Kolumne Ist das Frühstück wirklich die wichtigste Mahlzeit des Tages?

Von Jürg Hösli

7.9.2020

Entscheiden wir uns für das richtige Frühstück, sind wir für den restlichen Tag leistungsfähiger und beugen Heisshungerattacken vor.
Entscheiden wir uns für das richtige Frühstück, sind wir für den restlichen Tag leistungsfähiger und beugen Heisshungerattacken vor.
Bild: Getty Images

Das Frühstück erscheint vielen als geradezu unverzichtbar. Andere bringen keinen Bissen runter. Doch ist eine frühe Mahlzeit tatsächlich gesund? Antworten von Ernährungsdiagnostiker Jürg Hösli.

Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag. Das wurde uns in der Jugendzeit immer eingetrichtert. Heute scheint alles anders. In Zeiten von intermittierendem Fasten und Stress im Alltag heisst es immer mehr: Das Frühstück ist nicht nötig. Stimmt dies?

Nein, das Frühstück ist und bleibt die wichtigste Mahlzeit am Tag. Wer frühstückt, hat im Alltag mehr mentale und körperliche Energie, eine bessere Konzentration und entwickelt im Alltag weniger Heisshunger und Lust auf Süsses. Natürlich sollte es das richtige Frühstück sein. Aber eines nach dem anderen.

Warum ist denn das Frühstück so wichtig?

Hirn und rote Blutkörperchen brauchen Glukose. Die Leber ist das Organ, das massgeblich den Blutzucker reguliert. Genügend Blutzucker heisst somit auch funktionierender Sauerstofftransport im Blut und das Hirn kann optimal arbeiten.

Am frühen Morgen sind die Kohlenhydratspeicher in der Leber leer. Somit muss die Leber beginnen, Kohlenhydrate selbst herzustellen. Der Organismus erhöht dafür das Stresshormon Cortisol. Kurzfristig sichert dieses Hormon die Energiebereitstellung über Eiweiss und Fettspeicher.

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Was macht nun das Frühstück: Es soll die Kohlenhydratspeicher in der Leber wieder auffüllen, so den Stress senken. Fällt nun das Frühstück aus, baut der Körper Substanz ab. Manche mögen nun meinen, ist ja nicht so schlimm, wir haben ja genügend davon. Doch lassen wir das Frühstück längerfristig ausfallen, senkt der Körper den Stoffwechsel deutlich. Das Resultat: Der Sauerstofftransport im Körper reduziert sich und somit auch sportliche und mentale Energie.

Warum haben viele am Morgen keinen Hunger?

In der heutigen Zeit essen immer weniger Menschen am Morgen früh, weil sie bereits mit Stress in den Tag starten. Der Druck am Arbeitsplatz wird immer grösser, die Präsenzzeit in der Firma immer länger. Natürlich ist dies keine artgerechte Haltung mehr.

Was passiert? Man schläft so lange wie möglich, danach muss es schnell gehen. Über den Tag Businesslunch, Sandwich oder Süsses. Am Abend folgt dann die grosse Sause. Die Folge: Der Darm braucht über die Nacht vermehrt Sauerstoff für die Verdauung und lässt einen schlechter regenerieren. Am Morgen steht man demzufolge wieder gestresst auf. Natürlich hat man dann auch keinen Hunger.

Wer diesen Teufelskreis überwinden möchte, der soll am Abend einmal das Abendessen auslassen. Und siehe da, die Lust auf Essen ist am Morgen wieder da.

Vor allem für Kinder ist das Frühstück zentral

Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis vierzehn Jahren haben einen Kalorienverbrauch von mindestens 2'000 bis 2'500 Kilokalorien ohne Sport. Das sind nicht nur vier Vollmahlzeiten, sondern vor allem mehr, als die meisten Erwachsenen zu Hause essen. Kein Frühstück heisst darum oft später mehr Chips und Schokolade zu Hause.

Kinder ohne Frühstück in den Tag zu schicken, muss als grosse Fahrlässigkeit von Eltern bezeichnet werden.
Kinder ohne Frühstück in den Tag zu schicken, muss als grosse Fahrlässigkeit von Eltern bezeichnet werden.
Bild: Getty Images

Wenn Kinder kein Frühstück essen, sinkt die Aufmerksamkeit in der Schule. Was noch schlimmer ist, dass Kinder kaum physische Substanz haben. Genau diese wird noch mehr abgebaut und die Folge ist natürlich eine immer geringere Stressfestigkeit und schlechteres Immunsystem. 

Warum wird es manchen beim Frühstücken schlecht?

Stecken wir in einer hohen Stressphase, können darum generell wenig essen und machen eventuell noch viel Sport, ergibt sich im Körper oft folgendes Problem: Das Blut kann in unserem Körper Säuren abpuffern. Diese Fähigkeit sinkt jedoch in hohen Stressphasen und bei Mangelernährung.

Wenn wir nun dem Darm am Morgen eine grössere Mahlzeit zumuten, dann produziert dieser ebenfalls Säuren. Stellt der Körper nun einen Säureüberschuss fest, beginnt dieser einen Brechreiz unter dem Brustbein auszulösen. Hier hilft, eine kleine Flüssigmahlzeit, wie eine warme Ovi, zu trinken. Wenn wir dies regelmässig durchführen, steigt die Säurekompetenz des Körpers und wir können wieder besser am Morgen essen.

Wenn Sie in ein Auto steigen, würden Sie nicht ohne Benzin abfahren wollen. Darum erwarten Sie doch von Ihrem Körper am Morgen nicht mehr als von Ihrem Auto. Denken Sie immer daran, wer fordert, der sollte auch fördern, sonst reagiert der Körper später mit mehr unangenehmen Symptomen. Starten Sie nicht mit Stress in den Alltag, sondern geben Sie sich und Ihrem Körper Energie und die Zeit, richtig in den Tag zu starten.


Optimale Frühstücksvarianten für ein Kind mit zwölf Jahren, Erwachsene sollten mindestens gleich viel essen:

  • Müesli: 50 g Haferflocken, 130 g Früchte, 150 g Milch oder pflanzliche Milch, 100 g Magerquark, 15 g Kokosraspeln, 20 g Nussmus, Zimt
  • Frühstück mit Brot: 100 g Vollkornbrot, 40 g Streichkäse, 30 g Hartkäse, 1 Ei, 150 g Früchte
  • Für die Eiligen ein Smoothie aus: 30 g Haferflocken, 130 g Früchten, 15 g Proteinkonzentrat oder 80 g Magerquark, 25 g Kokosraspeln, 10 g Nussmus, 300 g Milch oder pflanzliche Milch

Zum Autor: Jürg Hösli ist Ernährungswissenschaftler und greift gerne kontroverse Themen aus Sport, Psychologie und Ernährung auf. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik Erpse in Winterthur und Zürich.

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In der Rubrik «Die Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren von «Bluewin» regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine E-Mail an: redaktion2@swisscom.com

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