Fit im Büro Arbeiten im Stehen – macht es wirklich fitter, schlanker, stärker?

Von Sulamith Ehrensperger

5.8.2019

Die WHO stuft körperliche Inaktivität – zu viel Sitzen – heute weltweit als viertgrösste der vermeidbaren Todesursachen ein.
Die WHO stuft körperliche Inaktivität – zu viel Sitzen – heute weltweit als viertgrösste der vermeidbaren Todesursachen ein.
Bild: iStock

Die meisten von uns sitzen zu viel. Und Studien haben gezeigt: Wer zu lange sitzt, der hat eher gesundheitliche Probleme. Ist also Stehen während der Arbeit ein gutes Rezept?

Erwachsene verbringen heutzutage mehr als die Hälfte ihrer Wachzeit sitzend. Im Schnitt sind es neun Stunden am Tag, wie verschiedene Studien zeigen.

Wer mit dem Auto, dem Bus oder Tram zur Arbeit kommt, den Büroalltag und die Mittagspause auf Stühlen verbringt  – und sich zum Feierabend vor den Fernseher setzt, sitzt sogar gut und gerne 15 Stunden lang. Vielleicht auch mehr. Macht mehr Stehen aber tatsächlich fitter, schlanker, gesünder?

Fast jeder weiss, dass langes Sitzen krank machen kann. Die WHO stuft körperliche Inaktivität, also zu viel Sitzen, heute weltweit als eine der häufigsten Todesursachen ein.

Dennoch fällt es den meisten schwer, die eine oder andere Aufgabe im Alltag mal im Stehen zu erledigen. Einfach mal Aufstehen bringt der eigenen Fitness durchaus einen Gewinn. Laut einer Studie der University of Chester aus Grossbritannien verbrennt Stehen immerhin mehr als 40 Kalorien pro Stunde. 

Als «Workout» würde dies der Fitnessexperte Michael Limmer aber nicht bezeichnen: «Stehen hat sicher einen Vorteil, weil unter anderem mit der Bein- und Gesässmuskulatur unsere grössten Muskelgruppen aktiv sein müssen. Im Vergleich zum Sitzen kann sich die Muskulatur auch nicht so leicht verkürzen.»

Michael Limmer lebt in München und Los Angeles und arbeitet international als Promi-Personal-Trainer. Auch im Leistungssport ist er ein geschätzter Fitnessexperte und als Referent für diverse Organisationen und Vereine tätig.
Michael Limmer lebt in München und Los Angeles und arbeitet international als Promi-Personal-Trainer. Auch im Leistungssport ist er ein geschätzter Fitnessexperte und als Referent für diverse Organisationen und Vereine tätig.
Foto: Michael Limmer

Stehen ist kein Allerweltsrezept 

In den skandinavischen Ländern sollen bereits rund 90 Prozent der Büroarbeitsplätze mit «Standing Desks» oder höhenverstellbaren Schreibtischen ausgestattet sein. «Je abwechslungsreicher und ergonomischer die Bewegungen im Job seien, desto besser», sagt Limmer.

Denn eine abwechslungsreiche Arbeitshaltung bringt viele positive Effekte: Stehen ist unsere natürliche Haltung. Es soll uns produktiver und kreativer machen. Der Rücken ist entlastet, und der Körper besser durchblutet. Und eben: mehr Kalorien verbrennen. 

Dennoch ist Stehen nicht das alleinige Rezept, um fit zu werden: «Bei langer stehender beziehungsweise statischer Tätigkeit kann die Muskulatur auch verkrampfen. Der Muskeltonus erhöht sich», gibt der Personal Trainer zu bedenken. «Zudem kann sich der Druck durch langes Stehen in den Blutgefässen erhöhen und sich das Risiko etwa für Krampfadern erhöhen.»

Wer lange sitzt, leidet häufiger unter Nackenverspannungen, Rückenschmerzen oder auch chronischen Krankheiten.
Wer lange sitzt, leidet häufiger unter Nackenverspannungen, Rückenschmerzen oder auch chronischen Krankheiten.
Bild: iStock

Schon die Schule ist ein Sitzmarathon

Im Gesamtkontext müsse man die Arbeitnehmer als Individuum sehen, sagt Limmer, der auch Grosskonzerne im betriebllichen Gesundheitsmanagement berät. Fragen wie: Liegt eine Fussfehlstellung vor? Oder leidet der Arbeitnehmer unter Skoliose, Kniebeschwerden, einer Beinlängendifferenz? Eine Ergonomieberatung am Arbeitsplatz könne laut dem Experten sinnvoll sein.

«Sitzen im Allgemeinen und für eine kurze Dauer, das birgt keine Risiken», entwarnt Limmer. Ein Blick in die Gesellschaft zeige aber, dass wir zu lange und zu häufig sitzen. Darin sieht der Experte das Hauptproblem: «Schon in der Schule sitzen wir jahrelang. Bereits dort kommt der Ausgleich im Allgemeinen oder beim Sportunterricht in meinen Augen viel zu kurz.»

Damit das Aufstehen leichter fällt

Sein Rezept für seine Kunden, wie auch für sich selbst, lautet, möglichst viel Bewegung in den Alltag zu integrieren. 

Tipps für einen bewegteren Büroalltag

  • Beim Telefonieren nicht stehen, sondern gehen – durch das Haus, das Büro,  die Treppe rauf – Treppe runter.
  • Meetings in kleinem Rahmen nicht mehr im Büro abhalten, sondern draussen beim Spazieren. Klingt zunächst absurd, ist aber gesünder und produktiver.
  • Bei sitzender Tätigkeit im Büro machen ausgleichende Übungen Sinn, wie Stretching und Mobilisation. 

Hier gibt es weitere Tipps, um langes Sitzen zu vermeiden. 

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