Bötschi fragt Hanspeter «Düsi» Künzler «Fast alle Superstars sind irrsinnig nett, Neulinge oft Idioten»

Bruno Bötschi

1.8.2024

Hanspeter «Düsi» Künzler: «Zürich ist viel entspannter als London»

Hanspeter «Düsi» Künzler: «Zürich ist viel entspannter als London»

Der Schweiz Musikkritiker Hanspeter «Düsi» Künzler lebt seit Ende der 1970er Jahren. Er hat über 3000 Künstler*innen interviewt. Hier verrät er, warum die Menschen in Zürich entspannter sind, als in London.

22.07.2024

Hanspeter «Düsi» Künzler interviewte über 3000 Künstler*innen. Hier erzählt er über Musik, die sein Leben veränderte, verrät, wer an seinem Spitznamen schuld ist und warum er einen dunklen Klub einem Open Air vorzieht.

Bruno Bötschi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Schweizer Musikkritiker Hanspeter «Düsi» Künzler, der auch regelmässig für blue News schreibt, lebt seit Ende der 1970er-Jahre in London. Er hat in seinem bisherigen Leben über 3000 Musiker*innen interviewt.
  • Ein Gespräch mit dem Musik-, Kunst- und Fussball-Spezialisten über seinen Bart, die beste Musik gegen Heimweh und, warum Stars während Interviews einfacher zu handhaben sind als Neulinge.
  • «Ich bereite mich auf Interviews nie zu intensiv vor, stelle meine Frage lieber frisch von der Leber weg», sagt Künzler.

Hanspeter «Düsi» Künzler, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest bitte möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, kannst du auch einmal «weiter» sagen.

Ich bin parat.

Beatrice Egli oder Helene Fischer?

Wer sind diese zwei Frauen?

Stephan Eicher oder Polo Hofer?

Stephan Eicher ist der vielseitigere Musiker. Von Polo Hofer kenne ich eigentlich nur den Hit «Kiosk».

AC/DC oder Kiss?

AC/DC ist knackiger, Kiss ist mir zu viel Show.

Wie wichtig sind dir Äusserlichkeiten?

Früher kaufte ich Platten und CDs oft nur aufgrund des Covers.

Deinen Bart hast du in einer Kolumne vor zwölf Jahren so beschrieben: «Eher ist es ein Hexenbesen, der, von einer herbstlich sich entkleidenden Buche gepflückt, vorn auf mein Kinn geleimt wurde.»

Das habe ich geschrieben? Mein Gott, da war ich wahrscheinlich betrunken (lacht).

Schuld an deinem Bart soll deine Faulheit sein. So steht es zumindest in deiner Kolumne geschrieben.

Das stimmt. Ich hatte das ewige Rasieren einfach satt. Und weisst du was? Es wurde noch besser als erwartet. Nach fünf oder sechs Jahren hörte mein Bart auf zu wachsen. Seither ist er immer gleich lang.

Zum Autor: Bruno Bötschi
blue News

blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.

An welchen Problemen in deinem Leben machte sich deine Faulheit sonst noch schuldig?

An meinem Erfolg. Ich bereite mich auf Interviews nie zu intensiv vor, stelle meine Frage lieber frisch von der Leber weg. Würde ich mich intensiver vorbereiten, wäre die Gefahr gross, dass ich meinen Interviewpartnern beweisen will, dass ich sie lässig finde und sie oder er mein bester Freund ist.

Willst du mir damit durch die Blume sagen, dass dich meine Frage nach deinem Bart genervt hat?

(Lacht) Ich sage nur, wie es bei mir funktioniert. Je weniger ich über einen Künstler weiss, desto mehr bin ich auch einmal bereit, Fragen zu stellen, die mir sonst peinlich wären.

Wirklich wahr, dass Männer mit Bart von Frauen netter behandelt werden?

Es ist unglaublich, wie manche Frauen beim Anblick eines Bartes jedes Gefühl von Distanz verlieren. Vor der Corona-Pandemie war das noch extremer. Da ist es mir hin und wieder passiert, dass sich Frauen, während ich in einer Schlange gewartet habe, richtiggehend auf meinen Bart gestürzt und ohne zu fragen, daran gezupft haben.

Diese Vorfälle führten nicht dazu, dass du daran dachtest, dich wieder einmal zu rasieren?

Ganz und gar nicht. Ich finde es eher lustig, wenn so etwas passiert.

Wie reagieren die Männer auf deinen Hexenbesen?

Hin und wieder erzählen mir Männer auf der Toilette ihre Bart-Geschichte. Also, dass sie auch gerne einen Bart hätten, aber ihre Frau dies nicht erlauben würde.

«Es ist unglaublich, wie manche Frauen beim Anblick eines Bartes jedes Gefühl von Distanz verlieren»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
«Es ist unglaublich, wie manche Frauen beim Anblick eines Bartes jedes Gefühl von Distanz verlieren»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
Bild: Privat

An welchem Tag bist du nach London ausgewandert?

21. September 1978.

Ist die Musik schuld, dass London zu deiner zweiten Heimat wurde – oder die Liebe?

Ich hatte das Gefühl, dass ich es in der Schweiz zu nichts bringen würde, ausser abstürzen zu können. Ich habe Englisch studiert und das Studium beinhaltete ein Aufenthalt in einem englischsprachigen Land. Ich hatte das Glück, dass ich nach London geschickt wurde. Grossbritannien war damals das Musikland und, weil ich schon immer ein grosser Musikfan war, ergänzte sich das wunderbar.

Sind die Schweizer*innen eher beliebt oder unbeliebt im Ausland?

In England sind wir sehr beliebt.

Welcher typische Schweizer Minderwertigkeitskomplex geht dir auf den Wecker?

Die Bescheidenheit.

Bist du Doppelbürger?

Nein.

Was wolltest du als Zwölfjähriger werden?

Pilot bei der Swissair.

Wer hat deinen Spitznamen Düsi erfunden?

Als Gymnasiast nahm ich in einem Team am Kantonalzürcher Orientierungslauf teil. Einer meiner Kumpels tauchte mit einer Flasche Wein am Start auf. Ich dagegen drängte dazu, Gas zu geben. So entstand mein Spitzname. Das Dumme war später, dass ausgerechnet ich, der am wenigsten betrunken war, während des Wettkampfs ausglitt und eine Böschung herunterrutschte und über einen fünf Meter hohen Felsen hinunterstürzte und den Fuss verstauchte. Die anderen grölten sich derweil halb tot. Danach war ich definitiv nur noch der Düsi.

Woher kommt deine Affinität zur Musik?

Meine Eltern waren mit einer tschechischen Familie befreundet. Deren Tochter besuchte uns einmal während vier Wochen. In dieser Zeit hat sie buchstäblich nichts anderes gemacht, als jede Woche die neueste Ausgabe der «Bravo» von A bis Z dreimal zu lesen. Am Ende ihres Schweiz-Aufenthaltes kaufte sie sich die Singles «Yellow Submarine» von den Beatles und «Sloop John B» von den Beach Boys. Kurz danach habe ich mir vom Sackgeld das Album «Pet Sounds» von den Beach Boys gekauft und fand das ganz schrecklich …

… und trotzdem wurdest du Musikfan?

Ich wollte es nicht wahrhaben, dass ich mein Geld mit dieser Platte zum Fenster hinausgeworfen hatte. In der Folge habe ich das Album immer und immer wieder gehört, bis ich es cool fand. Damals entdeckte ich sozusagen das Prinzip der Musikkritik.

Blockflöte – ja oder nein?

Ich liebe Blockflöte und habe einst auch selbst gespielt.

Welche Instrumente kannst du sonst noch spielen?

Handorgel.

Gehst du mit mir einig, dass die Panflöte das schlimmste Instrument der Welt ist?

Panflöte klingt wirklich garstig.

Warum nochmals spielt Gott Handorgel und der Teufel Saxofon?

Habe ich das behauptet?

Ja.

Gott spielt nach wie vor Handorgel, aber der Teufel spielt heute eher mit Autotune herum. Du merkst, in Sachen Glauben bin ich ziemlich flexibel unterwegs.

Welches war das allererste Konzert, dass du besucht hast?

Meine Eltern waren Blasmusik-Fans. Und unser Nachbar, der Leo Bernold, war Dirigent der Blasmusik Berikon.

«Ich hatte das Gefühl, dass ich es in der Schweiz zu nichts bringen werden, ausser abstürzen zu können»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
«Ich hatte das Gefühl, dass ich es in der Schweiz zu nichts bringen werden, ausser abstürzen zu können»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
Bild: Privat

Durftest du schon einmal eine 1.-August-Rede halten?

Gott sei Dank nicht.

Wenn du in diesem Jahr eine 1.-August-Rede halten könntest, was würdest du den Schweizer*innen sagen?

Ich würde meine Zuhörerinnen und Zuhörer daran erinnern, wie privilegiert wir in der Schweiz sind. Und wie viele Möglichkeiten wir hierzulande haben – und dass wir dies nicht leichtsinnig verscherzen sollten.

Was sollte ein Mensch sonst noch wissen über dich, bevor sie oder er dich zu einem Drink oder einem Essen einlädt?

Der Mensch muss wissen, dass, wenn er Abba-Fan ist, die Kommunikation sofort abbricht. Für mich tönt die Musik des schwedischen Quartetts wie klaustrophobischer Happy-Sound.

Okay, dann beenden wir jetzt dieses Interview. Ich besuchte vor zwei Jahren die Konzertshow «Abba Voyager» in London.

Dir verzeihe ich das (lacht).

Und wieso nochmals magst du die australische Band «Empire oft the Sun» nicht?

Ihr Sound ist mir viel zu synthetisch.

Du solltest dir unbedingt ihren neuen Song «Changes» anhören.

Du meinst, dass ich dann vielleicht meine Meinung ändere? Okay, ich verspreche es.

Deine absolute Lieblingsband?

The Incredible String Band. Diese schottische Folkband hat mein Leben verändert.

Wieso?

Ihre Musik, lang vor dem Sampling, war eine Melange aus britischem Folk und Einflüssen aus der ganzen Welt, wobei sie alle exotischen Instrumente gleich selber gespielt haben. Echte Magie. So was hatte ich noch nie gehört – und bin dann allen Einflüssen forschend nachgestiegen.

Deine absolute Lieblingssängerin?

Sandy Denny. Ich liebe ihre englische Melancholie.

Dein absoluter Lieblingssänger?

Der viel zu früh verstorbene Cathal Coughlan. Ein zorniger Ire mit viel Herz – und ein genialer Texter.

Der erste Text über einen Musiker von dir in einer grösseren Schweizer Zeitung erschien 1984 und hatte den Titel «Macho-Man mit Nebelhornstimme». Habe ich akzeptabel recherchiert?

Das hast du unglaublich gut recherchiert. Aber ich habe keine Ahnung, über welchen Musiker ich damals geschrieben haben.

Es war ein Porträt über Eric Burdon, der kurz danach im Kursaal in Bern auftrat.

An den Text kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich weiss noch, wie ich zwecks Recherche in einen Laden rannte und mir seine neueste Platte gekauft habe.

Welche Spuren haben über 3000 Interviews mit Stars und Sternchen bei dir hinterlassen?

Ich entwickelte in dieser Zeit viel Empathiefähigkeit, was aber ganz normal ist, wenn du so viele unterschiedliche Musikerinnen und Musiker interviewst – also von Laurie Anderson über Depeche Mode bis Ozzy Osbourne.

Und was haben dich diese vielen Gespräche gelehrt?

Fast alle Superstars sind irrsinnig nett, derweil Neulinge oft komplette Idioten sind.

Wieso ist dem so?

Ein Manager einer Plattenfirma sagte mir einmal, dass wenn eine Band mit dem ersten Album Riesenerfolg habe, man hoffe, dass die zweite Platte abschiffe, weil man sonst mit diesen Musikern nicht mehr normal kommunizieren könne. Zu schneller Erfolg kann einem kirre im Kopf machen. Viele Menschen bleiben danach nicht mehr bodenständig.

Nach all den Jahren im Beruf: Was treibt dich an?

Neue Musik zu hören, neue Menschen kennenlernen, das Führen von Interviews und, wie du jetzt merkst, ich rede gerne viel (lacht).

Wie viele Interviews hast du abgebrochen bisher?

Davon gelaufen bin ich noch nie. Aber als ich Andy Fletcher und Alan Wilder von Depeche Mode interviewt habe, übermannte mich aus lauter Langweile der Sekundenschlaf. Und einmal wollte ich ein Interview frühzeitig abbrechen, aber man hat mich nicht gehen lassen.

Erzähl bitte.

Ich traf den Sänger Joe Jackson in einem Klub in London, was mir schon nicht besonders gut gefiel. Dann meinte der Musiker, er würde das Interview lieber bei sich zu Hause führen. Auf dem Weg zum Auto hatte Jackson ein Stapel «Beatles»-Bücher unter dem Arm. Als ich ihn fragte, ob er nach wie vor auf die Beatles stehe, sagte er: Wer tut das nicht?

Was hast du geantwortet?

Dass es bei mir immer die Beach Boys waren. Die Antwort von Jackson war ein demonstratives Gähnen. Später sassen wir in seiner Küche und er beantwortete alle meine Fragen nur mit «Yes» und «No». Nach zehn Minuten waren wir durch und ich sagte ihm: Sorry, ich will dich nicht weiter quälen, wir brechen das Interview besser ab. Da schaut mich der Joe Jackson völlig entgeistert an und sagte: «But no, it’s going really well. I’m enjoying this. Please continue.» Ich kam derweil arg ins Schwitzen, schaffte es dann aber irgendwie doch noch, unser Gespräch um eine Viertelstunde zu verlängern.

«Als ich Andy Fletcher und Alan Wilder von Depeche Mode interviewt habe, übermannte mich aus lauter Langweile der Sekundenschlaf»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
«Als ich Andy Fletcher und Alan Wilder von Depeche Mode interviewt habe, übermannte mich aus lauter Langweile der Sekundenschlaf»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
Bild: Privat

Wie viele Musiker*innen sind dir während eines Interviews davongelaufen?

Da kommt mir nur Tanita Tikaram in den Sinn. Sie sagte, sie müsse auf die Toilette und kam nicht mehr zurück. Ich hatte sie davor gefragt, wie sie mit Kritik umgehe, nachdem eine Folkzeitschrift geschrieben hatte, ihre Musik habe nichts mehr mit Folk zu tun. Zuerst redete die Sängerin weiter, bevor sie plötzlich innehielt und meinte, dass dies eine herablassende Frage gewesen sei, deshalb müsse sie kurz austreten – aber sie kam, wie gesagt, nie mehr zurück. Nach einer Stunde warten ging ich nach Hause. Für mich war das umso eigenartiger, als ich ihre Musik gut fand und ihr das auch gesagt hatte.

Welcher Star wollte mehr von dir?

Ich von so einigen, habe mir das aber nie anmerken lassen (lacht laut). Umgekehrt weiss ich das nicht.

Sommer, Sonne, Open Airs – ja oder nein?

Nein.

Warum hasst du Konzerte im Freien?

Ich besuche lieber kleine, dunkle Klubs. Mir sind Open Airs zu viel – drei Bands an einem Abend reichen mir vollends …

… mit maximal 3000 Leute im Publikum?

199 sind mir lieber.

Du warst also noch nie an einem Open Air?

Doch – 1994 besucht ich in Saugerties, New York, die Neuauflage vom Woodstock-Festival zum 25-Jahr-Jubiläum. Das war insofern spannend, weil es wegen des Wetters zum Fiasko wurde.

Vor vier Jahren hast du auf blue News über einen Open-Air-Auftritt in höchsten Tönen geschwärmt: «Am 20. Juni 2019 wurden wir Zeugen einer der bemerkenswertesten Metamorphosen in der Geschichte der Popmusik. An dem Sonntagnachmittag trabte die winzige Kylie Minogue auf die gewaltige Pyramidenbühne von Glastonbury – dem coolsten Festival Europas! – und legte den Auftritt ihres Lebens hin. Selbst abgebrühte Kritiker waren hingerissen.» Du warst in dem Fall gar nicht vor Ort?

Nein, das war ich nicht. Aber ich habe den Auftritt von Kylie Minogue damals live im Fernsehen gesehen – und das war schon sehr eindrücklich. Später habe ich natürlich auch noch die Kritiken der anderen gelesen.

Wirklich wahr, dass auf einer CD meistens der siebte Song der Beste ist?

Ja.

Warum ist die CD oft schlecht, wenn das Lied Nummer sieben nicht gut ist?

(Lacht) Der Trick bei Platten und CDs ist, dass der erste Song die Leute reinziehen muss und der zweite darum meistens auch noch gut ist. Auf einem schlechten Album ist der siebte Song aber ganz sicher bereits Füllmaterial – und dann ist auch der Rest Platte meist schlecht.

Welches Album ist grossartig, obwohl der siebte Song eine Katastrophe ist.

Oh Gott! Ich bin ehrlich, da müsste ich jetzt nach Hause gehen und etwas recherchieren.

Du bist seit über 40 Jahren als Musikjournalist tätig: War früher alles besser?

Nein, ganz und gar nicht – vor allem die Musik nicht.

Du hast Tausende von Konzerten besucht, Tausende von Büchern gelesen und Tausende Kritiken, Rezensionen, Nachrufe geschrieben. Hattest du je etwas wie Freizeit?

Für die meisten Menschen bedeutet Musik hören und Bücher lesen Freizeit – und für mich eigentlich auch.

Aber es stimmt ja nicht.

Es ist doch der Idealfall, dass ich mit dem, was ich in der Freizeit gerne mache, gleichzeitig auch mein Geld verdienen kann.

Deine Familie hatte es nicht leicht mit dir, oder?

Meine Frau und unsere beiden Töchter haben alle auch ihre Freizeitbeschäftigungen (lacht).

Was machst du lieber: Schlechtes verreissen oder Grosses loben?

Ich mag beides – die wichtigste Aufgabe eines Musikkritikers ist jedoch, die Menschen für gute Musik zu begeistern. Hin und wieder über einen Verriss über eine absolute Scheissplatte zu schreiben, tut aber schon gut.

Was ist das Schlimmste, was du nach einem Verriss erlebt hast?

Ich bin glücklicherweise nur selten unter die Räder gekommen.

«Auf einem schlechten Album ist der siebte Song aber ganz sicher bereits Füllmaterial – und dann ist auch der Rest Platte meist schlecht»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
«Auf einem schlechten Album ist der siebte Song aber ganz sicher bereits Füllmaterial – und dann ist auch der Rest Platte meist schlecht»: Hanspeter «Düsi» Künzler.
Bild: Privat

Im Interview mit dem Magazin «Schweizer Journalist*in» sagtest du 2017: «Ich bin selten in der Situation, dass ich über eine Band schreiben muss, die ich schlecht finde.» Wie kommt’s?

Es hat viel damit zu tun, dass mir die Musiker während des Interviews sympathisch werden. In so einem Fall gebe ich zum Text einfach mehr oder weniger wieder, was sie mir im Gespräch erzählt haben.

Demnach hast du noch nie mit Abba ein Interview geführt?

Nein, ganz bestimmt nicht. Aber ich kenne jemand, der einmal eine Affäre mit einer der Sängerinnen hatte. Das ist alles.

Warum berührt Musik die Menschen so sehr?

Weil man beim Zuhören nicht denken muss.

Macht Musik dich wütend?

Ja.

Macht dich die Musik von Abba wütend?

Abba macht mich krank. Wütend machen mich dagegen Songs mit dubiosen politischen Messages oder Musik, die mich für blöd verkaufen will.

Langweilt Musik dich bisweilen?

Auf jeden Fall – das Tagesprogramm der meisten heutigen Radiostationen ist sterbenslangweilig.

Welche Musik hörst du, wenn du krank im Bett liegst?

Die Ambient-Platten von Brian Eno.

Die beste Musik gegen Liebeskummer?

Als mich meine erste Frau verliess, gab es zwei Platten, die ich pausenlos gehört habe: «Casual Gods», eine Soloplatte von Jerry Harrison von den Talking Heads und «Calenture» von den Triffids.

Gegen Heimweh?

Ein bisschen Michael von der Heide tut immer gut und die Musik von Yello mag ich auch sehr.

Wo sind die Grenzen der Musik – und gibt es überhaupt welche?

Beim Bergsteigen hilft mir die Musik wenig (lacht).

Welchen Berg hast du zuletzt bestiegen?

Den Uetliberg.

Und befahren?

Die Rigi.

Sport Icon
Neuste Texte von Bruno Bötschi? Abonniere den Newsletter

Mehr Videos zum Thema

Noah di Bettschen: «Das Trinken von Alkohol fühlte sich wie eine Umarmung meines Vaters an»

Noah di Bettschen: «Das Trinken von Alkohol fühlte sich wie eine Umarmung meines Vaters an»

Noah di Bettschen ist Maler. Der 22-Jährige schaffte innert Kürze, was andere Künstler*innen nie gelingt: Er lebt vom Verkauf seiner Bilder. Ein Gespräch über den Kunstmarkt, schwierige Familienverhältnisse und zu viel Alkohol.

10.07.2024