Audio-Trend Zum Entspannen und zum Putzen – darum boomen Podcasts

David Schwarz, dpa/bb

6.3.2020

Haben beide einen Podcast: Charlotte Roche und Jan Böhmermann.
Haben beide einen Podcast: Charlotte Roche und Jan Böhmermann.
Bild: Getty Images

Jan Böhmermann hat einen, Tom Gisler und Charlotte Roche auch. Mal geht es um Geld, mal um Fussball, mal um Liebe. Podcasts, quasi Radio auf Abruf, gibt es inzwischen in den verschiedensten Variationen.

Podcast-Moderatorin Shalin Rogall hat eine These, welchen speziellen Nutzen ihre und andere Sendungen erfüllen. «Ich glaube, dass Podcasts eigentlich als Putzhilfe erfunden wurden», sagt die 29-Jährige und spricht auch aus eigener Erfahrung.

Es gebe nichts Besseres, als beim Hören Wäsche aufzuhängen oder sein Zimmer aufzuräumen. Man könne sich etwas inspirieren und informieren lassen, ohne dass der Kopf überlastet werde.

Auch auf dem Weg zur Arbeit, abends im Bett oder im Fitnessstudio werden Podcasts immer häufiger gehört. «Es ist einfach dieses schöne Nebenbei-Medium, das man überall mit hinnehmen kann», sagt die Moderatorin des Podcasts «Ab 21» von Deutschlandfunk Nova. Hörer und Hörerinnen könnten Podcasts sehr leicht in den Alltag einbauen und zwischendurch auch immer wieder Pause einlegen.

«Fest & Flauschig»

Podcasts sind Serien von Audio- oder Videobeiträgen. Man kann sie leicht herunterladen oder streamen und auf verschiedenen Geräten anhören oder anschauen. In Deutschland denken viele Menschen vermutlich zuerst an «Fest & Flauschig» von Jan Böhmermann und Olli Schulz: zwei Männer, die vor einem Mikro sitzen und miteinander über Gott und die Welt quatschen.

Auch in der Schweiz erfreuen sich Podcasts einer wachsenden Fangemeinde. Einige Beispiele gefällig?

Psychologin Caroline Fux spricht über Sex, Liebe und Beziehungen. Ein Podcast über Ideen, die nicht funktioniert haben, realisiert Nico Leuenberger. Lokalgeschichte von Zürich, mit Fokus auf die Geschichte und Geschichten von Frauen in der Stadt, gibt es hier.

«My Survival Story» ist ein Podcast über die Schock-Diagnose Krebs, erzählt anhand von Betroffenen rund um den Globus, produziert wird er von Katarina Hagstedt.

«Sykora Gisler» ist Fussball-Trash-Talk aus allen Blickwinkeln. SRF-3-Moderator Tom Gisler und «Zwölf»-Chefredaktor Mämä Sykora sprechen hier über Themen wie verwöhnte Fussballer, verrückte Fans und meckernde Trainer.

Fussball-Trash-Talk aus allen Blickwinkeln bieten Tom Gisler (Bild) und Mämä Sykora auf ihrem Podcast.
Fussball-Trash-Talk aus allen Blickwinkeln bieten Tom Gisler (Bild) und Mämä Sykora auf ihrem Podcast.
Bild: SRF/Claudia Herzog

SRF ist übrigens inzwischen mit eigener Website zum Thema mit von der Partie. Neben beliebten Sendungen, die auch als Podcast ein grosses Publikum erreichen, richteten sich die SRG-Sender beispielsweise mit «Pipifax» an frische Eltern oder mit «Leben am Limit» an True-Crime-Fans.

Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt

Der Vielfalt sind in dem Genre kaum Grenzen gesetzt, was Aufmachung, Inhalt und Länge angeht. Es gibt den nur wenige Minuten langen Video-Podcast von Bundeskanzlerin Angela Merkel, das aufwendig recherchierte Aufrollen ungelöster Kriminalfälle mit eingespielten O-Tönen und Soundeffekten sowie Comedy-Podcasts, in denen zwei Stunden lang fiktive Charaktere improvisiert werden. «Das ist wahnsinnig breit gefächert», sagt die Medienforscherin Nele Heise.

Das gilt nicht nur thematisch. Podcast-Expertin Heise sieht Chancen für unterrepräsentierte Gruppen. «Seien es Menschen mit Behinderung, seien es Menschen aus den LGBTQ-Communities, seien es Menschen mit Migrationsgeschichte oder anderer Hautfarbe», sagt sie. «Das hat man in den letzten zwei Jahren gemerkt, dass sich solche Gruppen, die eigentlich zu gesellschaftlichen Minderheiten gezählt werden, das Medium viel mehr aneignen und damit auch ihre Perspektiven auf die Welt transportieren.»



Der Podcast «Ab 21» will die Atmosphäre eines Gesprächs am Tisch in einer Wohngemeinschaft erzeugen. Das hören sich bis zu 20'000 Menschen pro Folge an. «Auf Augenhöhe», wie die Moderatorin Shalin Rogall betont, wird über Themen gesprochen, die junge Menschen bewegen. Wie umgehen mit Angst – beispielsweise vor dem Coronavirus? Was macht es mit der Beziehung, wenn man zusammenzieht?

Dabei kommen nicht nur selbst Betroffene, sondern auch Experten zu Wort. Man wolle beurteilen und einordnen, aber nicht verurteilen, sagt Rogall. «Es ist so, als würde man sich mit einer Person, mit der das erste Eis schon gebrochen ist, gut unterhalten.»

Experten sehen vor allen Dingen drei Trends: Podcasts von Prominenten wie Jan Böhmermann, Barbara Schöneberger oder Tom Gisler, das grosse Angebot der Öffentlich-Rechtlichen und die Sendungen grosser Medienhäuser. Aber auch Coaching-Podcasts und nachrichtliche Formate erfreuten sich grosser Beliebtheit. In der Podcast-Suchmaschine fyyd.de finden sich mittlerweile mehr als 7'000 deutschsprachige Podcasts, die in den vergangenen sechs Monaten mindestens eine Folge veröffentlicht haben.

«Gemischtes Hack»

2019 kam bei der Streaming-Plattform Spotify neben «Fest & Flauschig» auch «Gemischtes Hack» mit Comedian Felix Lobrecht und Fernseh-Autor Tommi Schmitt in die Top Fünf der weltweit am häufigsten abgerufenen Podcasts.

Shalin Rogall spricht in ihrem Podcast über Themen, die junge Menschen bewegen.
Shalin Rogall spricht in ihrem Podcast über Themen, die junge Menschen bewegen.
Bild: Carsten Koall/dpa

Doch was macht Podcasts so beliebt? Für Medienforscherin Heise spielt die Benutzerfreundlichkeit eine grosse Rolle. «Sie haben das Smartphone dabei, laden sich etwas runter. Das ist vor ein paar Jahren auch in der Form noch nicht möglich gewesen», sagt sie. Zudem hätten die Medien gemerkt, dass man so eine junge Hörerschaft erreichen könne – nicht zuletzt auch durch grosse Erfolge wie den von Böhmermann und Schulz. Das habe viele zu dem Gedanken inspiriert: «Ich will auch so was machen. Das ist unterhaltsam. Das macht Spass. Klingt auch irgendwie, als wäre das total leicht», so Heise. «Was es natürlich nicht ist», stellt sie klar.

An einer Folge von «Ab 21» arbeiten beispielsweise sechs bis acht Leute, sagt Shalin Rogall. In der Runde werden zunächst Themenvorschläge intensiv diskutiert, eine Woche vor der Aufzeichnung geht dann die konkrete Arbeit los. An jedem Werktag erscheint eine Episode. Bei der Moderation wechselt sich Rogall wöchentlich mit ihrem Kollegen Dominik Schottner ab. An dem Medium reize sie, dass man eine spannende und authentische Unterhaltung ohne den Zeitstress einer Livesendung im Nacken wirken lassen könne. «Jede Podcast-Folge ist wie ein eigenes Baby», sagt Rogall.

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