Routenvorschläge Früchte und Korn – Wandern durch das Schweizer Bauernland

kd

18.5.2019

Im Bavonatal im Tessin gibt es noch heute keinen elektrischen Strom und bewohnt wird es nur im Sommer.
Im Bavonatal im Tessin gibt es noch heute keinen elektrischen Strom und bewohnt wird es nur im Sommer.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Wandern durch bäuerliche Kulturlandschaften: Der Heimatschutz lädt mit einer neuen Publikation dazu ein, die Schönheit und Vielfalt traditioneller Schweizer Agrarlandschaften zu entdecken. «Bluewin» stellt neun besonders schöne Routen vor.

Alpweiden, Kastanienhaine oder Scheunen – die Schönheit und Vielfalt traditioneller Agrarbewirtschaftung prägt das Landschaftsbild der Schweiz und zeugt davon, wie einfallsreich hart arbeitende Generationen vor uns die lokalen Ressourcen nutzten, um Nahrung zu produzieren und ihre Existenz zu sichern.

Dieses über Jahrhunderte entstandene Kulturerbe steht stark im Wandel der Zeit. Zwar sind Mensch und Landwirtschaft untrennbar verbunden, dennoch stellt sich die Frage, wie sich Siedlungs- und Kulturlandschaft, Naturschutz und Raumpflege auch zukünftig vereinbaren lassen. 

Der Schweizer Heimatschutz greift dieses Thema auf: In seiner neuen Broschüre «Heimatschutz unterwegs – Süsse Früchte, goldenes Korn» finden sich 23 Wanderungen auf den Spuren traditioneller Agrarlandschaften.

1. Alpwirtschaft im Greyerzerland

Die Spuren der Alpwirtschaft im Greyerzerland gehen bis ins Mittelalter zurück. Sie sind bezeichnend für die voralpine Kulturlandschaft in der Herkunftsregion des Gruyère-Käses. 

Die mit Holzschindeln bedachten Alphütten bilden das Herzstück der rund 1400 Alpen im Greyerzerland.
Die mit Holzschindeln bedachten Alphütten bilden das Herzstück der rund 1400 Alpen im Greyerzerland.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Die Wanderung führt über den Aussichtsberg Moléson bis zum Städtchen Gruyères. In den ursprünglich dicht bewaldeten Voralpen des heutigen Kantons Freiburg setzte im Mittelalter die Rodung von Waldflächen ein. Die dadurch gewonnenen Weideflächen dienen bis heute jeweils von Mai bis September der Alpwirtschaft.

Herzstück der rund 1'400 Alpen im Greyerzerland sind die – oft mit Holzschindeln bedeckten – Alphütten. Im 19. Jahrhundert setzten ganzjährig betriebene Talkäsereien die traditionelle Alpkäseproduktion unter Druck. Doch dank der geschützten AOP-Bezeichnungen «Gruyère d’Alpage» und «Vacherin Fribourgeois d’Alpage» erlebte die Herstellung im Berggebiet seit den 1980er-Jahren eine Renaissance.

2. Walliser Suonen und Rebterrassen

Mit jährlich rund 2'000 Sonnenstunden sowie kalk- und magnesiumhaltigen Böden liefern die Südhänge des Rhonetals ideale Bedingungen für den Rebbau. Die Rundwanderung führt entlang der Wasserleitung «Grossi von Varen» ums das Weindorf Salgesch.

Die von Trockenmauern gefassten Rebterrassen verleihen den Südhängen des Rhonetals ein unverkennbares Gesicht.
Die von Trockenmauern gefassten Rebterrassen verleihen den Südhängen des Rhonetals ein unverkennbares Gesicht.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Die Südhänge des Rhonetals zwischen Leuk und Martigny beeindrucken mit einer einzigartigen Terrassenlandschaft unter schroffen Berggipfeln. Enorme Anstrengungen waren nötig, um die steilen Hanglagen bewirtschaften zu können.

Im französischsprachigen Wallis heissen sie «Bisses», im deutschsprachigen «Suonen». Die historischen Kanäle bestehen aus aufwendig erstellten Gräben und in Stein gemeisselten oder hölzernen Leitungen. Sie führen das Wasser aus Gebirgs- und Gletscherbächen auf Wiesland, Äcker, Rebberge und Obstgärten.

3. Jurassische Wytweiden

Die charakteristischen Weiden mit den hochragenden Fichten im Jura sind das Ergebnis einer jahrhundertelangen Kombination von Forst- und Viehwirtschaft. Sie bieten trotz harscher Winter, kurzer Vegetationsphasen und teilweise karstigem Untergrund einen einzigartigen Lebensraum für Pflanzen, Tier und Mensch.

Symbolisch für die Landschaften des Jurabogens: Weiden mithochragenden Fichten.
Symbolisch für die Landschaften des Jurabogens: Weiden mithochragenden Fichten.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Ein vorherrschender Wassermangel erschwerte die Bedingungen für den Ackerbau zusätzlich. So liessen Milch-, Fleisch und Forstwirtschaft sowie die Pferdezucht ein Mosaik von bewaldeten Flächen, mit Bäumen bestockten Weiden, offenen Wiesen, Hochmooren und teilweise künstlich angelegten Teichen entstehen, das durch die geologischen Strukturen geprägt ist. Ein fragiles Konstrukt mit hohem ökologischen und identitätsstiftenden Wert, das jahraus, jahrein sorgfältiger Pflege bedarf.

4. Baselbieter Feldscheunen

Heuschober, Weidställe und Remisen an Waldrändern und im offenen Land machen die Kulturlandschaft des Baselbieter Tafeljuras unverwechselbar.  Entstanden sind sie aus praktischen Gründen: Äcker, Wiesen und Weiden mussten von den Dörfern aus bestellt werden. Ausserhalb des «Etters», der Dorfzone, war es verboten, Höfe zu errichten.

Die «Heuschüürli» aus Stein und Holz, mit ihren typisch geneigten Dächern, stellen eine Besonderheit des Baselbiets dar.
Die «Heuschüürli» aus Stein und Holz, mit ihren typisch geneigten Dächern, stellen eine Besonderheit des Baselbiets dar.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Doch nahm die Bevölkerung stark zu, wuchs auch der Bedarf an Weide- und Wiesland. Immer abgelegenere Waldflächen wurden deshalb gerodet. Um die neu gewonnenen Flächen trotz längerer Arbeitswege bewirtschaften zu können, errichteten die Landwirte vor Ort Heuschober und Stallscheunen, in denen sie Geräte unterstellen oder Heu zwischenlagern konnten. Mit der Mechanisierung der Landwirtschaft haben viele dieser Bauten ihre Funktion verloren und drohen nun zu verfallen.

5. Reblandschaft Hallau

Eine gemütliche Rundwanderung durch die Klettgauer Hügellandschaft in den Schaffhauser Rebbergen verbildlicht Tradition und Moderne. Während das Ortsbild von Hallau an die Winzer von einst erinnert, sind die Treibhäuser der Rebschule Ausdruck des modernen Rebbaus. 

Das bedeutendste Weinbaugebiet von Schaffhausen erfand sich Mitte des 20. Jahrhunderts neu. Bis 1949 prägten bäuerliche Kleinbetriebe mit zersplitterten Parzellenstrukturen das Landschaftsbild von Hallau. Erst die Zusammenlegung von Parzellen und neue Erschliessungswege ermöglichten den Einsatz von Maschinen.

Hallau zählt mit zu den bekanntesten Weinbauregionen der Schweiz und gehört zum Schaffhauser Blauburgunderland.
Hallau zählt mit zu den bekanntesten Weinbauregionen der Schweiz und gehört zum Schaffhauser Blauburgunderland.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Zeitgleich erfolgte im gesamten Anbaugebiet auch die Umstellung auf veredelte, gegen die Reblaus resistente Reben. Der regionale Wein verzeichnete in den Folgejahren grosse Erfolge. Doch Ende der 1980er-Jahre brach die Nachfrage ein, wegen übermässiger Ernten und der Konkurrenz aus der Westschweiz. Heute setzen die Hallauer Rebbesitzer vermehrt auf naturnahe Produktion.

6. Durch Ostschweizer Obstgärten

Die erste Etappe des Thurgauer Panoramawegs führt vorbei an Obstplantagen und reizvollen Fachwerkbauten. Hat man das Naturschutzried mit den fünf Fischweihern durchquert, führt eine Fähre zum Wasserschloss Hagenwil.

Nordöstlich der beiden mit dem Wakkerpreis ausgezeichneten Gemeinden Bischofszell (1987) und Hauptwil-Gottshaus (1999) erstreckt sich eine sanft geformte, parkähnliche Landschaft mit Weilern und Einzelhöfen. Sie sind umringt von Obstkulturen, Wiesen und einzelnen Waldflächen.

Die Ostschweizer Hochstammbäume bieten vielfältige Lebensräume für Kleintiere. Jeder Einzelbaum ist ein eigenes Kleinbiotop.
Die Ostschweizer Hochstammbäume bieten vielfältige Lebensräume für Kleintiere. Jeder Einzelbaum ist ein eigenes Kleinbiotop.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Hochwertige Naturräume wie das Hudelmoos und intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen schaffen vielfältige Lebensräume. Die noch erhaltenen Hochstammobstgärten bieten mit ihren alten Baumbeständen Brutplätze für seltene Vogelarten. Die Weiher bei Hauptwil, die bereits im 15. Jahrhundert mitsamt einem regulierbaren Kanalnetz künstlich erstellt wurden, sind heute geschützte Feuchtbiotope.

7. Walensee – zwischen Wasser und Fels

Der schmale Streifen Land zwischen Walensee und Churfirsten ist nur schwer erreichbar, doch wer die Anreise von Weesen zu Fuss oder per Schiff ins autofreie Quinten auf sich nimmt, wird belohnt.

Am Nordufer des Walensees herrscht ein beinahe mediterranes Klima. Die schroffen Felswände der Churfirsten heizen sich in der Sonne auf und geben nachts die gespeicherte Wärme frei. Rundum Quinten gedeihen Feigen, wachsen Mandelbäume, Kastanien- und Lindenmischwälder, aber auch Kiwis, Zitronen und Palmen.

Nur zu Fuss oder per Schiff erreichbar: Quinten am Walensee.
Nur zu Fuss oder per Schiff erreichbar: Quinten am Walensee.
Bild: Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Erst 1951 mit elektrischem Strom erschlossen, war Quinten am Seeweg zwischen Weesen und Walenstadt lange von Abwanderung betroffen. Projekte wie die Wiederbelebung der Seidenraupenzucht oder die Vermarktung des Quintner Weines sollen den Ort wieder attraktiv machen, Arbeitsplätze schaffen und Besucherinnen und Besucher anziehen.

8. Das Bergell

Das Bergell ist reich an kulturellen und landschaftlichen Schätzen. Auf der sonnigen Nordflanke führt die Wanderung durch attraktive Dörfer und Kastanienselven und auf einem Kastanienlehrpfad bis an die Grenze zu Italien.

Seit 1979 werden im Bergell die Kastanieselven wieder vermehrt gepflegt. Bei Brentan befindet sich einer der schönsten Haine Europas.
Seit 1979 werden im Bergell die Kastanieselven wieder vermehrt gepflegt. Bei Brentan befindet sich einer der schönsten Haine Europas.
BIld:  Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

Topografie, Licht, Vegetation und Baukunst verbinden sich im Bündner Südtal zu einem einzigartigen Ganzen. Um die Herausforderungen des Strukturwandels mit vereinter Kraft anzugehen, fusionierten die Gemeinden der Talschaft 2010 zur Gemeinde Bregaglia.

9. Das Muggiotal

Von Capolago im Süden des Luganersees führt die Zahnradbahn auf den Gipfel des Monte Generoso. Die Bergwanderung führt vorbei an  aussergewöhnlichen Bauten, allesamt Zeugen menschlichen Einfallsreichtums zur Nutzung der karstigen Voralpenzone.

Am Südhang des Monte Generoso überrascht das wenig bekannte Muggiotal mit einer ausserordentlich schönen und vielfältigen Kulturlandschaft. Um sich in der kargen Umgebung zu versorgen, kombinierten die Talbewohnerinnen und -bewohner Ackerbau und Viehzucht in einem Stufensystem. Sie entwickelten Lösungen, die für die Schweiz teilweise einzigartig sind.

Das Muggiotal im Tessin begeistert mit seiner Landwirtschaft, die noch heute intakt ist –ein Freilichtmuseum, eingebettet in die Natur.
Das Muggiotal im Tessin begeistert mit seiner Landwirtschaft, die noch heute intakt ist –ein Freilichtmuseum, eingebettet in die Natur.
Bild:  Schweizer Heimatschutz, Pierre Marmy

In Gebieten, wo Quellen und Bäche selten sind, leiteten die Landwirte das Regenwasser von den Dächern in Zisternen. Während der Alpsaison hielten sie die Milch in begehbaren Kühlkammern, den sogenannten «nevère», frisch. Die Innenräume dieser zylinderförmigen Trockenmauerkonstruktionen liegen bis zu zwei Dritteln unter dem Erdboden und wurden im Winter mit gepresstem Schnee gefüllt.

Bibliografie: «Heimatschutz unterwegs – Süsse Früchte, goldenes Korn. Band 2», Schweizer Heimatschutz, Übersichtsbroschüre mit 23 Routenblättern, 978-3-907209-00-4, 28 Fr.

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