Die Kraft der Schimpfwörter Warum Fluchen gesund ist

Von Michelle de Oliveira

5.11.2023

Fluchen lässt einen Menschen nicht unbedingt höflich erscheinen, hat aber überraschend positive Effekte: Es lindert Schmerzen und stärkt Beziehungen.
Fluchen lässt einen Menschen nicht unbedingt höflich erscheinen, hat aber überraschend positive Effekte: Es lindert Schmerzen und stärkt Beziehungen.
Bild: IMAGO/Bihlmayerfotografie

Die Kolumnistin flucht gerne – und findet es auch nicht so schlimm, wenn ihre Kinder die Worte einmal nachplappern. Denn Fluchen tut gut, davon ist sie überzeugt. Und die Wissenschaft gibt ihr recht.

Von Michelle de Oliveira

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Kolumnistin Michelle de Oliveira flucht gerne, auch wenn sie weiss, dass Schimpfworte gesellschaftlich verpönt sind.
  • So richtig unflätig fluchen – das tut hin und wieder gut.
  • Kraftausdrücke sind sozusagen ein sprachliches Ventil, das Schlimmeres verhindert. Das sagt sogar die Wissenschaft.

Ich gebe zu, ich fluche relativ oft.

Und eigentlich auch ziemlich gerne, obwohl es gesellschaftlich verpönt ist, öffentlich und lautstark Kraftworte zu verwenden. Zu Unrecht, wie ich finde, denn Fluchen tut doch gut!

Dennoch bin ich mit meiner Wortwahl vorsichtiger geworden, seit ich zwei Kinder habe, die an meinen Lippen hängen. Also die sind natürlich nicht dann ganz Ohr, wenn es ums Aufräumen, Nachhausegehen, Aufhören-zu-streiten geht – dann scheinen sie taub zu sein.

Dafür sind sie mit einem untrüglichen Gespür dafür ausgestattet, genau dann wie aus dem Nichts aufzutauchen, wenn mir mal wieder ein sehr fest so gemeintes «Scheisse!» über die Lippen kommt.

Zur Autorin: Michelle de Oliveira

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogini, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren, aber auch aus ihrem ganz realen Leben mit all seinen Freuden und Herausforderungen. Sie lebt mit ihrer Familie in Portugal.

Etwa weil schon wieder eine astronomische Rechnung ins Haus geflattert ist, ich den kleinen Zeh gegen den Türrahmen gerammt habe oder weit nach Ladenschluss merke, dass der Zmorge aufgebraucht ist.

«Aber Mama, das döf mer doch nöd säge!»

Das hören sie immer, diese zwei Mini-Menschen, die dann gerne auch empört sagen: «Aber Mama, das döf mer doch nöd säge!».

Um dann doch sehr treffsicher bei nächstbester Gelegenheit sehr laut «Gopfertelli!» zu rufen. Wie neulich meine Tochter im Auto, als sie sich beim Trinken Wasser über die Hose gegossen hat.

Oder mein Sohn, der grinsend vor mir rauf und runter hüpft und sagt: «Shit! Shit! Shit!», weil er genau weiss, dass wir wieder einmal viel zu spät dran sind für die Schule.

«Mama, ich liebe dich u mega fest»

Und ehrlich gesagt, finde ich das auch gar nicht so schlimm. Sie wissen ja, dass man diese Wörter nicht bei jeder Gelegenheit zum Besten geben und vor allem auch keine anderen Menschen beleidigen soll (ausser wenn ich alleine Auto fahre, dann gilt diese Regel nicht, finde ich).

Und vor allem will ich meine Kinder auch authentisch erziehen. Dass sie sehen und lernen, dass es okay ist, wütend zu werden und man diesem Gefühl Raum geben darf – sei es auch mal in Form eines von Herzen kommenden Fluches.

Logisch kopieren sie das, sie sagen ja auch «Mama, ich liebe dich u mega fest.» Weil ich ihnen das auch sage.

Ach, Fuck!!!

Und ich möchte auch, dass sie manchmal aus dem engen Korsett, in dem wir als Gesellschaft meist leben, ausbrechen. Denn das Fluchen ist für mich auch ein kleiner Akt der Rebellion, im so oft angepassten, regelkonformen Alltag.

Es ist eine Befreiung.

Nicht immer kann man direkt meditieren oder sich sonst irgendwie runterholen. Ein guter Fluch ist quasi Blitz-Meditation, Schnell-Erholung und Schmerz-Linderung in einem.

Und das ist übrigens nicht mein rein subjektives Empfinden: Der Neurowissenschaftler Henning Beck erklärte in einem Interview, dass Fluchen dabei hilft, körperliche Beschwerden besser zu meistern, aber auch seelischen Schmerz leichter zu ertragen und ausserdem würden wir leistungsfähiger dadurch.

Aber nur – Achtung – wenn es richtige Fluchwörter sind, also nicht so etwas Verkapptes wie «Scheibe» oder «Ups» oder «Mist».

Und übrigens bringt das Fluchen auch nicht den gleichen Effekt, wenn man still in sich hinein flucht. Es muss schon ernst gemeint und gut hörbar sein. Aus dem Bauch, von der Leber weg, aus tiefstem Herzen – wo immer eben gerade zu viel Druck herrscht.

Und in diesem Moment – um 22:23 Uhr – merke ich, dass ich heute eine Deadline für einen Artikel gehabt hätte und diese komplett vergessen habe. Ach, fuck!!!


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