Dermatologe im Interview«Jeder sollte sich mindestens einmal untersuchen lassen»
Von Mara Ittig
10.5.2019
Wie schützt man seine Haut richtig vor der Sonne? Kann man Hautkrebs selber entdecken? Wer ist besonders gefährdet? «Bluewin» hat beim Dermatologen Dr. Pjotr Michel nachgefragt.
Wahrscheinlich gibt es mehrere Ursachen. Schweizerinnen und Schweizer haben viele Möglichkeiten, am See oder in den Bergen Zeit an der Sonne zu verbringen. Sie reisen viel an die Wärme, auch im Winter, wenn die Haut nicht an die Sonne gewöhnt ist. Unser Hauttyp spielt ebenfalls eine Rolle. Rein geografisch liegt die Schweiz zwischen Nord- und Südeuropa, vom Hauttyp sind wir aber eher bei den Nordeuropäern anzusiedeln.
Hinzu kommt, dass am häufigsten ältere Leute an Hautkrebs erkranken. Wir haben in der Schweiz eine eher alte Bevölkerung, das verschiebt die Statistik ein wenig. Erst recht, weil viele der älteren Menschen hierzulande ihr Leben lang viel Zeit an der Sonne verbracht haben, auch beruflich. Die Generation, die jetzt über 50 Jahre alt ist, hat sich in ihrer Jugend nicht sonderlich gut vor der Sonne geschützt.
Früher hat man über Sonnenschutz einfach nicht gesprochen, es gab keine Sonnencremes in jeder Migros oder jedem Coop. Die Leute haben sich zum Teil mit Öl eingecremt, bevor sie an die Sonne gingen. Eine braungebrannte Haut war gleichbedeutend mit einem gesundem Aussehen. Das macht sich nun bemerkbar.
Die Rede ist von weissem und schwarzem Hautkrebs. Worin unterscheiden sich die beiden Typen?
Beide betreffen die Haut, es handelt sich jedoch um komplett unterschiedliche Krebsarten. Man darf sich durch den Namen nicht irritieren lassen. Die Bezeichnung weisser respektiver schwarzer Hautkrebs entspricht nicht zwingend dem Aussehen. Häufig ist der weisse Hautkrebs schwarz oder braun. Und der schwarze Hautkrebs muss nicht zwingend schwarz sein.
Auch was die Behandlung und die Überlebenschancen angeht, unterscheiden sie sich. Schwarzen Hautkrebs muss man früh entdecken, je früher desto besser, denn er kann metastasieren und dadurch lebensbedrohlich sein.
In rund 70 Prozent der Fälle entsteht der schwarze Hautkrebs durch ein neu entstandenes, bösartiges Muttermal. Aber auch bestehende Muttermale können sich verändern und zu schwarzem Hautkrebs mutieren.
Der weisse Hautkrebs kommt mehrheitlich bei älteren Menschen vor und zeigt sich als nichtheilende Wunde, offene Stelle, Verdickung an der Haut. Er ist weniger gefährlich.
Kann ich Hautkrebs selbst entdecken?
Beim schwarzen Hautkrebs entwickeln viele Menschen eine Art Intuition. Häufig gehen sie zum Arzt, weil sie feststellen, dass sich ein Muttermal verändert hat. Oft kann man selber aber auch gar nichts feststellen. Dann zum Beispiel, wenn eine Veränderung am Rücken auftritt oder an der Kopfhaut. Darum werfe ich immer einen Blick auf die Haut, wenn ich einen Patienten zum ersten Mal sehe.
Als Laie ist es schwierig, Muttermale selber zu beurteilen. Umso wichtiger ist eine regelmässige Hautkontrolle beim Dermatologen. Es gibt die sogenannte ABCDE-Regel: A steht für Asymmetrie, B für Border also Begrenzung, C für Colour. Dann gibt es noch D wie Dynamik, und das ist wirklich wichtig. Wenn sich ein Muttermal verändert, kann das ein Indiz sein. Alles, was sich verändert, gehört zum Arzt. E schliesslich steht für Elevation, bezeichnet also eine Verdickung. Es ist aber nicht jedes Muttermal mit einer unscharfen Grenze oder mehreren Farben gleich Hautkrebs. Wenn wir jedoch D mit ABCE kombinieren, macht die Regel Sinn. Wenn ein Muttermal immer eine klare Begrenzung hatte und diese nun plötzlich unscharf ist, oder aus einer Farbe plötzlich zwei werden, sollte man damit zum Arzt.
Für den weissen Hautkrebs sind nicht heilende Wunden ein häufiges Anzeichen.
Spielt die Sonne bei der Entstehung beider Typen eine Rolle?
Definitiv. Hautkrebs entdecken wir am häufigsten bei etwas älteren Menschen. Für die Entstehung von weissem Hautkrebs braucht es eine Schädigung durch UV-Strahlen über die Jahre hinweg. Spontan, ganz frisch auf gesunder Haut kann sich ein weisser Hautkrebs fast nicht entwickeln.
Beim schwarzen Hautkrebs kann schon ein einmaliger Sonnenbrand ausreichen. Da sind eher Sonnenbrände verantwortlich und nicht die Exposition über die Jahre.
Wie schütze ich mich denn richtig?
Fürs Gesicht empfehle ich jeden Tag Sonnenschutz, das ganze Jahr über. UV-Strahlen sind immer da, auch wenn es bewölkt ist. Am besten nimmt man für den täglichen Schutz eine Tagescreme, die vor UVA- und vor UVB- Strahlen schützt, mit einem Lichtschutzfaktor von mindestens 30. UVB-Strahlen verursachen Sonnenbrand, UVA-Strahlen sind für langfristige Schäden und Hautalterung verantwortlich – es ist also beides wichtig. UV-Schutz ist übrigens auch das beste Anti Aging Mittel.
Viele wissen nicht, dass die Haut auch durch Fensterscheiben Schaden nehmen kann. Es gibt dieses berühmte Bild von einem LKW-Fahrer, bei dem die Seite des Gesichts, die der Sonne ausgesetzt war, deutlich stärker gealtert ist.
Ist ein Lichtschutzfaktor von 50 also gar nicht nötig?
Für all jene, die eine empfindliche oder eine sehr helle Haut haben, ist die Wahl des Sonnenschutzfaktors relevant. Bei Menschen, die eine Neigung zu Pigmentstörungen im Gesicht haben, stelle ich eine deutlich stärkere Pigmentierung fest, wenn sie Lichtschutzfaktor 30 anwenden und nicht Faktor 50.
Was ist der Unterschied zwischen physikalischen und chemischen Filtern in der Sonnencreme?
Bei physikalischen Filtern wird das UV-Licht von winzig kleinen mineralischen Teilchen, wie bei einem Spiegel, reflektiert und die Haut so geschützt.
Beim chemischen Filter wird das UV-Licht absorbiert und in Wärme umgewandelt. Es handelt sich um eine chemische Substanz, die sich unter Sonneneinstrahlung verändert. Die Wirkung geht dadurch schneller verloren, zudem kann man auf diese chemische Reaktion allergisch reagieren. Das heisst, man verträgt die Creme gut, bis man damit an die Sonne geht. Ich rate aus diesem Grund eher zu Cremes mit physikalischen Filtern.
Die Feriensaison ist nicht mehr weit. Wie schütze ich mich an Pool, Badi und Strand?
Indem man sich noch besser eincremt als im Alltag. Das heisst, nicht nur einmal am Tag, sondern immer wieder. Ich empfehle einen Lichtschutzfaktor von 50. Es gibt internationale Richtlinien der WHO, wie man Sonnencreme optimal anwendet. Wenn man morgens um 11 zum Strand will, sollte man sich um halb 11 ein erstes Mal eincremen. Wenn man am Strand ankommt, wiederholt man das Prozedere und danach alle zwei Stunden wieder. Das ist notwendig, weil die Wirkung mit der Zeit verloren geht und auch weil wir schwitzen, das Produkt im Wasser abgespült wird und der Schutz durch Reibung an Kleidern oder Sand nachlässt.
Wie viel Sonnencreme brauche ich vor und während dem Sonnenbad?
Auch da gibt es Empfehlungen. Fürs Gesicht und die beiden Handrücken: Ein Teelöffel. Für die Kopfhaut ebenfalls ein ganzer Teelöffel. Für die Unterarme sogar zwei. Da hat man nach einem Tag eine Tube fast leer.
Kleider, Hut, Sonnenbrille und Schatten helfen auch. Ebenso sollte man die Zeit zwischen 11 und 15 Uhr an der Sonne meiden.
Kann man die Haut auf die Sonne vorbereiten?
Lange hat man geglaubt, dass Vitamin A hilft. Das hat sich aber nie wirklich bestätigt. Ein Gang ins Solarium hilft übrigens gar nicht.
Man kann die Haut nach der Sonnenexposition gut mit einer Bodylotion mit Vitamin C und E eincremen. Das hilft der Haut dabei, den lichtbedingten Stress zu reduzieren.
Apropos Vitamine: Was ist mit Vitamin D? Damit unser Körper Vitamin D produzieren kann, braucht er Sonne ...
Das ist richtig, dafür brauchen wir Sonne. Zehn Minuten auf die Handrücken täglich reichen jedoch aus, sogar mit Sonnenschutz.
Was mache ich, wenn ich mich doch mal verbrenne?
Das kommt darauf an, wie stark die Verbrennung ist. Wenn es nur eine leichte Rötung ist, reicht es, aus der Sonne zu gehen, die Haut zu kühlen und ein After Sun-Produkt zu benutzen. Bei starken Sonnenbränden mit Blasenbildung braucht man intensivere, antientzündliche Mittel, auch Cortison-Cremes oder wundheilende Cremes kommen zum Einsatz. Damit muss man zum Arzt.
Wem empfehlen Sie ein Check-Up beim Arzt zur Hautkrebsvorsorge?
Jeder sollte sich mindestens einmal untersuchen lassen. Dabei kann der Spezialist auch beurteilen, ob der Patient regelmässig wiederkommen soll oder nur im Falle einer Veränderung. Es gibt Risikogruppen: Menschen, die viel an der Sonne waren, eine helle Haut oder viele Pigmentflecken haben, bei denen Hautkrebs in der Familie bereits aufgetreten ist oder es eine Hautkrebsvorgeschichte gibt. Gehört jemand zu einer dieser Risikogruppen, sollte er sich jährlich durchchecken lassen.
Spielt es eine Rolle, wann man zum Check-Up geht?
Ich untersuche die Patienten, egal ob sie im Frühling, im Sommer oder im Herbst kommen (lacht). Hautkrebs kann jederzeit auftreten, das muss nicht unmittelbar nach einem Sonnenbrand sein. Direkt nach den Sommerferien, wenn die Haut noch gestresst ist von der Sonne ist, ist es weniger ratsam, weil dann vieles auffälliger erscheint, als es eigentlich ist.
Zur Person
Dr. med. Piotr J. Michel-Dziunycz ist Facharzt für Venerologie und Dermatologie und medizinischer Leiter der Dermatologie Klinik Zürich. Er ist spezialisiert auf Hautkrebs.
Gratis zur Hautkrebs-Vorsorge
Die Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie bietet im Rahmen der nationalen Hautkrebs-Kampagne in der Woche vom 13. bis 17. Mai gemeinsam mit zahlreichen Praxen in der ganzen Schweiz einen gratis Check-Up zur Hautkrebsvorsorge an. Eine Liste gibt einen Überblick über die teilnehmenden Ärzte, verfügbare Termine finden Sie hier.
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