Die KolumneDas hat schon Grossmutter gesagt: Vornehme Blässe ist im Trend
Kerstin Degen
12.6.2018
Sonnenbad, Botox, Sonnenbad, Microneedling, Sonnenbad: Der Schönheitswahn grenzt bisweilen an Irrsinn, findet «Bluewin»-Redaktorin Kerstin Degen. Sie fragt sich, weshalb die noble Blässe als einziges, über Jahrhunderte anhaltendes Schönheitsideal, in unserer Gesellschaft so wenig Anklang findet.
Schönheitsideale gibt es seit eh und je. Jedoch dienten sie nicht nur der Attraktivitätssteigerung, sondern symbolisierten vielmehr die Zugehörigkeit zu einer Klasse, einer Kultur oder einem Stamm.
Für mich gehören Haltung und Ausstrahlung zu den bedeutendsten Merkmalen zeitloser Schönheit, sie entscheiden, ob eine Person Eleganz und Klasse verkörpert.
Zwei Attribute die, wie ich finde, häufig auf Menschen mit einem blassen, zarten Teint zutreffen. Aber das ist natürlich eine sehr persönliche Emfpindung.
Ein kleine historische Reise
In der Antike galten schlanke, grosse Frauen als attraktiv. Auch ein symmetrisches Gesicht, volle Lippen und ausdrucksvolle Augen galten als ansprechend.
Im Mittelalter wurden die Bäuche dann etwas rundlicher, eine hohe Stirn und blondes lockiges Haar wurden als schön angesehen.
Mit der Renaissance kam die Veränderung der Vorliebe zum wohlbeleibten Körper. Starke weibliche Rundungen galten als verführerisch und besonders gebärfähig. Füllige Menschen wurden als intelligent und wohlhabend anerkannt. Zwischenzeitlich wurde die Körperfülle in ein Korsett gedrängt, die Wespentaille ward geboren.
Dieses auf und ab auf der Waage, das Wechselspiel von grader zu Stupsnase, schmalem Gesicht zu Pfirsichbäckchen, lässt sich bis ins unendliche weiterführen. Klar, denn die Schönheit wandelt mit der Zeit, liegt sie doch im Auge des Betrachters.
Blasse Haut als Zeichen von Wohlstand
Aber zurück zur noblen Blässe: Bereits die Griechen und Römer befassten sich mit Schönheitsidealen. Ein Teint «weisser als Elfenbein» bezeichnete schon Homer als das ideale Hautbild. So galt die griechische Liebesgöttin Aphrodite, die oftmals als hellhäutige, blonde Frau dargestellt wurde als optisches Vorbild für die Damenwelt der Antike.
Blasse Haut wurde zum Statussymbol, Bräune symbolisierte die Armut. Denn braune Haut hatte nur, wer als Sklave auf dem Feld arbeitete.
Diese Ansicht hielt sich bis ins Mittelalter, wo ein dunkler Teint noch immer ein Zeichen der Unterprivilegierung darstellte. Blässe zeugte von Reichtum und Macht und erlaubte dem Adel sich optisch vom «niederen Volk» zu distanzieren.
Ihren Höhepunkt feierte die vornehme Blässe wohl im Zeitalter von Renaissance, Barock und Rokoko. Wer nicht über einen natürlichen Porzellan-Teint verfügte, half kräftig nach. Neben Puder wurden Cremes, Seifen und sogar Bleichmittel eingesetzt. Hochgiftiges Bleiweiss und Quecksilber sollten Sommersprossen und Rötungen den Garaus machen.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam das Bleichschminken langsam in Verruf. Mediziner machten erstmals auf die giftigen Inhaltsstoffe und deren gesundheitsschädigende Wirkung aufmerksam. Stück für Stück freundete sich die gehobene Gesellschaft mit ihrer natürlichen Hautfarbe an.
«Etliche aber unter den Frauenzimmern erwehlen die blasse Farbe zur Schönheit und richten sich damit zu ihren grösten Schaden eine perfecte Todtenfarbe zu.»
Zitat aus: «Curiöser Haut-Diener, vorstellend der Menschlichen Haut-Schönheit und Heßlichkeit, wobei zu deren Erhaltung und Verbeßerung dienliche Mittel vorgeschlagen werden.» | Vogel, Tobias, 17. Jh.
Aber noch immer wurde die Sonne gemieden und die Haut mit Schirm und Schleier geschützt. Auch merkwürdig anmutende Praktiken wie das Trinken von Essig oder durchwachte Nächte wurden zum Erhalt einer vornehmen Blässe propagiert.
Doch mit fortschreitender Industrialisierung wurde die Luft in den Städten schlechter, die Menschen verbrachten ihre Wochenenden auf dem Land, dürsteten nach Licht und frischer Luft. Langsam kippte das Bild und ein rosiger Teint wurde Schritt für Schritt zum Sinnbild für Gesundheit.
Plötzlich galt die sonnengeküsste Haut als attraktiv, wurde ihrerseits gleichgesetzt mit Wohlstand. Denn ein Wochenende am Meer oder Ferien in Italien konnte sich die breite Masse damals nicht leisten.
Heute wissen wir zwar über den schädlichen Einfluss von UV-Strahlung Bescheid, trotzdem scheint die Aussicht auf einen gebräunten Teint alle Zweifel in den Wind zu schlagen. Die paar Fältchen mehr nimmt man dafür gerne in Kauf, oder lässt sie eben beim Beauty-Doc wieder beseitigen.
Schön ist, wer sich schön fühlt
Aber, liebe Sonnenanbeter: Cremes und Tinkturen für den asiatischen Markt enthalten noch heute aufhellende Substanzen (hoffentlich der gesünderen Art) und liefern den Beweis: das Schönheitsideal der vornehmen Blässe hat noch immer Bestand. Zugegeben, nicht in unseren Breitengraden, aber daran lässt sich ja arbeiten...
Klar wird: Unter dem Deckmantel der Schönheit gibt sich Frau seit eh und je so manch irrsinniger Praktik hin.
Ich für meinen Teil bleibe blass, auch wenn ich als einzige vollbekleidet durch die Badi laufe. Das Schöne ist, wir dürfen alle selbst entscheiden und so handhaben wir das getreu dem Motto:
«Schön ist nur, wer sich auch schön fühlt.»
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