Prozess im Thurgau Streit im Restaurant eskaliert komplett – Kellner schiesst auf Gäste

Samuel Walder

28.1.2025

Heute muss sich Petar T. vor dem Thurgauer Obergericht verantworten. (Archivbild)
Heute muss sich Petar T. vor dem Thurgauer Obergericht verantworten. (Archivbild)
Bild: Keystone

Wer ins Restaurant will, rechnet nicht damit, dass ein Kellner auf ihn schiessen wird. Genau das ist im Kanton Thurgau 2021 aber passiert. Nun stand der Kellner wegen mehrfach versuchten Mordes vor Gericht.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein Streit zwischen einem Kellner und zwei Restaurantbesuchern rund um die Coronamassnahmen im Jahr 2021 eskaliert.
  • Der Kellner schiesst rund siebenmal auf die Opfer und verletzt einen davon schwer.
  • Im Januar steht der Angeklagte Petar T. vor Gericht.
  • Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt und wird 15 Jahre des Landes verwiesen.

Der Streit eines Kellners und zweier Lokalbesucher gleicht schon fast einer Szene aus einem Film. Im Mai 2021, während Covid, streiten sich zwei Männer mit einem Kellner eines Lokals im Kanton Thurgau um die Maskenpflicht. Und das über mehrere Wochen.

Doch von vorn: Im Mai 2021 betreten zwei Männer ein Lokal. Petar T. ist Kellner in diesem Restaurant und verweist die beiden Besucher auf die Maskenpflicht, die in diesem Betrieb herrscht. Die beiden Männer wollen der Aufforderung keine Folge leisten und verlassen das Lokal wieder. Wochen später kehren die beiden zurück.

Sie wollen sich im Restaurant an einen Tisch setzen, wo schon vier Freunde von ihnen Platz genommen haben. Der Kellner greift ein und sagt, die beiden müssten sich an einen anderen Tisch setzen, da maximal vier Personen an einem Tisch sitzen dürften. Die drei Männer fangen zu streiten an. Schliesslich verlassen die beiden Besucher das Restaurant.

Streit wegen Coronamassnahmen eskaliert

Einige Tage später kehren die beiden Männer wieder zurück. Sie wollen auf dem Sitzplatz hinter dem Lokal Platz nehmen, wobei ein weiterer Mitarbeiter des Restaurants sie darauf aufmerksam macht, dass dies keine gute Idee sei. Petar T. habe Beleidigungen gegen die Familien und Frauen der beiden Männer geäussert und es sei besser, wenn die beiden das Restaurant verlassen würden. 

Daraufhin konfrontieren die beiden Männer Petar T. mit dem Vorwurf, er habe sie beleidigt. T. meint, sie könnten sich nach seinem Feierabend ab 23 Uhr vor dem Lokal treffen und über das Problem sprechen.

Die Männer stimmen zu und treffen den Kellner wie verabredet vor dem Lokal. Nach einigen ausgetauschten Sätzen zieht Petar T. plötzlich eine Waffe aus dem Rückenbereich, wie es aus der Anklageschrift hervorgeht.

Sofort schiesst er auf die beiden Männer und trifft sie auch.

Brutale Gewalt vor dem Lokal

Das eine Opfer wird zuerst am rechten Oberschenkel getroffen, später treffen ein weiterer Schuss seinen Rücken. Er durchschlägt die Leber und das Zwerchfell. Das Opfer wird lebensbedrohlich verletzt. Das andere Opfer wird ebenfalls am linken Oberschenkel getroffen, entgeht aber weiteren Verletzung durch seine Flucht.

Beide Männer versuchen zu flüchten, während T. weiter auf sie feuert.

Laut Ermittlungen handelte T. aus «kaltblütigem Egoismus»: Er fühlte sich durch das Verhalten und die Äusserungen der Männer in seiner Ehre beleidigt. 

Nach der Tat floh Petar T. ins Ausland. Aufgrund eines internationalen Haftbefehls wurde er im November 2021 in Ungarn verhaftet und später in die Schweiz überstellt. Im Januar dieses Jahres musste sich der Kellner nun vor Gericht verantworten.

Petar T. wird mehrfacher versuchter Mord vorgeworfen. 

Gerichtsverhandlung in vollem Gange

Die Geschädigten, die Anwälte und der Angeklagte treffen sich an diesem Mittwochmorgen im Obergericht Thurgau in Frauenfeld. Es ist kühl vor dem Gerichtsgebäude. Petar T. wird von zwei Polizisten in Handschellen ins Gericht geführt. Sein Blick ist zum Boden gewandt. 

Vor Gericht sitzen die zwei Geschädigten, beide kosovarischer Abstammung. Jeweils links und rechts neben ihnen nehmen ihre Anwälte Platz. Die Staatsanwältin sitzt ebenfalls auf der linken Seite, bei den Opfern, im Saal. Petar T. und sein Verteidiger sitzen auf der rechten Seite in Richtung Richter. 

Der Angeklagte gesteht die Tat 

Der Angeklagte Petar T. wird vom Richter erneut zum Vorfall befragt. Da Petar T. nur Serbisch spricht, werden die Fragen des Richters und die Antworten des Angeklagten übersetzt. Trotzdem vernehmen die Anwesenden, wie sich T. fühlt. 

Der Richter fragt den Angeklagten, ob er die Tat, die im vorgeworfen wird, gesteht. T. antwortet: «Ja, ich gestehe.» Dabei schaut der ehemalige Kellner zum Richter. Die Befragung zum Tathergang wird zum Krimi. Denn ganz so einverstanden mit dem Hergang sind sich die Parteien nicht.

Petar T. behauptet: «Ich habe mich von den beiden bedroht gefühlt und habe deshalb Warnschüsse abgegeben.» Die Kläger sehen das aber anders. Sie erzählen von einem geplanten Verbrechen. T. habe die Pistole im Rückenbereich versteckt und ohne Ankündigung auf die beiden Opfer geschossen. Die Staatsanwältin meint: «Das sind meiner Meinung nach keine Warnschüsse», und wendet sich an den Richter. 

Nach der Befragung sitzt Petar T. wieder neben seinem Anwalt und senkt seinen Blick zu Boden. Seine Hände hat er verschränkt auf seine Oberschenkel gelegt. So verharrt er den Grossteil der Verhandlung. 

Eine Tat mit schweren Folgen

Die Staatsanwältin kommt zu Wort. «Der Angeklagte ging mit einer Skrupellosigkeit vor und plante das Verbrechen.» Deswegen fordert die Staatsanwaltschaft eine Klage wegen mehrfachen versuchten Mordes –und nicht Totschlags. Weiter setzt die Staatsanwältin nach: «Die beiden Opfer hatten keine Chance. Sie waren unbewaffnet und wurden nicht gewarnt, dass gleich Schüsse auf sie fallen.»

Auch die Anwältin und der Anwalt der Opfer kommen zu Wort. Die Argumente decken sich mit jenen der Staatsanwältin. Die Opfer litten bis heute an schweren Folgen der Tat. So könne der eine Mann im Dunkeln nicht mehr einschlafen und habe bis heute Schmerzen im Rücken.

Er könne nichts Schweres aufheben, was ihn im Job behindert. Er habe Angst, auf die Strasse zu gehen und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch das zweite Opfer hadert mit ähnlichen Folgen.

Der Angeklagte scheint zu ahnen, was ihm blüht

Petar T. schaut weiterhin zu Boden. Er würdigt die Opfer keines einzigen Blick. Während der Plädoyers der Staatsanwaltschaft schnauft er hin und wieder schwer durch die Nase.

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von 16 Jahren und einen Landesverweis von 15 Jahren. Die beiden Opfer sollen finanziell entschädigt werden. 

Die Verhandlung kommt am Nachmittag zum Schluss. Die Opfer und der Angeklagte werden das Urteil noch abwarten müssen. Das Gericht müsse sich beraten.

15 Jahre Knast und 15 Jahre Landesverweis

Rund zwei Wochen nach der Verhandlung folgt das Urteil: Petar T. muss wegen mehrfach versuchten Mordes 15 Jahre ins Gefängnis. Zusätzlich wird er 15 Jahre des Landes verwiesen und muss Geldsummen im fünfstelligen Bereich den Opfern als Entschädigung entrichten.

*Name der Redaktion bekannt