Starfotograf Marco Grob «Als ich Trump zum ersten Mal fotografierte, spürte ich ...»

Von Bruno Bötschi

28.8.2019

Von Lady Gaga über den Dalai Lama und George Clooney bis hin zu Donald Trump: Marco Grob hatte sie alle schon vor seiner Kamera. Ein Gespräch über berühmte Leute – und warum der Oltner Starfotograf lieber Männer als Frauen fotografiert.

Herr Grob, wie viel Zeit bräuchten Sie für ein gutes Porträtfoto von mir?

Diese Frage kann ich so generell nicht beantworten. In der Regel dauert es aber nicht sehr lange, ein paar Minuten reichen meistens. Die Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen ist extrem kurz.

In einem Interview sagten Sie, kantige Gesichter seien einfacher zu fotografieren als runde.

Das ist meine subjektive Meinung, kantigere Gesichter finde ich spannender. Deshalb fotografiere ich auch lieber Typen als Frauen. Frauen müssen auf Bildern immer schön aussehen. Wissen Sie, was ich meine?

Nein.

Frauen müssen auf Bildern nach wie vor dem normierten Schönheitsideal entsprechen. Das ist schade. Bei den Männern kann ich viel mehr spielen – etwa mit dem Licht.

Hat das vielleicht damit zu tun, weil Hollywood-Schauspielerinnen sich häufiger als ihre männlichen Kollegen Schönheits-OPs unterziehen?

Nein, überhaupt nicht. Schauspielerinnen, die einigermassen bei Trost sind, lassen nichts machen.



Wie viel Zeit hatten Sie, als Sie George Clooney das letzte Mal fotografiert hatten?

Das letzte Mal habe ich ihn vor zwei Monaten fotografiert – das war für eine Titelgeschichte für das US-Unterhaltungsmagazin «Variety». Es ging um die TV-Serie «Catch 22». Clooney führt Regie, er produziert und spielt selbst mit. Mit Menschen wie ihm kann ich in zwei, drei Minuten ein Bild machen, das geil aussieht.

Weil er Profi ist?

So ist es – Clooney ist der Cary Grant der heutigen Zeit. Er weiss, dass er ein Star ist und nimmt diese Verantwortung wahr. Kommt George Clooney auf das Set, begrüsst er zuerst alle meine Mitarbeiter.

Wie war es, als Sie US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal fotografiert hatten?

Im Moment, während dem man jemanden fotografiert, wird klar, wie selbstsicher die betreffende Person ist. Es ist ein extrem spannender Moment. Als ich Donald Trump zum ersten Mal fotografierte, spürte ich, dass für ihn gar nicht so viel klar ist, wie er ständig suggeriert. Ich realisierte, dass da viel ... ach, Trump wurde als Kind einfach zu wenig gekuschelt, wie wir alle. Aber bei ihm merkt man es einfach noch mehr.

«Wir sollten wieder lernen, mehr zu geniessen, mehr zu entdecken, statt immer und überall das Handy hochzuhalten und abzudrücken.»

Interessiert Sie Macht?

Nein. Ich habe eine Abneigung gegen Menschen, die am Morgen aufstehen, in den Spiegel schauen und sagen: Ich habe das, was es braucht, um dieses Land in den nächsten vier Jahren führen zu können. Politiker sind mir grundsätzlich suspekt – alle, von links bis rechts. Ich hätte nicht einmal die Zuversicht, Olten, meine Heimatstadt, führen zu können. Die einzige Macht, die ich brauche, besteht darin, dass ich meinen Beruf als Fotograf ausüben kann und dabei die grösstmögliche gestalterische Freiheit habe.

Vergällt Ihnen heute die Fotoflut auf Instagram Ihr Dasein?

Jeder hat einen Schraubenzieher daheim. Aber ist er deswegen ein Mechaniker? Nein.

Ich fragte deshalb, weil Sie in einem Interview sagten: «Für mich haben all die Selfies etwas Vulgäres. Wann hat das angefangen, dass sich alle Leute ständig in der Öffentlichkeit fotografieren wollten?»

Ja, ich finde es wirklich absolut vulgär. Und ich hoffe, dass das irgendwann wieder aufhört. Mein Wunsch ist, dass künftig weniger Bilder gemacht werden, das sich die Menschen wieder öfter fragen: Warum mache ich dieses Foto überhaupt? Warum halte ich genau diesen Moment fest? Wir sollten wieder lernen, mehr zu geniessen, mehr zu entdecken, statt immer und überall das Handy hochzuhalten und abzudrücken. Wie viele Bilder werden heute noch ausgedruckt? Fast keine. Es gibt Menschen, die haben 30'000 Bilder auf ihrem Handy und schauen sie nie an.



Vor 14 Jahren wanderten Sie mit Ihrer Freundin Simone und drei Koffern über Südafrika nach New York aus. Wie viel von Ihrer Schweizer Heimat steckt noch in Ihnen?

Ich habe schon oft Menschen fotografiert, die ins Weltall geflogen sind. Wenn man von dort aus auf die Erde schaut, ist nicht mehr ein Land die Heimat, sondern der ganze Planet. Mir geht es ähnlich, einfach im kleineren Rahmen.

Das müssen Sie erklären.

Natürlich vermisse ich, seit ich in New York lebe, hin und wieder die Schweiz. Aber genauso stark vermisse ich den Kontinent Europa. Denn durch meinen Wegzug hat sich nicht nur mein Leben, sondern auch die Perspektive auf meine Heimat verändert.

Dieser Tage organisieren Sie zum zweiten Mal das Internationale Photo Festival in Olten. Wieso Olten, wieso nicht New York?

Das frage ich mich auch (lacht). Unser Festival will zeigen, dass es trotz der heutigen Bilderflut nach wie vor Menschen gibt, die es besser machen. Wir bringen Menschen an unser Festival, die etwas erzählen können, deren Lebensgeschichte Inspiration für andere sein kann. Aber ich weiss: gnadenlose Passion ist etwas, dass in der calvinistischen Schweiz nicht zur Grund-Software eines Menschen gehört.

Nochmals die Frage: Wieso Olten?

Eine Kleinstadt wie Olten hat eine ganz andere Atmosphäre. In Olten treffen sich alle, also Fotografinnen und Fotografen und die Festival-Teilnehmer, am gleichen Ort, weil es – überspitzt gesagt – nur eine Bar, ein Restaurant und ein Hotel gibt. Und genau diese spezielle Atmosphäre haben wir gesucht.

Wie kommt ein Schweizer Fotograf dazu, nicht nur die US-Präsidenten Trump und Obama zu fotografieren, sondern auch viele andere, die in Hollywood und auf dem politischen Parkett Rang und Namen haben?

Das frage ich mich auch jeden Tag (lacht). Ich bin seit den 1980ern als Porträtfotograf tätig. Lange Zeit hatte ich jedoch Angst davor, mich radikal zu meiner Passion zu bekennen – bis zum Tod meiner Mutter. Ich war damals 37 und realisierte: Das Leben ist zu kurz. Wenn ich etwas erreichen will, dann muss ich es jetzt tun. Danach gab es für mich nur noch: Let’s go.

Heute gelten Sie als einer der besten Porträtfotografen der Welt. Was fasziniert Sie am menschlichen Antlitz?

Im Gesicht eines Menschen kann man ablesen, was er für ein Leben führt. Man sieht, in welcher sozialen Klasse er aufgewachsen ist, was er isst, ob er raucht und ob er glücklich ist. Diese nonverbale Kommunikation fasziniert mich.



So grundsätzlich – wie ist es mit Superstars zu arbeiten?

Toll! Die meisten sind ganz wunderbare Menschen und absolute Profis.

Ich nehme an, Sie würden uns Probleme, die es hier und da gegeben haben könnte, nicht verraten.

Sie haben recht, darüber spreche ich in einem Interview nicht.

Stimmt nicht ganz: Über Donald Trump sagten Sie einmal, er sei bei der ersten Begegnung vulgär aufgetreten und habe ihren Assistenten keines Blickes gewürdigt.

Dazu nur so viel: Ein Vollblutpolitiker wie Barack Obama würde so etwas nie tun. Aber es ist ein Teil des Games. Die Frage ist dann, ob man als Fotograf dieses Game mitspielt oder nicht.

Wirklich wahr, dass Lady Gaga Sie fragte, ob Sie sie mit einem explodierenden BH fotografieren wollen?

Lady Gaga war gerade allein am Frühstücken in ihrem Hotelzimmer, als ich sie traf. Als wir zusammen am Tisch sassen, fragte sie mich: «Möchtest du mich mit einem explodierenden BH aufnehmen?» Natürlich wollte ich das – solche Geschenke muss man als Fotograf annehmen können. Je mehr Inputs vom Gegenüber kommen, desto mehr fühlt sich der Mensch wohl. Das Set wird dann zu seiner Bühne, und das ist gut so.

«Menschengemachtes beeindruckt mich immer weniger – mit Ausnahme von Musik. Die Natur ist das Schönste, was es gibt.»

Werden Sie auch hin und wieder von berühmten Menschen angerufen und gebeten: «Herr Grob, ich möchte mich von Ihnen fotografieren lassen.»

Das kommt vor, ja. Eine riesige Ehre war es, als das dänische Königshaus angerufen hat. Man stelle sich vor: Plötzlich sitzt der Working-class-Bube Marco aus Olten neben dem kaffeetrinkenden dänischen König am Tisch, während dessen Kinder am Boden spielen. Meine Fotokamera ist ein wunderbarer Türoffner für ganz viele Welten.

Reden Sie mit Ihrem Gegenüber während des Fotografierens?

Nein – vor und während dem Fotografieren bin ich vor allem am Beobachten. Es ist, als wäre ich auf der Jagd – und da stört viel Reden nur. Wenn ich eine zu starke Beziehung zum Gegenüber aufbaue, lenkt das von der Kamera ab. Ich versuche deshalb, nicht zu viel Kontakt mit den Personen zu haben. Für mich ist das Gespür wichtig. Das versuche ich, je länger, je intuitiver zu machen. Ich drücke auch nicht ständig auf den Auslöser der Kamera, sondern warte auf die besonderen Momente. Mich stört auch, wenn Musik am Set läuft, obwohl ich weiss, dass sie die Leute oft lockerer werden lässt und ich ein grosser Musikliebhaber bin.

Gibt es Musik, die am Set funktioniert?

Led Zeppelin.

Schon ein Shooting abgebrochen, weil die Chemie nicht funktioniert hat?

Noch nie.

Gibt es Bilder, die Sie nicht veröffentlichen?

Natürlich – ich will ja meinen Brand schützen. Auf Reisen fotografiere ich oft und gern Landschaften. Diese Bilder werde ich jedoch niemals jemandem zeigen. Sie hängen nur bei mir daheim an der Wand.

Wen oder was findet ein Mann, der beruflich die schönsten Menschen der Welt fotografieren darf, selbst aussergewöhnlich schön?

Menschengemachtes beeindruckt mich immer weniger – mit Ausnahme von Musik. Die Natur ist das Schönste, was es gibt. Ich beobachte gern grosse Wellen, die am Felsen brechen, und ich bin total fasziniert vom Weltall.

Zur Person: Marco Grob

Marco Grob, 54, ist einer der international erfolgreichsten Porträtfotografen und wurde unter anderem mit einem Emmy Award ausgezeichnet. Er wuchs in Olten auf und lebt seit 2008 in New York. Er ist Mitorganisator des International Photo Festival Olten.

Termin: Das 2. Internationale Photo Festival Olten findet vom 28. bis 31. August statt.

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