Kopfsache Darum stehen immer mehr Frauen zu ihren grauen Haaren

Julia Kilian, dpa/bb

21.11.2019

Graue Haare galten bei Frauen lange als Makel. Inzwischen stehen immer mehr Frauen zu ihrer natürlichen Haarfarbe. Ein altes Ideal scheint zu bröckeln. Und das ist gut so.

Man kann es fast nicht übersehen – das erste graue Haar. Irgendwie borstig, irgendwie fies. Viele Frauen rücken dann mit der Pinzette an. Oder versuchen sich daheim mit Handschuhen und Färbemittel am Waschbecken.

Aber warum eigentlich? Warum werden Frauen nicht genauso selbstverständlich grau wie Männer?

Sollten Sie mal ein Gesprächsthema im Büro oder unter Freunden suchen, versuchen Sie es damit. Denn graue Frauen sind noch immer eine Seltenheit. Manche wissen gar nicht, wie früh man graue Haare bekommen kann, weil die Verwandtschaft fleissig färbt.

Immer mehr Frauen stehen zu ihrer natürlichen Haarfarbe. Und das ist gut so.
Immer mehr Frauen stehen zu ihrer natürlichen Haarfarbe. Und das ist gut so.
Bild: Getty Images

Dagegen setzen andere Frauen ein Zeichen. Auf Instagram posten sie stolz Fotos ihrer grauen Strähnen (etwa über den Account «grombre»). Auf der Berliner Modewoche laufen grauhaarige Models wie Eveline Hall. Und Moderatorin Birgit Schrowange, 61, hat vor zwei Jahren mit dem Färben aufgehört.

Trendwende in Sicht?

Gerade hat sich auch Schauspieler Keanu Reeves mit einer neuen Begleitung gezeigt. Der Hollywoodstar trat händchenhaltend mit der Künstlerin Alexandra Grant auf, beide haben zusammen einen Buchverlag in Los Angeles. Grant zeigte sich mit einem dunkelblauen Kleid und – so sah es aus – natürlich silbergrauem Haar.



Das sorgte nicht nur in US-Medien für Debatten über weibliche Schönheitsideale. Wenn die Begleitung von Keanu Reeves das Älterwerden annehmen könne, dann könne sie das auch, schrieb zum Beispiel Autorin Ali Drucker in der «New York Times». Grant sehe eben aus wie 46 und nicht wie die «Hollywoodversion von 46».

Dass jüngere Frauen zum natürlichen Grau stehen, ist nach Einschätzung von Coiffeur Antonio Weinitschke aber eher selten. Es gebe mehr Frauen, die ab 60 Jahren zum Grau stünden. Bei Jüngeren sei das weniger verbreitet. «50 ist noch ein Alter, da will man noch nicht so grau gehen.»

Welche Frisur passt?

Der Berliner Promicoiffeur Udo Walz sieht keinen Trend zum Natürlich-Grau. Er sei selbst jedoch ein Fan von grauen Haaren, aber man dürfe dann keine Dauerwelle machen. Das sei dann «Oma-Look».

«Wenn man graue Haare hat, braucht es einen verrückten Haarschnitt», so Walz gegenüber «Bluewin». Er denkt dabei etwa einen klassischen Bob. Was seiner Meinung nach «schrecklich ungepflegt» aussieht: dunkle Haare, die mit einzelnen Grauen durchzogen sind.



Dass sich viele Frauen nicht mit Grau anfreunden wollen, zeigen auch andere Beispiele. Schauspielerin Jennifer Aniston, 50, erklärte zuletzt in der «InStyle», sie werde weiter monatlich zum Färben gehen: «Ich werde nicht lügen – ich will keine grauen Haare», zitierte das Magazin die Schauspielerin.

Genau genommen werden Haare übrigens gar nicht grau, sondern weiss. Erst durch die Mischung mit der Naturhaarfarbe entstehe ein Grauton, sagt Coiffeur Weinitschke.

Wann die ersten weissen Haare auftauchen, sei genetisch bedingt. Bei ihm sei das mit Anfang 50 passiert. Er kenne auch Frauen, die mit 17 Jahren graue Haare bekämen. Blonde sind ein wenig im Vorteil – dort fällt Grau weniger auf.

Grau als Statement

Sind die ersten hellen Borsten da, muss man sich entscheiden. Autorin Charlotte Roche, 41, hat ein paar graue Haare an den Schläfen – und mag das auch. «Ich freue mich, wenn ich Frauen sehe, die ihre Haare natürlich grau lassen», sagt Roche.



Graue Haare seien heutzutage ja leider ein Statement, weil Frauen über Generationen beigebracht worden sei, gegen jedes Alterungszeichen zu kämpfen, sonst gelte man als hässlich und alt, sagte Roche. «Warum sehen nur Männer besser aus, wenn sie altern?» Und alle Frauen alterten nicht schön? Da müsse man ja wohl gegen vorgehen.

Birgit Schrowange jedenfalls hat ihren Schritt zum Leben ohne Haarefärben nicht bereut, wie sie der «Bild»-Zeitung sagte. Sie habe viel Lebenszeit gewonnen, weil sie am Schluss alle zwei Wochen färben lassen musste.

Mit Blick auf Anerkennung für ihre grauen Haare sagte sie: «Es kamen Leute auf mich zu: «Booooah, du bist sooo mutig!» Hat das jemals jemand zu meinem Kollegen Peter Kloeppel gesagt?»

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