Glücksritter im hohen Norden Von Oberbüren bis ans Ende der Welt

Von Carlotta Henggeler

5.11.2022

Vor drei Jahren wanderten Josi Habermann und Markus Brülisauer samt ihren Hunden von Oberbüren nach Nordfinnland aus. Dort bieten sie Huskytouren an. In der Wildnis hat Markus seinen Lebenssinn gefunden.

Von Carlotta Henggeler

Kalsarikännit ist das lustigste Wort, das Josephine «Josi» Habermann und Markus Brülisauer bisher in Finnland begegnet ist. Übersetzt heisst es so viel wie: sich in Unterhosen daheim allein betrinken. Dazu gibt es sogar ein eigenes Emoji.

Die Redewendung soll nicht den Alkoholkonsum verherrlichen, sondern das Zelebrieren der Freizeit in den eigenen vier Wänden. Die Italiener nennen es einfach Dolcefarniente, also relaxen.

Deswegen sind auch Josi und Markus vor drei Jahren in Ivalo gelandet, rund 3'200 Kilometer von ihrem alten Zuhause in Oberbüren SG entfernt. Das Paar wollte mehr Zeit in der unberührten Natur verbringen, zusammen mit ihren Huskys. Ihr Herzensprojekt heisst Nomadic Naali und ist 60 Hektaren gross. Der nächste Nachbar ist rund einen Kilometer entfernt.

Dort bieten sie Huskytouren, Kanufahrten und gediegenes Camping an, umgeben von der arktischen Wildnis. Ivalo liegt 300 Kilometer nördlich des Polarkreises. Auf ihrem Anwesen leben 32 Schlittenhunde, fünf Yaks, drei Wildschweine, sieben Hühner und ein paar Hasen: eine kleine arktische Farm.

Was sie vermissen? Familie, Freunde und Zweifel-Chips

Auf einer Glücksskala von 1 bis 10 liegt ihr Lebensglück heute bei einer 8, sagen beide unisono im Interview mit blue News. Eine hohe Bewertung: «In der Schweiz habe ich viel gearbeitet und war nur immer in meiner Freizeit in der Natur. Hier bin ich die ganze Zeit in dieser einzigartigen Natur. Wir lieben diese dünn besiedelte Region», sagt Markus, der in der Schweiz Bauführer war: «Hier in der Wildnis habe ich meinen Lebenssinn gefunden.»

Auch wenn ihr neues Leben auch Schattenseiten hat. Das Einkommen lässt sich als Unternehmer schwerer voraussagen, gearbeitet wird sieben Tage die Woche. Es ist ein freieres Leben, das mit harter Arbeit verbunden ist.

Doch Josephine und Markus wollen sich trotz langer Tage nicht beklagen und bereuen das Auswandern nicht. Auch wenn ihnen manchmal Familie, Freunde und Zweifel-Chips fehlen.

Neue Projekte, wenig Zeit

Ihr Nomadic-Naali-Camp ist in nächster Zeit gut ausgebucht. Trotzdem wollen sich die Auswanderer nicht ausruhen. Sie möchten zum Beispiel eine Blockhütte rollstuhlgerecht ausbauen oder ihr Camp erweitern. Ihr Ziel ist es, noch autarker leben zu können.

Wann sie damit anfangen, steht noch in den Sternen. Seit April sind sie zu dritt. Söhnchen Aaro ist dazugekommen. Josi schwärmt: «Hier können wir ihm eine glückliche Kindheit umgeben von viel schöner Natur bieten.»

Der Bube wächst mit mehreren Sprachen auf. Schweizerdeutsch wegen Markus, Hochdeutsch wegen Josephine, die ursprünglich aus Mecklenburg stammt. Mit den Gästen reden sie hauptsächlich Englisch. Und in der Schule wird Aaro Finnisch lernen.

Bis er allerdings Kalsarikännit aussprechen kann, wird es noch eine Weile dauern.

Mona Vetsch besuchte die Schweizer Familie für die Reportagereihe «Auf und davon – Im Hohen Norden» zweimal. Zu sehen ist die Sendung am Samstag, 5. November 2022, 20:10 Uhr, SRF 1.