Die «Bluewin»-Kolumnistin Michelle de Oliveira wurde gefragt, wie es dem Mädchen in ihrem Bauch gehe, ohne dass sie selbst schon gewusst hätte, was es werden würde. Es ist Zeit, über Gender-Disappointment zu reden.
Ich weiss nicht, ob man mir damit eine Freude machen wollte, weil man dachte, ich bevorzugte ein Mädchen oder ob man dem eigenen Wunsch Ausdruck verlieh. Ich antwortete stoisch: «Dem Baby geht es gut.»
Und wenn ich anfügte, ich würde mich unglaublich über einen zweiten Sohn freuen, kam meist die erstaunte Antwort: «Ah, würkli?» Ja, würkli! Das scheint für manche Menschen schwer vorstellbar. Etwa so, als hätte ich behauptet, ich würde gerne ein Elefanten-Baby gebären.
Warum denken so viele Menschen, dass ich als Frau automatisch lieber eine Tochter hätte als einen Sohn? Weil ich mir eine Mini-Version meiner selbst wünsche? Weil wir mehr Gemeinsamkeiten hätten? Weil ich mir erhoffe, dass wir einmal ein inniges Mutter-Tochter-Gespann sein werden?
Best-Friends-Beziehungen sind mir suspekt
Eine intakte und enge Beziehung mache ich nicht vom Geschlecht abhängig. Ich kenne genug Frauen, die mit ihrer Mutter eine problematische Beziehung pflegen. Und Best-Friends-Beziehungen zwischen Mutter und Tochter sind mir persönlich eher suspekt.
Erzähle ich nun, dass wir eine Tochter erwarten, begegnet mir ein kollektives Aufatmen. Puh, Glück gehabt, das ging gerade nochmal gut. Während Mädchen in anderen Kulturen systematisch abgetrieben werden, scheinen sie hierzulande die erste Wahl zu sein, zumindest unter Frauen.
An einem Apéro stand ich kürzlich in einer Frauenrunde, zwei davon schwanger. Frau 1 hatte bereits ein Mädchen und erwartete nun einen Jungen, Frau 2 erwartete ihr erstes Kind, ein Mädchen.
Frau 1: «Oh so schön, ein Mädchen!»
Frau 2: «Ja, gell! Ich bin schon froh, habe ich sicher ein Mädchen im Trockenen.»
Frau 1: «Das verstehe ich gut, ging mir auch so».
Als Gender-Disappointment wird die Enttäuschung bezeichnet, die manche Eltern empfinden, wenn ihr Kind nicht das erhoffte Geschlecht hat. Das kommt häufiger vor als man denkt, doch darüber reden fällt verständlicherweise schwer. Man hat ja gefälligst froh zu sein, wenn das Kind gesund ist. Ich kann nachvollziehen, dass man ein Wunschgeschlecht hat.
Gender-Disappoinment ist real und darüber soll gesprochen werden dürfen. Aber werden solche vermeintlichen Wünsche auf andere projiziert, finde ich das frech.
Die Reise unserer Familie
Mein Sohn hat eine unbändig grosse Leidenschaft für alles was Brummbrumm macht, derzeit vor allem Motorräder. Er spielt aber auch mit seinem Bäbi, wechselt ihm die imaginären Windeln und schläft mit ihm im Arm ein, während die andere Hand sein Motorrad umklammert.
Aber das ist doch alles Wurscht, soll er spielen, womit es ihm beliebt. Ich liebe es, ihn auf seinen Abenteuern zu begleiten, mit ihm die Welt zu entdecken und mit ihm zu staunen, sei es nun über das Meersäuli im Streichelzoo oder über den Betonmischer auf der Baustelle. Seinen Charakter kennen zu lernen, ihn mit viel Liebe auf seinem Weg zu begleiten, das ist es, was für mich zählt.
Ja, einen Bruder und Buddy für ihn konnte ich mir sehr gut vorstellen. Genauso wie ich unsere Familie mit einer Tochter – einer Schwester für ihn – vor meinem inneren Auge sah.
Denn verstehen Sie mich nicht falsch: Ich kann es kaum erwarten, unsere Tochter in den Armen zu halten. Ich freue mich darauf, Mädchenkleider zu kaufen und Haare zu flechten. Und sie hoffentlich irgendwann dabei zu begleiten, wenn sie sich verändert, wenn sie zur Frau wird.
Da bin ich aus naheliegenden Gründen näher dran als bei meinem Sohn; mit Stimmbruch, feuchten Träumen und Co. kenne ich mich wenig aus. Aber ob die Tochter eines Tages bei mir Rat suchen wird, wer weiss das schon? Vielleicht wird sie ja Daddy’s Girl oder vertraut sich lieber ihren Freundinnen an. Ich würde es ihr nicht übelnehmen.
Ich weiss noch nicht, wohin die Reise unserer Familie geht, aber wahrscheinlich werde ich eines Tages zurückblicken und denken: Zum Glück gab es ein Mädchen. Aber dann wird es deshalb sein, weil ich sie wegen ihrer Persönlichkeit liebe, und nicht wegen ihres Geschlechts.
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Der 2502 Meter hohe Säntis ist eingebettet in einer der schönsten Naturkulissen Europas.
Bild: Säntis
Wer von Nesslau aus die Schwägalpstrasse hochfährt, fühlt sich bei Ennetbühl plötzlich wie im Film; grasüberwachsene Hügel erinnern an das Hobbitland aus «Herr der Ringe».
Bild: zVg
Die Kurve vor Hemberg seit dem 10. Juni 2017 weltberühmt. Das ist dem britischen «Top Gear»-Moderator Richard Hammond zu verdanken. Dieser kriegte dort die Kurve nicht.
Bild: zVg
Nicht immer sind es Kühe und Ziegen, die auf der Schwägalpstrasse den Verkehr behindern – manchmal ist auch Werner Stauffacher mit seiner Postkutsche unterwegs.
Bild: zVg
Sehnsuchtsort mit besten Aussichten: Der Speer ist 1951 Meter hoch.
Bild: zVg
Was braucht die Schweiz ein Legoland oder einen Europapark? Sie hat doch die Schwägalp.
Bild: zVg
Der Säntis ist ein multifunktionaler Hotspot: Wetterstation, Leuchtturm, Schwebebahnstation, Kommunikationsberg, Dorf und Aussichtsberg.
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Rund um den Gipfel vereinen sich viele Gegensätze – schroffe Felswände, tiefblaue Seen, liebliche Hügellandschaften.
Bild: Keystone
Neben einem Perspektivenwechsel bietet der Baumwipfelpfad in Mogelsberg durch seine verschiedenen Wald-Stockwerke auch viel Informatives.
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Wer ins Ofenloch will, muss die richtige Jahreszeit wählen. Am besten den Sommer, wenn das Bachbett des Neckers fast ausgetrocknet ist.
Bild: zVg
Zwei Wanderer geniessen die Aussicht auf dem 2502 Meter hohen Säntis.
Bild: Keystone
Die Szene aus einer Werbung für Appenzeller Käse ist lustig -– und trumpft mit einer atemberaubenden Landschaft auf. Die Bank, auf der das kurze Schauspiel stattfindet, wird beim Dreh jeweils am Fählensee aufgestellt.
Bild: zVg
Der Weg zum Glandenstein hinter dem Hotel Hof Weissbad ist eine Sackgasse, die im «End der Wölt» im Geröll des Weissbaches endet – ideal zum Flanieren und Verweilen.
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Einer der aufregensten Instagram-Hotspost überhaupt: die Saxer Lücke. Man erreicht sie via Bollenwees oder von der Staubern her.
Bild: zVg
Am geografisch tiefsten Punkt des Kantons Appenzell Innerrhoden, wo die Sitter und der Rotbach zusammenfliessen, hat sich eine Naturbadewanne gebildet. «Strom» heisst der Ort
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