Kolumne Kendall Jenner reisst es nicht heraus

Von Julia Wagner

7.11.2019

In den Augen der Kolumnistin sind die Kollektionsteile, ohne ihr Designer-Etikett, einfach nur schlecht verarbeitete Kunstfaser-Klamotten – auch wenn sie von Modesuperstars wie Kendall Jenner vorgeführt werden.
In den Augen der Kolumnistin sind die Kollektionsteile, ohne ihr Designer-Etikett, einfach nur schlecht verarbeitete Kunstfaser-Klamotten – auch wenn sie von Modesuperstars wie Kendall Jenner vorgeführt werden.
Bild: Getty Images

Kloppen Sie sich auch mit Influencern und B-Promis um die wenigen begehrten Teile in den Fast-Fashion-Läden – etwa aus aktuellem Anlass gerade jetzt bei H&M? Die Kolumnistin nicht, und der Grund dafür ist ganz einfach.

In meinem Bekanntenkreis macht sich in jedem Jahr Anfang November immer eine seltsame Aufregung breit. Dann nämlich, wenn die neue H&M Designerkooperation lanciert wird.

Da wird erst akribisch geplant, welche der Stücke man sich zulegen möchte, sobald diese online präsentiert werden, und dann wird gehofft, dass man eine der begehrten Einladungen zum Pre-Sale ergattert, wo man sich mit Influencern und B-Prominenten um die wenigen begehrten Teile kloppen darf.

Wer «normal» shoppt, hat meist das Nachsehen. Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann sind die Stücke der Giambattista Valli x H&M Kollektion, die ab heute im regulären Handel sind, möglicherweise schon wieder alle ausverkauft.

Fast-Fashion-Läden ade

In meinem Kleiderschrank ist kein einziges Teil davon gelandet – und das ist gut so.

Der Grund ist ganz einfach: Ich meide H&M und andere Fast-Fashion-Läden schon seit mehreren Jahren aus Prinzip. Warum sollte ich da jetzt eine Ausnahme machen?

Billig produzierte Kleidung, die unter unfairen Bedingungen hergestellt wird, ist nicht plötzlich hochwertig, nur weil man einen Designernamen draufschreibt und die Stückzahl minimiert, um Begehrlichkeiten zu wecken.



In meinen Augen sind die Kollektionsteile, ohne ihr Designer-Etikett, einfach nur schlecht verarbeitete Kunstfaser-Klamotten, die wenige Tage nach dem Hype schon wieder Schnee von gestern sind – und somit mitnichten zeitlose, nachhaltige Designerstücke. Da können sie meinetwegen auch von den Modesuperstars Kendall Jenner und Chiara Ferragni vorgeführt werden. Ein Esel wird ja bitteschön auch kein Porsche, nur weil man ihn in die Garage stellt.

Gut, Giambattista Valli ist ein Couturier-Gott, und seine aufregenden Kreationen sind wunderschön und unbezahlbar und somit echten Promis vorbehalten.

Seine aktuellen Entwürfe verwirklichen so gesehen also Träume, weil sich nun jede Frau wie auf einem Red Carpet fühlen kann, wenn sie zum Beispiel das rote Tüllkleid von Valli trägt. Da es dafür aber wohl selten Gelegenheit gibt, kann sie notfalls in einem Hoodie mit Designer-Logo im Supermarkt auftrumpfen.

Was echte Couture ist

Dieser Traum zerplatzt allerdings in der Sekunde, wenn man sich überlegt, wofür echte Couture steht: handgefertigte Unikate, die in einem Atelier in Paris entstehen.

Arbeitet diesmal mit H&M zusammen: Giambattista Valli, ein italienischer Couturier-Gott.
Arbeitet diesmal mit H&M zusammen: Giambattista Valli, ein italienischer Couturier-Gott.
Bild: Getty Images

Überdies hinaus muss das Modehaus mindestens 20 Vollzeitangestellte beschäftigen, um den strengen Auflagen zu entsprechen. Ganz abgesehen von den Qualitätsstandards der Stoffe und der Lebensdauer dieser Modelle.

Ich muss jetzt leider die Spielverderberin sein und allen, die gerade erst die neue Designerkollektion geshoppt haben, dies sagen: Ihr tragt H&M und nicht Giambattista Valli.

Wie immer Ende Woche gibt es hier die Autoren-Kolumne – abwechselnd zu den Themen Mode, Essen, E-Mobility und Mutter. Heute: Mode.

Zur Autorin: Julia Wagner besuchte als Chefredaktorin von miss und später als Leiterin von Stylebook.de alle wichtigen Fashionweeks dieser Welt. Jetzt pendelt sie als Freelancerin ständig zwischen Berlin, Zürich und Wien – und trägt fast nur noch Hipster-Look: Sneaker, Jeans & Rucksack. Das liegt vor allem daran, dass die Haute Couture nicht ins Handgepäck passt.

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