Senta Berger über ihre grosse Liebe «Zusammen Altwerden ist nicht schrecklich»

Von Bruno Bötschi

16.9.2023

Schauspielerin Senta Berger ist jeden Tag dankbar dafür, dass sie und ihr Mann seit 60 Jahren zusammen sind. Ein Gespräch über ihren neuen Kinofilm «Weisst du noch», das Älterwerden und das Ende ihrer Karriere.

Von Bruno Bötschi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Senta Berger und Regisseur Michael Verhoeven sind seit fast 60 Jahren ein Paar.
  • Im Kinofilm «Weisst du noch»spielt die Schauspielerin zusammen mit Günther Maria Halmer ein Paar, das seit den 1970er-Jahren verheiratet ist.
  • Den Figuren stellt sich jedoch ein Problem: Die Eheleute haben vergessen, warum sie sich vor 50 Jahren ineinander verliebt haben.

Schauspielerin Senta Berger konnte im Mai ihren 82. Geburtstag feiern. Zwei Drittel ihres Lebens wird die geborene Wienerin vom selben Mann begleitet – von Regisseur, Produzent und Arzt Michael Verhoeven.

Nun kommt am 21. September mit «Weisst du noch» ein Film in die Schweizer Kinos, der die Geschichte eines Paares erzählt, das ebenfalls mehr als ein halbes Jahrhundert zusammen ist.

Senta Berger, was haben Sie gedacht, als Sie das Drehbuch zu «Weisst du noch» zum ersten Mal gelesen haben?

Ich dachte, es betrifft mich wie kaum ein anderes Buch in den letzten Jahren. Das kommt mir sehr nahe.

Erkennen Sie sich darin?

Ja. Und zwar nicht nur in der Figur der Ehefrau, sondern auch in der Figur des Ehemannes.

Im Film von Regisseur Rainer Kaufmann spielen Sie und Günther Maria Halmer ein Paar, das zusammen alt geworden und seit über 50 Jahren miteinander verheiratet ist.

Im Film geht es nicht nur ums Älterwerden oder Altsein, es geht um das vorhersehbare Ende des Lebens. Das ist ein grosses Thema, das wir Menschen zwar nicht aussparen, aber um das wir gern herumreden.

Sie auch?

Ja.

Marianne und Günter haben mittlerweile vergessen, warum sie zusammengekommen sind. Ist gemeinsam Altwerden wirklich so schrecklich?

Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil. Gemeinsame Erfahrungen erleichtern vieles. Unser Film verallgemeinert auch nicht.

Sondern?

Er erzählt die Geschichte eines bestimmten Paares. Und diese Geschichte ist überhaupt nicht schrecklich.

Ich finde schon.

Die zwei sind nicht verstummt, sie sticheln, sie streiten und sie wollen sich wieder finden. Und das tun sie auch.

Sie sind seit 1964 mit dem Regisseur, Produzent und Arzt Michael Verhoeven zusammen, zwei Jahre später heirateten Sie ihn. Gibt es bei Ihnen auch solche gemeinsamen Wohnzimmer-Abende wie bei Marianne und Günter im Film?

Nein. Weder kennen wir öde Sonntagnachmittage, wie sie im Film erwähnt werden, noch kennen wir Wohnzimmer-Abende, die wir Kreuzworträtsel lösend vor dem Fernseher verbringen.

Wie verläuft ein typischer Abend im Haus Berger-Verhoeven?

Wir haben eine grosse, temperamentvolle Familie, die wir gern rund um den Küchentisch versammeln. Es geht oft heiss her, wenn die Ansichten der verschiedenen Generationen aufeinanderprallen.

«Uns verbindet so vieles. Das hat uns über manche schwierige Situation hinweggeholfen»: Senta Berger über ihre Ehe mit Michael Verhoeven.
«Uns verbindet so vieles. Das hat uns über manche schwierige Situation hinweggeholfen»: Senta Berger über ihre Ehe mit Michael Verhoeven.
Bild: Imago/Future Image

Zusammen alt werden ist der Traum vieler Frischverliebter. War es Ihrer auch?

Es war kein Traum. Es war für uns eine Selbstverständlichkeit. Und dafür, dass wir zusammen alt geworden sind, sind wir dankbar. Jeden Tag.

Wann dachten Sie das erste Mal: Mit diesem Mann würde ich gern mein Leben zusammen verbringen?

Ziemlich bald nach unserem Kennenlernen im September 1963.

Gleich und gleich oder Gegensätze: Was zieht Sie mehr an?

Es gibt Gegensätze, die sicher sehr reizvoll in ihrer Fremdheit sind. Allerdings muss das Fundament stimmen. Ein Partner mit extrem rechten politischen Anschauungen wäre für mich nicht akzeptabel.

Was ist das Problem zwischen Marianne und Günter im Film «Weisst du noch»?

Marianne erwartet noch Schönes in den verbleibenden, überschaubaren Jahren. Sie ist bereit, dieses letzte Kapitel ihres Lebens zu gestalten. Günter hat resigniert, sich zurückgezogen, eingeigelt, eine Mauer um sich herum gebaut, die Marianne einreissen will. Und im gemeinsamen Erinnern an ihr Leben finden sie auch wieder zurück in ein gemeinsames Leben.

Dachten Sie während der Dreharbeiten an Ihre eigene Beziehung?

Nein. Unsere Biografie ist eine ganz andere.

In Interviews erwähnen Sie immer wieder den Satz des österreichischen Schriftstellers Alfred Polgar: «In der Liebe ist es besser, zwei zu bleiben, anstatt – wie es die festlich-erotische Formel verlangt – eins zu werden.» Warum gefällt Ihnen dieser Satz?

Weil er meiner Meinung nach klug ist. Weil ein emanzipiertes Paar besser zusammen durch das Leben kommt. Wenn einer von den beiden sich selbst als Opfer betrachtet, das eigene Wünsche nicht verwirklichen kann, weil der andere die Umsetzungen nicht duldet oder vielleicht die Wünsche gar nicht wahrnimmt, ist das harmonische Gleichgewicht gestört.

Im «Tages-Anzeiger» vor zwei Jahren sagten Sie: «Mit meinem Mann, mit dem ich nun schon so lange zusammenlebe, bin ich tatsächlich entspannt.» Wie erklären Sie sich, dass Sie geschafft haben, woran so viele andere Paare scheitern?

Erklär mir Liebe ... Ich kann das nicht erklären.

Versuchen Sie es bitte trotzdem.

Uns verbindet so vieles. Das hat uns über manche schwierige Situation hinweggeholfen.

Marianne und Günter helfen im Film «Weisst du noch» dem Glück an ihrem Hochzeitstag ein bisschen nach. Sie essen eine blaue Wunderpille, die ihr Gedächtnis wieder auf Vordermann bringt.

Die blaue Pille ist ein schöner Trick unseres Drehbuchautors. So etwas gibt es natürlich nicht.

Würden Sie so eine Pille essen wollen?

Ich brauche so eine Pille nicht. Mein Erinnerungsvermögen ist erstaunlich lebendig.

Sie haben Ihre Karriere als Schauspielerin als beendet erklärt. Wie schaffte es Regisseur Rainer Kaufmann, Sie zu einem Comeback zu animieren?

Ich habe nicht erklärt, dass ich meinen Beruf aufgebe. Ich habe gesagt, dass ich mich langsam aus dem Beruf zurückziehen werde. Und das habe ich auch getan.

Sie geben weiterhin Lesungen …

… bei den Salzburger Festspielen zum Beispiel. Und ich habe vor einem Jahr in dem Kinofilm «Oskars Kleid» gespielt. Nun hatte ich mit «Weisst du noch» ein wunderbares Drehbuch in der Hand, mit einer Rolle, die der Autor für mich geschrieben hatte. Eine Geschichte, die ich miterzählen wollte und einen Regisseur, den ich kannte und vertraute. Wie hätte ich da ablehnen können?

«Weisst du noch» läuft ab dem 21. September in den Schweizer Kinos.


Mehr Videos aus dem Ressort

«Die goldenen Jahre»: Esther Gemsch auf Pilzen und Tinder, was willst du mehr?

«Die goldenen Jahre»: Esther Gemsch auf Pilzen und Tinder, was willst du mehr?

Die Komödie «Die goldenen Jahre» stellt die wichtigen Fragen in einer langen Beziehung und trifft den Nagel auf den Kopf. Ausserdem gibt es ein schönes Wiedersehen mit Esther Gemsch.

25.10.2022

Feministische Satire: «Barbie» besiegt das Patriarchat – endlich

Feministische Satire: «Barbie» besiegt das Patriarchat – endlich

Wer von einem Klischee-Film ausgeht, der wird von einer fantastischen Satire überrascht. Regisseurin Greta Gerwig übt Gesellschaftskritik mithilfe der kontroversen Barbie-Puppe – und Margot Robbie und Ryan Gosling.

18.07.2023