Das 400-Seelen-Dorf Kontu kommt bis heute ohne Telefonnetz und öffentliche Verkehrsmittel aus. Ein holpriges Weglein führt entweder vom Südteil der Insel sowie von Neuirlands nördlich gelegenen Provinzhauptstadt Kavieng in das überschaubare Kontu. Die Einheimischen nennen die Zufahrt liebevoll «Busch-Autobahn».
Die meisten Dorfbewohner haben ihre Gärten und sind Haijäger (englisch: Shark-Callers). Sie wohnen in kleinen Hütten, von denen nur die wenigsten ein Solarpanel montiert haben. Vorwiegend bringen Öllampen abends Licht ins Dunkel.
Bevor die Missionare die Neuirländer mit dem Christentum vertraut machten, glaubten sie an eine Gottheit namens «Moroa», welcher auch die Haie schuf. Die Haijäger befolgen nach wie vor verschiedene Tabus wie zum Beispiel der Verzicht auf gewisse Nahrung sowie den Beischlaf in der Nacht vor einer Jagd.
Obed stellt Haien nach seitdem er volljährig ist. Er hat die Jagdtradition von seinem Vater übernommen, diese Tage wird es immer schwieriger für den alternden Haijäger, denn seine Sehkraft lässt zunehmend nach. Obed hat drei Volksliedchen auf Lager, eines für den Weg zum Jagdrevier, eines während er die Kokosnussschalen schüttelt, und eines falls er einen Hai erlegt.
Kontus Haijäger gehen ausschliesslich Solo auf die Pirsch. Routinemässig paddeln sie frühmorgens bis zu zehn Kilometer weg von der Küste und legen sich dann auf die Lauer.
Mit dem euphorischen Gerassel von Kokosnussschalen imitieren die Haijäger einen irritierten Scharm Thunfische. Das lockt die Haie an, auch wenn sie mehrere Kilometer entfernt sind.
Ein Indiz für die Anwesenheit der Haie sind die Vögel. Diese trachten nach Überbleibseln einer Thunfisch-Beute. Thunfische sind wiederum die Lieblingsmahlzeit des Silberspitzenhaies. Die Haijäger scannen somit auch den Himmel nach tauchenden Vögeln, um den Haien näherzukommen.
Mit viel Geduld wartet der Haijäger auf seine Beute. Sobald ein Hai nahe vom Kanu ist, hält der Jäger mit einer Hand eine Holzrute mit Fischstücken ins Wasser, mit der anderen balanciert er das Holzlasso auf der Wasseroberfläche.
Just wenn der Hai nach den Fischen schnappt, taucht der Jäger das Holzlasso ins Wasser, bestenfalls um den Kopf des Hais, sodass dieser nicht mehr abtauchen kann. Falls das funktioniert, zieht der Jäger am Seil und erledigt den Rest mit einem Holzknüppel.
Ist ein Jäger erfolgreich, bläst er ins Muschelhorn um die Dorfbewohner über den Fang zu informieren. Heute ist Obed nicht erfolgreich. Sein Holzlasso war zu klein für den riesigen Hai, den er damit fangen wollte. Dafür gelingt es seinem Nachbarn Rudolph einen Hai zu erlegen, somit ist das Abendessen für die beiden Jäger sowie ihre Familien gerettet.
Bekanntlich gibt es in Asien eine grosse Nachfrage nach Haifischflossen. Bevor Kontu durch die «Busch-Autobahn» mit der Provinzhauptstadt Kavieng verbunden wurde, haben die Dorfbewohner auch die Flossen gegessen. Neu werden diese jedoch je nach Qualität für 10 bis 20 Franken am Markt in Kavieng verkauft, um damit die Schulbildung der Nachkommen zu finanzieren, oder um mit dem Verdienst etwas Reis zu kaufen.
Je nach Grösse der Beute wird unterschiedlich aufgeteilt. Kleine Haie behält die Familie des Jägers ein. Falls der Jäger einen grösseren Hai erwischt, verteilt er Überschüsse an die Nachbarn und behält die Flossen, den Bauch- und Schwanzteil für seine Familie.
Uralte Tradition: Sie fangen Haie mit blosser Hand
Das 400-Seelen-Dorf Kontu kommt bis heute ohne Telefonnetz und öffentliche Verkehrsmittel aus. Ein holpriges Weglein führt entweder vom Südteil der Insel sowie von Neuirlands nördlich gelegenen Provinzhauptstadt Kavieng in das überschaubare Kontu. Die Einheimischen nennen die Zufahrt liebevoll «Busch-Autobahn».
Die meisten Dorfbewohner haben ihre Gärten und sind Haijäger (englisch: Shark-Callers). Sie wohnen in kleinen Hütten, von denen nur die wenigsten ein Solarpanel montiert haben. Vorwiegend bringen Öllampen abends Licht ins Dunkel.
Bevor die Missionare die Neuirländer mit dem Christentum vertraut machten, glaubten sie an eine Gottheit namens «Moroa», welcher auch die Haie schuf. Die Haijäger befolgen nach wie vor verschiedene Tabus wie zum Beispiel der Verzicht auf gewisse Nahrung sowie den Beischlaf in der Nacht vor einer Jagd.
Obed stellt Haien nach seitdem er volljährig ist. Er hat die Jagdtradition von seinem Vater übernommen, diese Tage wird es immer schwieriger für den alternden Haijäger, denn seine Sehkraft lässt zunehmend nach. Obed hat drei Volksliedchen auf Lager, eines für den Weg zum Jagdrevier, eines während er die Kokosnussschalen schüttelt, und eines falls er einen Hai erlegt.
Kontus Haijäger gehen ausschliesslich Solo auf die Pirsch. Routinemässig paddeln sie frühmorgens bis zu zehn Kilometer weg von der Küste und legen sich dann auf die Lauer.
Mit dem euphorischen Gerassel von Kokosnussschalen imitieren die Haijäger einen irritierten Scharm Thunfische. Das lockt die Haie an, auch wenn sie mehrere Kilometer entfernt sind.
Ein Indiz für die Anwesenheit der Haie sind die Vögel. Diese trachten nach Überbleibseln einer Thunfisch-Beute. Thunfische sind wiederum die Lieblingsmahlzeit des Silberspitzenhaies. Die Haijäger scannen somit auch den Himmel nach tauchenden Vögeln, um den Haien näherzukommen.
Mit viel Geduld wartet der Haijäger auf seine Beute. Sobald ein Hai nahe vom Kanu ist, hält der Jäger mit einer Hand eine Holzrute mit Fischstücken ins Wasser, mit der anderen balanciert er das Holzlasso auf der Wasseroberfläche.
Just wenn der Hai nach den Fischen schnappt, taucht der Jäger das Holzlasso ins Wasser, bestenfalls um den Kopf des Hais, sodass dieser nicht mehr abtauchen kann. Falls das funktioniert, zieht der Jäger am Seil und erledigt den Rest mit einem Holzknüppel.
Ist ein Jäger erfolgreich, bläst er ins Muschelhorn um die Dorfbewohner über den Fang zu informieren. Heute ist Obed nicht erfolgreich. Sein Holzlasso war zu klein für den riesigen Hai, den er damit fangen wollte. Dafür gelingt es seinem Nachbarn Rudolph einen Hai zu erlegen, somit ist das Abendessen für die beiden Jäger sowie ihre Familien gerettet.
Bekanntlich gibt es in Asien eine grosse Nachfrage nach Haifischflossen. Bevor Kontu durch die «Busch-Autobahn» mit der Provinzhauptstadt Kavieng verbunden wurde, haben die Dorfbewohner auch die Flossen gegessen. Neu werden diese jedoch je nach Qualität für 10 bis 20 Franken am Markt in Kavieng verkauft, um damit die Schulbildung der Nachkommen zu finanzieren, oder um mit dem Verdienst etwas Reis zu kaufen.
Je nach Grösse der Beute wird unterschiedlich aufgeteilt. Kleine Haie behält die Familie des Jägers ein. Falls der Jäger einen grösseren Hai erwischt, verteilt er Überschüsse an die Nachbarn und behält die Flossen, den Bauch- und Schwanzteil für seine Familie.
Auf der Insel Neuirland in Papua-Neuguinea fangen die Menschen Haie mit der Hand. Die Haijäger von Kontu, einem Dorf an der Westküste der Insel, gehören zu den letzten Selbstversorgern.
Als der niederländische Seefahrer Abel Janszoon Tasman am Anfang des 17. Jahrhunderts die Küste der Insel Neuirland kartografierte, traute er seinen Augen nicht. Als erster Europäer wurde er auf offener See zum Zeugen einer wahrhaft bizarren Jagdmethode.
Auch in der modernen Welt haben sich die Siedler von Kontu, einem Dorf an der Westküste der Insel im Bismarck-Archipel in Papua-Neuguinea, unlängst einen Namen gemacht. Ihr Ruf, schwimmende Kreissägen per Hand zu erlegen, eilt ihnen voraus. Die Haijäger von Kontu gehören zu den letzten Selbstversorgern unserer Zeit.
Bis dato hat sich Kontu scheinbar kaum verändert. Oranges Licht von Öllampen züngelt durch die Dunkelheit, Grillen zirpen, ab acht Uhr abends ist es in den Hütten mucksmäuschenstill. Haijäger sind Frühaufsteher.
Zum Autor: Claudio Sieber
Bild: zVg
Der Multimedia-Journalist Claudio Sieber aus St. Gallen reist seit mehreren Jahren durch Asien, wo er über die Traditionen fremder Völker, Popkultur und den sozialen Wandel im Orient und Ozeanien berichtet.
Magische Melodie
Sind die Winde mild und die See glasig, verlassen die Männer frühmorgens das Dorf in ihren Einbaum-Kanus, um zur Mittagszeit auf Tuchfühlung mit ihrer Beute zu sein. Dort, im marineblauen Wasser verharrend, praktizieren sie ihre altbewährte Jagdmethode, Schritt für Schritt.
Sanft ein Volkslied singend, schlagen sie rhythmisch eine Kette aus Kokosnussschalen gegen die Seite ihres Kanus und senden dadurch eine magische Melodie in die Tiefe des Meeres.
Dieses urchige Konzert könnte durchaus den ganzen Nachmittag überdauern, ohne dass sich ein Hai dafür interessiert. Für solche Situationen pflegen die Siedler ihre Gärten. Nicht selten jedoch lässt sich ein Silberspitzenhai ködern, und des Jägers Chancen stehen gut, dass er seinen Clan die nächsten Tage über die Runden bringt.
Traditionelle Überlebenskunst
Im Vergleich zu kommerziellen Fischern wissen die Shark Callers alles über die Artbildung der Haie inklusive Anatomie und Physiologie.
Sie wissen genau, wie und wohin die Haie schwimmen, was sie essen, ob sie den Köder akzeptieren oder lieber Reissaus nehmen. In der lokalen Mandak-Sprache gibt es von der Rückenflosse des Hais bis zu seiner Leber eine Bezeichnung.
Die Hairufer von Neuirland: Sie jagen mit Lasso und Kokosnüssen
Auf der Insel Neuirland in Papua Neuguinea fangen die Menschen Haie mit der Hand. Die Haijäger von Kontu, einem Dorf an der Westküste der Insel, gehören zu den letzten Selbstversorgern unserer Zeit.
19.08.2021
Die Jagd auf Silberspitzenhaie ist in Kontu eine Überlebenskunst, die seit Jahrhunderten konstant von Vater zu Sohn oder von Grossvater zu Enkel weitergegeben wird. Doch die ursprüngliche Lebensweise der Neuirländer ist angesichts des Durstes nach Bildung und dem einsickernden Kapitalismus im Umbruch.