Kolumne Diagnose – keinen Bock auf Mode

Von Julia Wagner

26.7.2019

Die Ärzte können sagen, was sie wollen, die  «Bluewin»-Kolumnistin findet, Fashion-Burn-Out sei eine ernsthafte Diagnose – auch wenn sie meist nicht lange anhält. (Symbolbild)
Die Ärzte können sagen, was sie wollen, die «Bluewin»-Kolumnistin findet, Fashion-Burn-Out sei eine ernsthafte Diagnose – auch wenn sie meist nicht lange anhält. (Symbolbild)
Bild: iStock

Die Autorin dieser Kolumne ist fest davon überzeugt, ein Mode-Burn-Out gehabt zu haben. Es geschah in drei Stufen. Nur: Wer glaubt ihr das?

Gibt es sowas wie ein Mode-Burn-Out? Ich sage ja, auch wenn kein Arzt das bestätigen wird.

Ich hatte das mal in New York, nach einer Woche harter Arbeit auf der Fashionweek. Ich sass am letzten Tag, als alle Modespektakel vorbei waren, auf einer Parkbank in SoHo in der Nähe meiner Lieblingsboutique und schaffte es nicht mal mehr aufzustehen, geschweige denn, in den 20 Meter entfernten Laden zu gehen. Ich wollte einfach keine Klamotten mehr sehen. Also sass ich da und starrte in die Luft. Ich kehrte das erste Mal in meinem Leben aus New York zurück – ohne auch nur ein einziges Teil geshoppt zu haben. Eigentlich war ich froh, dass ich es überhaupt wieder geschafft hatte, von der Bank aufzustehen.

Auf volkskrankheit.net steht: «Burnout kann als Endzustand einer Entwicklung bezeichnet werden, die mit idealistischer Begeisterung beginnt und über frustrierende Erlebnisse zu Desillusionierung und Apathie und Symptomen des Ausgebranntseins führt.» So ähnlich habe ich das Arbeiten auf der Fashionweek empfunden.

Stufe 1: Ich bin begeistert in New York (Paris oder Mailand) zu sein und jede Menge neuer Trends und gut gekleidete Menschen zu sehen.

Stufe 2: Ich hetze ab acht Uhr morgens und noch gejetlagged per U-Bahn von Show zu Show (Fahrer haben natürlich nur Leute wie Anna Wintour), um überhaupt alle Termine zu schaffen, und bin ausserdem ständig damit beschäftigt, nach der nächsten Steckdose zu suchen. Schliesslich bedeutet ein leerer Akku den Super-GAU, weil man keinen Live-Streams filmen und nicht sofort Storys an die Redaktion schicken kann, die man fünf Minuten nach dem Ende der Show auf dem Boden kauernd in den Laptop gehackt hat.

Stufe 3: Ich sitze völlig abgekämpft in Jeans und Turnschuhen hinter super gestylten Stars in der Front Row – und fühle mich nicht mal mehr hässlich, weil ich lieber ein kurzes Schläfchen hinter der Sonnenbrille mache. Die Fülle an Trends erschlägt mich, ich sehe jede Show nur am Screen meines Handys. Keine Zeit, eine einzige Kreation zu würdigen.

Kaum ist die Show vorbei, rennen alle raus – zur nächsten. Mode ist mir zu diesem Zeitpunkt irgendwie egal, alles sieht gleich aus – und so landete ich ausgebrannt auf der Parkbank. Die Ärzte können sagen, was sie wollen, ich finde, Fashion-Burn-Out ist eine ernsthafte Diagnose – auch wenn sie meist nicht lange anhält.

Hier gibt es an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne – abwechselnd zu den Themen Mode, Essen, E-Mobility und Mutter. Heute: Mode.

Zur Autorin: Julia Wagner besuchte als Chefredaktorin von miss und später als Leiterin von Stylebook.de alle wichtigen Fashionweeks dieser Welt. Jetzt pendelt sie als Freelancerin ständig zwischen Berlin, Zürich und Wien – und trägt fast nur noch Hipster-Look: Sneaker, Jeans & Rucksack. Das liegt vor allem daran, dass die Haute Couture nicht ins Handgepäck passt.

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