Uralte Tradition Sie fangen Haie mit blosser Hand

Von Claudio Sieber, Kontu, Neuirland

21.8.2021

Auf der Insel Neuirland in Papua-Neuguinea fangen die Menschen Haie mit der Hand. Die Haijäger von Kontu, einem Dorf an der Westküste der Insel, gehören zu den letzten Selbstversorgern.

Von Claudio Sieber, Kontu, Neuirland

Als der niederländische Seefahrer Abel Janszoon Tasman am Anfang des 17. Jahrhunderts die Küste der Insel Neuirland kartografierte, traute er seinen Augen nicht. Als erster Europäer wurde er auf offener See zum Zeugen einer wahrhaft bizarren Jagdmethode.

Auch in der modernen Welt haben sich die Siedler von Kontu, einem Dorf an der Westküste der Insel im Bismarck-Archipel in Papua-Neuguinea, unlängst einen Namen gemacht. Ihr Ruf, schwimmende Kreissägen per Hand zu erlegen, eilt ihnen voraus. Die Haijäger von Kontu gehören zu den letzten Selbstversorgern unserer Zeit.

Bis dato hat sich Kontu scheinbar kaum verändert. Oranges Licht von Öllampen züngelt durch die Dunkelheit, Grillen zirpen, ab acht Uhr abends ist es in den Hütten mucksmäuschenstill. Haijäger sind Frühaufsteher.

Zum Autor: Claudio Sieber
Bild: zVg

Der Multimedia-Journalist Claudio Sieber aus St. Gallen reist seit mehreren Jahren durch Asien, wo er über die Traditionen fremder Völker, Popkultur und den sozialen Wandel im Orient und Ozeanien berichtet.

Magische Melodie

Sind die Winde mild und die See glasig, verlassen die Männer frühmorgens das Dorf in ihren Einbaum-Kanus, um zur Mittagszeit auf Tuchfühlung mit ihrer Beute zu sein. Dort, im marineblauen Wasser verharrend, praktizieren sie ihre altbewährte Jagdmethode, Schritt für Schritt.

Sanft ein Volkslied singend, schlagen sie rhythmisch eine Kette aus Kokosnussschalen gegen die Seite ihres Kanus und senden dadurch eine magische Melodie in die Tiefe des Meeres.

Dieses urchige Konzert könnte durchaus den ganzen Nachmittag überdauern, ohne dass sich ein Hai dafür interessiert. Für solche Situationen pflegen die Siedler ihre Gärten. Nicht selten jedoch lässt sich ein Silberspitzenhai ködern, und des Jägers Chancen stehen gut, dass er seinen Clan die nächsten Tage über die Runden bringt.

Traditionelle Überlebenskunst

Im Vergleich zu kommerziellen Fischern wissen die Shark Callers alles über die Artbildung der Haie inklusive Anatomie und Physiologie.

Sie wissen genau, wie und wohin die Haie schwimmen, was sie essen, ob sie den Köder akzeptieren oder lieber Reissaus nehmen. In der lokalen Mandak-Sprache gibt es von der Rückenflosse des Hais bis zu seiner Leber eine Bezeichnung.

Die Hairufer von Neuirland: Sie jagen mit Lasso und Kokosnüssen

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19.08.2021

Die Jagd auf Silberspitzenhaie ist in Kontu eine Überlebenskunst, die seit Jahrhunderten konstant von Vater zu Sohn oder von Grossvater zu Enkel weitergegeben wird. Doch die ursprüngliche Lebensweise der Neuirländer ist angesichts des Durstes nach Bildung und dem einsickernden Kapitalismus im Umbruch.