen, wie ab Minute 6:53 zu sehen ist.

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Trump hat in den frühen Morgenstunden noch eine Executive Order zurückgezogen, die er selbst 2017 erlassen hatte, um den «Sumpf in Washington» auszutrocknen: Sie verbietet ehemaligen öffentlich Angestellten, fünf Jahre nach ihrem Ausscheiden in Lobby-Organisationen zu wechseln. 

«Nach all dem Gerede, er wolle den Sumpf trockenlegen, wird er die tatsächlich einzige Regel fallen lassen, die Korruption bekämpft, bevor er aus dem Amt scheidet», fasst Noah zusammen. Andererseits seien Lobby-Organisationen wohl auch die einzige Branche, in der sich Mitarbeiter der Trump-Administration mit ihren CV noch sehen lassen könnten.

Biden räumt auf

Nachdem der New Yorker das Weisse Haus endgültig verlassen hat, schlägt die Stunde des Reinigungsteams: Alles werde desinfiziert, Überbleibsel der Vormieter entsorgt und das präsidiale Schlafzimmer umgeräumt, weil jeder neue Präsident und dessen Gattin im selben Raum nächtigen. Die Matratzen werden dabei übrigens erneuert, erfährt der Zuschauer.

Amerika am 20. Januar 2017.
Amerika am 20. Januar 2017.
KEYSTONE

Anders sind auch die Bilder, wenn man 2017 mit 2021 vergleicht: Damals haben Barack und Michelle Obama Donald und Melania Trump dort einen freundlichen Empfang bereitet und die Schlüssel übergeben. Nun winken nur Joe und Jill Biden in die Kameras, bevor sie das Weisse Haus beziehen. Immerhin konnte der 78-Jährige dort gleich zur Tat schreiten, wie ab Minute 9:40 zu sehen ist.

Amerika am 20. Januar 2021.
Amerika am 20. Januar 2021.
KEYSTONE

Voller Elan unterschreibt Biden da seine ersten Executive Order: Rund ein Dutzend Änderungen werden vorgenommen, die besonders kontroverse Trump-Gesetze revidieren. Biden steigt wieder ins Klimaabkommen ein, hebt Reisebeschränkungen für Muslime auf, stoppt eine Öl-Pipeline, die Umweltschützer auf den Plan gerufen hatte, verschärft Pandemie-Regeln und stundet Rückzahlungen von Studentenkrediten.

Noahs Fazit gibt zu denken

«Nun, meine Freunde», endet Noah. «Donald ‹Mann-war-das-crazy› Trump hat das Weisse Haus offiziell verlassen. Und ich weiss – ich weiss, dass viele Leute jetzt sauer sind wegen des Zustands, in dem er das Land hinterlassen hat.»

Doch man müsse das Positive sehen. «Erstens: Amerika hat Trump überlebt und dadurch seine Widerstandsfähigkeit bewiesen. Und zweitens: Trumps Amtszeit hat wahrlich viele Fehler in Amerikas System ans Licht gebracht», und an denen müsse man nun arbeiten.

Denn: «Bevor man sich's versieht, ist 2024, und Donald Trump ist vielleicht wieder da – in irgendeiner Form.»

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