Abgründe im US-Wahlkampf Lügt Tim Walz über seinen Hund?

AP/toko

29.8.2024 - 00:00

Tim Walz gilt als bodenständiger Politiker, und kommt gut an bei den Wählern.
Tim Walz gilt als bodenständiger Politiker, und kommt gut an bei den Wählern.
Abbie Parr/AP/dpa

Der Vizekandidat der Demokraten für die Präsidentschaftswahl soll über die Identität seines Hundes gelogen haben – zumindest behaupten das die Republikaner. Was sich nach einer Posse anhört, könnte ein echtes Problem bei der US-Wahl werden.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Im US-Wahlkampf sorgt derzeit eine kuriose Falschmeldung für Wirbel.
  • Die Republikaner behaupten, US-Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz habe über die Identität seines Hundes gelogen.
  • Wenngleich es sich um eine irreführende Behauptung handelt, könnte sie Walz im Wahlkampf echten Schaden zufügen.

Der Kandidat der Demokraten für das Amt des US-Vizepräsidenten hat offenbar ein Herz für Hunde. Eine Kampagne der Republikaner zielt nun darauf ab, ihm das zum Verhängnis zu machen: Sie werfen dem Gouverneur von Minnesota vor, über die Identität seines Hundes «Scout» gelogen zu haben. Was sich nach einer Posse anhört, könnte dem 60-Jährigen im Wahlkampf echten Schaden zufügen.

Die Geschichte kreist darum, dass Walz in Beiträgen im Netzwerk X zwei unterschiedliche Hunde als sein geliebtes Haustier «Scout» dargestellt haben soll. Plattformnutzer teilten Screenshots der Beiträge, um Walz ein vermeintliches Muster der Täuschung nachzuweisen, das darauf abziele, Likes, Shares und Reaktionen einzusammeln.

In einem Beitrag vom Juni 2022 liebkost Walz einen schwarzen Hund. «Ein besonderer Geburtstagsgruss an unseren Lieblingshund Scout», lautet die Bildunterschrift. Ein anderer Beitrag datiert auf den Oktober 2022. Darin ist Walz mit einem braun-weissen Hund zu sehen. «Ich könnte mir keine bessere Art vorstellen, einen schönen Herbsttag zu verbringen, als im Hundepark», ist darunter zu lesen. «Ich weiss, dass Scout es genossen hat.»

Wer ist nun «Scout»?

Unterstützer des Gouverneurs teilten daraufhin Beiträge, die zeigten, dass Walz schlicht mit dem Hund eines anderen Menschen spielte, während er «Scout» in der Bildunterschrift erwähnte.

Der scheinbar harmlose Post war nicht das einzige Futter, das in den vergangenen Tagen gegen Walz verwendet wurde. Ein Witz, den Walz in einem Wahlkampfvideo mit Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris machte, wurde genutzt, um ihn angeblicher Lügen darüber zu überführen, wie sehr er sein Essen würze. Walz scherzt in dem Beitrag über den Verzehr von Tacos «für Weisse». Gegner des 60-Jährigen haben auch an dessen Angabe Anstoss genommen, als American-Football-Trainer an einer Highschool gearbeitet zu haben – er sei nur der Defensivkoordinator gewesen.

Falsche und irreführende Behauptungen von einer solchen Trivialität wirken zunächst nicht besonders dramatisch – doch eine Flut von ihnen könnte zu echten Einbussen an den Wahlurnen führen, schätzen Experten. Das gilt besonders für eine Person wie Walz, die auf der nationalen Bühne noch relativ unbekannt ist. Der Umstand, dass Walz «nur» der Vizekandidat an der Seite von Harris ist, könnte die Folgen allerdings abmildern.

Irgendwas bleibt hängen

Es möge trivial erscheinen – und in vielen Fällen sei es das auch – aber Walz' Gegner versuchten, den Charakter des demokratischen Vizekandidaten in Verruf zu bringen, im Rahmen eines grösseren Narrativs, das um seine Person geschaffen werde, sagte Emily Vraga, eine Professorin an der University of Minnesota, die zu politischer Desinformation forscht. «Dies wird zu einem Teil des Puzzles, das sie versuchen, zusammenzusetzen.»

«Die schiere Masse» an Falschbehauptungen könne zu der Wahrnehmung führen, dass etwas Wahres daran sei, selbst dann, wenn Wähler nicht jeder Erzählung Glauben schenkten.

Nathan Walter von der Northwestern University, der auch zu Desinformation forscht, ist ebenfalls der Ansicht, dass eine Falschinformation nicht bedeutsam sein muss, um Schaden anzurichten. Die Idee sei, die Persönlichkeit eines Menschen anzugreifen – «und dann werden diese Attacken fast so etwas wie der Kanarienvogel im Kohlebergwerk», erklärte er. «Wenn er also über seinen Hund lügt, über seine illustre Karriere als Trainer, dann lügt er vermutlich über viele andere Dinge.»

Eine ähnlich flache Angriffsstrategie setzten die Demokraten jüngst gegen die Kandidaten der Republikaner ein – Ex-Präsident Donald Trump und dessen «Running mate» J.D. Vance. Sie brandmarkten das Duo als «seltsam».

Vergangenheit wird durchleuchtet

In die frivolen Angriffe auf Walz mischt sich indes Kritik an anderen Ungereimtheiten. So sagte Walz in diesem Monat über Vance, wenn es nach dessen Haltung zur Fruchtbarkeitsbehandlung IVF ginge, dann hätte er, Walz, keine Familie. In der vergangenen Woche veröffentlichte Walz' Frau Gewn jedoch eine Mitteilung, aus der hervorging, dass das Paar eine andere Form von Fruchtbarkeitsbehandlung, IUI, erhielt.

Auch die militärische Vergangenheit von Walz wird von der rechten Seite genau unter die Lupe genommen. Ein Kritikpunkt, der laut wurde, ist, dass sich Walz als jemanden beschrieb, der Zeit in einem Kampfgebiet verbrachte, als er im Jahr 2018 über Waffengewalt in den USA sprach. «Wir können sicherstellen, dass diese Kriegswaffen, die ich im Krieg getragen habe», auch nur im Krieg zum Einsatz kämen, sagte er damals.

«Spaghetti-Taktik»

Allerdings hat Walz in seinen 24 Jahren in der Nationalgarde niemals in einem Kampfgebiet gedient, wenngleich er viele verschiedene Rollen innehatte. Dazu gehörte die Arbeit als Infanterist und Feldartilleriekanonier sowie ein Einsatz in Italien zur Unterstützung der aktiven Streitkräfte im Irak und in Afghanistan.

Die oberflächlicheren Angriffe auf Walz beschrieb Vraga als eine «Spaghetti-Taktik», bei der Republikaner eine Reihe von Vorwürfen in Umlauf brächten, um zu schauen, ob sie verfingen. Die Idee, dass Walz ein Lügner sei, passe zudem in das gängige Weltbild, dass Politiker nicht glaubwürdig seien, sagte Walter.

In dem politischen Klima des Jahres 2024, in dem viele Menschen auf beiden Seiten klare Ansichten hätten, an denen schwer zu rütteln sei, habe ein negativer Wahlkampf auch das Potenzial, mögliche Wähler zu verschrecken – insbesondere solche, die sich nicht zu stark engagierten. Sie könnten sich die Frage stellen, warum sie sich überhaupt mit Politik auseinandersetzen sollten, sagte Vraga.

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