Kolumne Zürich – mitunter eine kolossale modische Herausforderung

Julia Wagner

2.11.2018

Ob die junge Dame das gute Stück am Schluss gekauft hat, muss offen bleiben. Selbst fürs Bewerbungsgespräch im Fitness-Studio taugt die Jogginghose wohl eher nicht.
Ob die junge Dame das gute Stück am Schluss gekauft hat, muss offen bleiben. Selbst fürs Bewerbungsgespräch im Fitness-Studio taugt die Jogginghose wohl eher nicht.
Bild:  Getty

Mit der Kleiderwahl ist es mitunter nicht einfach, wenn man hauptsächlich in Berlin lebt, dann aber in Zürich aufzulaufen hat.

Okay, Zürich ist nicht Paris. Für jemanden wie mich, der hauptsächlich in Berlin lebt, fühlt es sich aber wie DIE Modehauptstadt an. Und das liegt nicht nur daran, dass das derzeit meist gehypte Label Vêtements sein Headquarter hierher verlegt hat.

Das Problem ist vielmehr: Wer länger in Berlin lebt, wird betreffend Kleiderstil ein wenig nachlässig mit sich. Hier gilt alles, was keine Jogginghose ist, als gut angezogen. Das liegt an der vielzitierten Lässigkeit der Stadt, genauso wie an den Hipstern, die Berlin geradezu überschwemmen. Und für die ist alles, was man üblicherweise als hübsch zurechtgemacht bezeichnen würde, uncool.

Sprich: Man trägt Mäntel, die aussehen, als wären sie von der Grossmutter, dazu Mützen, die im Zweifel zu klein sind oder vielleicht auch nur komisch aufgesetzt, bunte Hemden, wie aus einer alten Folge von «Der Prinz von Bel Air», dazu abgeschnittene Jeans und meist – eher schmutzige – Turnschuhe. 

Die Jogginghose – typischer Berliner Look? Dort eher als anderswo.
Die Jogginghose – typischer Berliner Look? Dort eher als anderswo.
Bild:  DPA

So kann man zum sogenannten Späti –  kurz für Spätverkaufsstelle – gehen, ins berühmt-berüchtigte Berghain, aber auch zur Vernissage oder zur Arbeit. Der Hipster-Künstler, der Arbeitgeber (meist eines Start-ups) und der Türsteher – sie sehen im Zweifel ja alle selbst so aus. Man kann das jetzt gut oder schlecht finden, es ist aber vor allem eines: praktisch.

Dass ich so aber nicht einen Job in Zürich antreten kann, leuchtete mir schnell ein. Hier siehst du schon morgens in der Tram nur Anzüge, Kostüme und Designerware. Die Dior-Tasche auf der Sitzbank gegenüber mustert dich aus den Augenwinkeln und gibt dir das Gefühl, dein Mantel von anno dazumal rieche nach verstorbener Grossmutter.

Ich habe mir also das erste Mal in meinem Leben ein paar schicke Designerteile zugelegt, nicht weil ich sie unbedingt haben wollte, sondern weil ich sie als Arbeitsbekleidung schlicht BRAUCHE.

Seriös genug für den ersten Tag am Arbeitsplatz? Geschmacksache.
Seriös genug für den ersten Tag am Arbeitsplatz? Geschmacksache.
Bild:  Getty

Ich besitze nun erstmals seit Jahren mal wieder eine «normale» Hose, Schuhe, mit denen man im Zweifel nicht turnen kann und – jetzt wird es wirklich verrückt – ein Kleid, dass eine weibliche Statur erahnen lässt. Mein Berliner Hausmeister fungiert zusätzlich als Fashion-Barometer. Wenn er mein Outfit kommentiert mit «Gehen Sie in die Oper?», dann weiss ich, dass ich mich in diesem Aufzug in Zürich blicken lassen kann.

Künftig gibt es hier an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne  –abwechselnd zu den Themen Mode, Essen, E-Mobility und Mutter. Heute zur Premiere: Mode.

Zur Autorin: Julia Wagner besuchte als Chefredaktorin von miss und später als Leiterin von Stylebook.de alle wichtigen Fashionweeks dieser Welt. Jetzt pendelt sie als Freelancerin ständig zwischen Berlin, Zürich und Wien – und trägt fast nur noch Hipster-Look: Sneaker, Jeans & Rucksack. Das liegt vor allem daran, dass die Haute Couture nicht ins Handgepäck passt.

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