Rock-Experte Fröhlich «Wir wussten, dass es Tina Turner ganz schlecht geht»

Von Lukas Rüttimann

25.5.2023

«Tina Turner war Zürich-süchtig. Sie war auch süchtig nach Herbst, sie liebte den Zürcher Nebel. Bei schlechtem Wetter hat sie sich in ihrer wunderbaren Villa am wohlsten gefühlt»: Popexperte H. Elias Fröhlich über Tina Turner.
«Tina Turner war Zürich-süchtig. Sie war auch süchtig nach Herbst, sie liebte den Zürcher Nebel. Bei schlechtem Wetter hat sie sich in ihrer wunderbaren Villa am wohlsten gefühlt»: Popexperte H. Elias Fröhlich über Tina Turner.
Bild: Privat

Als Ex-Rock-Experte vom «Blick» war H. Elias Fröhlich nah dran an Tina Turner. Es sagt, warum ihr Tod ihn nicht überrascht hat – und wie es der Sängerin gelang, bis ins hohe Alter nichts von ihrem Feuer zu verlieren.

Von Lukas Rüttimann

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Als ehemaliger Rock- und Pop-Experte der Zeitung «Blick» war Journalist H. Elias Fröhlich nah dran an Tina Turner.
  • Im Interview mit blue News sagt er, warum er vom Tod der Rocksängerin nicht überrascht worden ist.
  • Und er verrät seinen ganz persönlichen Tina-Turner-Höhepunkt: «Als ich ihr Lionel Ritchie für ein Geburtstagständchen organisieren konnte.»

H. Elias Fröhlich, als «Blick»-Popexperte waren Sie näher dran an Tina Turner als jeder andere Musikjournalist in der Schweiz. Hat Sie die Nachricht von ihrem Tod überrascht?

Nein. Wir wussten, dass es ihr ganz schlecht geht. Es hiess, die Nachricht, dass sie gestorben sei, könne uns jeden Tag erreichen.

Sie sagen «wir» – wer ist das?

Wir haben einen «Dino-Club», bestehend aus wichtigen und gestandenen Figuren der Schweizer Musikszene, Konzertveranstalter, die alten Plattenbosse und so weiter. Erwin Bach, der Mann von Tina Turner, ist nicht Mitglied im «Dino-Club», aber einige aus seinem nahen Umfeld.

Ich lernte Erwin in den 70er Jahren kennen, als er bei der Plattenfirma EMI Electrola in Köln noch für Musikkassetten zuständig war. Sein Nick-Name war «Kassetten-Erwin». (lacht) Als späterer Promotion-Manager musste er eines Tages Tina Turner am Kölner Flughafen abholen. Der Rest ist Geschichte.

Hatten Sie seit der Todesnachricht Kontakt zu ihm?

Nein, ich halte mich zurück. Aber ich habe ihm gestern ein SMS geschickt und kondoliert.

Von Tina Turner hörte man in den letzten Jahren wenig. War sie überhaupt in der Schweiz?

Oh ja. Tina war Zürich-süchtig. Sie war auch süchtig nach Herbst, sie liebte den Zürcher Nebel. Bei schlechtem Wetter hat sie sich in ihrer wunderbaren Villa am wohlsten gefühlt.

Man weiss ja, dass sie ganz unkompliziert in der Migros in Erlenbach einkaufen ging und es genoss, dass die Leute sie zwar erkannten, aber auch in Ruhe liessen. Auch das liebte sie an der Schweiz.

Ihre Ehe mit Erwin Bach schien gut zu funktionieren, oder wissen Sie anderes?

Ich weiss nur eines: Als PR-Manager Erwin Superstar Tina am Kölner Flughafen abholen musste, hat sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Ich habe die beiden x-mal erlebt und kann sagen: Die waren immer so unglaublich liebenswert und zärtlich zueinander – mehr geht nicht.

Welches war Ihr persönlicher Tina-Turner-Höhepunkt?

Ganz klar, als ich ihr Lionel Ritchie für ein Geburtstagsständchen organisieren konnte. Ritchie war am 26. November 1999 im Hallenstadion zu Gast, und ich konnte ihn interviewen. Dabei erwähnte ich, dass Tina in Zürich lebt und heute ihren 60. Geburtstag im Restaurant Kunststube in Küsnacht feiert.

Er wusste das alles nicht, und ich schlug ihm spontan vor, ihn nach dem Gig zu Tinas Party zu fahren. Niemand in der «Kunststube» wusste etwas, Tina tanzte gerade auf dem Tisch – und dann kündigte ich mit einem lauten «Ta-da-da!» Lionel Ritchie an, der für sie «Happy Birthday» sang. Dabei flossen viele Tränen – es war ein unglaubliches Erlebnis.

«Ganz klar, als ich ihr Lionel Ritchie für ein Geburtstagständchen organisieren konnte»: H. Elias Fröhlich (rechts) über seinen persönlichen Tina-Turner-Höhepunkt. Das Bild entstand im Restaurant Kunststube in Küsnacht ZH.
«Ganz klar, als ich ihr Lionel Ritchie für ein Geburtstagständchen organisieren konnte»: H. Elias Fröhlich (rechts) über seinen persönlichen Tina-Turner-Höhepunkt. Das Bild entstand im Restaurant Kunststube in Küsnacht ZH.
Bild Privat

Sonst bot Tina Turner aber nicht unbedingt viel Stoff für einen Boulevardjournalisten.

Nein. Sie wurde von ihrem Management in London konsequent abgeschottet. Nach vielen vergeblichen Versuchen konnte ich via Erwin einen Fragekatalog bei ihr einreichen. Daraus wurde die berühmte Schlagzeile: «Tina Turner – ich liebe die Bratwurst am Zürcher Bellevue» (lacht).

Wie ordnen Sie Tina Turner musikalisch ein?

Ein Megastar, auch wenn sie ihre Songs nicht selber geschrieben hat. Sie stand für absolute Power, die sie bis zum Schluss behalten konnte. Laut ihrem Umfeld tanzte sie bis ins hohe Alter jeden Tag mindestens zwei Stunden lang voll durch. Dazu meditierte sie als Buddhistin regelmässig. Ihre Kraft kam von innen.

Was ist ihr musikalisches Vermächtnis?

Drei Songs muss man von ihr kennen: «Private Dancer», geschrieben von Mark Knopfler, mit dem sie nach Ike & Tina ihre erfolgreiche Solo-Karriere lancieren konnte. «GoldenEye», komponiert von U2, der beste Bond-Song aller Zeiten.

Und für mich persönlich vor allem «Better be good to me». In diesem Lied fleht sie darum, dass man sie lieb behandelt. Damit verarbeitet sie ihre persönliche Geschichte von Unterdrückung und Misshandlung, mit der sie auf eindrückliche Art offen umgegangen ist.

So wurde sie für viele Menschen – Frauen und Männer – zu einem Vorbild, das in der heutigen Zeit wertvoller denn je ist.


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