Ärger in den FerienWenn die Handtuch-Brigade am Hotel-Pool zuschlägt
Von Christiane Oelrich, dpa
25.7.2022
Endlich wieder Ferien mit Strand und Pool. Hotels sind voll und damit kehren Unsitten zurück wie «Handtuchkriege», das Besetzen von Sonnenliegen am frühen Morgen. Warum das in diesem Jahr besonders problematisch werden könnte, erklärt ein Tourismus-Experte.
Von Christiane Oelrich, dpa
25.07.2022, 00:00
26.07.2022, 13:55
Christiane Oelrich, dpa
Wer kennt nicht die Geschichten von frühmorgens am Hotelpool: Sobald die Anlage öffnet, stürzen Dutzende Tourist*innen los und besetzen mit Handtüchern Sonnenliegen. Bloss erstmal die besten Plätze sichern, dann gemütlich frühstücken oder gar nochmal ins Bett.
Hauptsache, das Territorium ist abgesteckt, auch wenn man erst Stunden später zum Sonnenbaden kommt. «Handtuchkrieg» heisst das. Das Phänomen ist zwar uralt, aber in diesem Jahr könnte es besonders viel Ärger auslösen.
«Die Menschen haben durch die Corona-Pandemie lange auf ihre Ferien gewartet und haben vielleicht noch mehr als vorher das Gefühl, sie müssten alles aus den Ferien herausholen», sagt Tourismus-Experte Alexis Papathanassis.
¨«In vielen Ferienländern gibt es aber einen Fachkräftemangel in der Hotellerie, da wird es Einschränkungen bei den Dienstleistungen geben. Wenn die Leute deshalb schon unzufrieden sind, gewinnen kleine Ärgernisse wie besetzte Sonnenliegen zusätzlich an Bedeutung.» Papathanassis, Rektor der Hochschule Bremerhaven und Professor für Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Touristik/Seetouristik, hat das Phänomen erforscht.
Hotels wollen ihre Gäste nicht vergraulen
Für Hotels ist das Ganze ein kniffliges Problem. Sie wollen ja rundum zufriedene Gäste – dazu gehören auch die, die sich morgens an dem Run auf die Sonnenliegen beteiligen. Ferienveranstalter und Hotelketten reagieren zugeknöpft auf Anfragen, wie sie damit umgehen. «Zum Thema «Reservieren von Pool-Liegen» gibt es keinen Leitfaden oder dergleichen von Accor», teilt die gleichnamige Hotelkette mit.
Der Reiseanbieter Tui sagt, in seinen Hotels gebe es meist genügend Sonnenliegen für alle. Das Personal stelle auch gerne zusätzliche Liegen auf oder helfe, Liegen freizuräumen, die augenscheinlich nicht mehr genutzt werden, so Sprecher Aage Dünhaupt. In manchen Hotelanlagen könne man sich gegen Geld auch eine luxuriösere Liege mit eigenem Sonnendach reservieren, das werde immer beliebter. Bei Club Med gebe es auch meist genügend Liegen, sagt eine Sprecherin. In kleineren Anlagen sei es untersagt, Liegen zu reservieren.
Tourismusexperte Papathanassis befasste sich 2019 zusammen mit Stephanie Boecker in einem wissenschaftlichen Sammelband mit dem Handtuch-Krieg. Sie werteten Dutzende Online-Quellen und Nutzerkommentare aus und führten Interviews mit 28 Touristen. Sie kamen zu dem Schluss, dass viele Tourist*innen wegen der Medienberichte mit einer Sonnenliegen-Knappheit geradezu rechnen. Sie würden sich deshalb von vornherein auch Liegen am Pool reservieren.
«Das ist ein bisschen wie mit dem Klopapier-Hamstern zu Beginn der Corona-Pandemie», sagt Papathanassis. «Leute hören, dass angeblich etwas knapp ist, und verhalten sich dann so, dass es wirklich knapp wird.» Zudem gingen viele Leute davon aus, dass alle anderen genauso denken wie sie selbst. Ein Bedürfnis nach Routine und Sicherheit werde auch als Grund für die Besetzung von Liegen genannt.
Die Swiss nimmt Deutsche in Werbeaktion aufs Korn
Die Schweizer Fluggesellschaft Swiss nahm die Deutschen mit einer Werbeaktion aufs Korn. Sie schickte Schauspieler in den bunten Uniformen der Schweizergarde, die eigentlich den Vatikan bewacht, 2016 an den Strand von Palma de Mallorca, um die von Deutschen reservierten Liegen zu bewachen und dazu kühle Getränke zu reichen.
Die Club Med-Sprecherin sagt: «Je mehr deutsche Gäste, desto mehr Liegen werden reserviert – im Club Med Kamarina ist das Verbot sogar der einzige Hinweis im Resort, der auch auf Deutsch übersetzt wurde.» Das Klischee, dass es immer nur die Deutschen sind, stimmt aber nicht: Die Briten seien auch «erbitterte Akteure im Handtuchkrieg», schrieb die Hotelkette Accor in ihrem Magazin. Papathanassis und sein Team machten auch Franzosen, Griechen und Briten als Liegen-Besetzer aus.
Angst vor Konfrontation mit Sonnenliegen-Blockierern
Viele Menschen scheuen sich, besetzte Liegen selbst zu räumen. Das passiere «aus Angst vor einer Konfrontation mit einem wütenden Sonnenliegen-Blockierer», schrieben Papathanassis und sein Team. Das führe aber zu Frust. Die meisten Leute fänden deshalb klare Regeln gut. Für manche sei das Spektakel um besetzte Liegen auch amüsant. Sie «sehen ihre Ferien durch die Aufregung einer Konfrontation bereichert», heisst es.
Papathanassis findet, dass Thema werde künstlich aufgebauscht. «Ich forsche auch zu Steuerhinterziehung und Geldwäsche, oder Alkohol und Kriminalität bis zu sexueller Gewalt in der Tourismusbranche. Das sind wirklich skandalöse Themen, die man angehen müsste – aber die grösste Resonanz gibt es bei Handtuch-Kriegen. Dabei ist das ein Thema, dass nun wirklich keine Top-Priorität im Tourismussektor hat.»
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