Schweizer Verbrechen als Serie Schweizer Verbrechen als Serie: Das verstört sogar den TV-Experten

von Gion Mathias Cavelty

20.7.2018

Normalerweise ist Gion Mathias Cavelty hart im Nehmen. Doch bei der auf realen Schweizer Verbrechen basierenden Fernsehserie «Schockwellen» muss der TV-Experte umschalten.

Was kann einen heutzutage noch schocken? Ist man nicht schon längst abgestumpft gegenüber allem? In Sachen einheimische Kriminalfälle ist der Vierfachmord von Rupperswil AG an Bestialität und Abartigkeit wohl nicht zu überbieten, oder? Wieso also die vierteilige Schweizer Mini-Serie «Schockwellen» schauen, die am 20. und 27. Juli als Erstausstrahlung auf Arte gezeigt wird (ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen)?

Inhaltlich basiert die Dramaserie auf echten Schweizer Kriminalfällen. Die Episode «Reise ohne Rückkehr» etwa dreht sich um die letzten Tage des sogenannten Sirius-Ordens, dessen Mitglieder ihre «letzte Reise» antreten wollen: «Auf einem Bauernhof bereiten sich 48 Männer, Frauen und Kinder darauf vor, ihrem Guru Jorge in die Erlösung aus dem irdischen Leben zu folgen», teasert der Sender.

Nach Vorbild der Sonnentempler in den Tod

Stimmt, ich erinnere mich: Da gab es mal den realen Fall mit den Sonnentemplern im Welschland. 48 Mitglieder haben sich selbst getötet oder wurden von Sektenmitgliedern umgebracht, um – wie ich gerade auf Wikipedia nachlese – «nach einem kollektiven Tod im Sternensystem Sirius wiedergeboren zu werden und dort eine neue Menschheit zu begründen».

Tatsächlich erfasst mich beim Lesen dieser Zeilen eine erste Schockwelle – und ich schaue mir die erwähnte Folge vorab an.

1. Szene: 21. Juni 1994, also Sommersonnenwende! Von oben bis unten in Weiss gekleidete Gestalten schreiten todernst auf einer Wiese in den Waadtländer Alpen herum, und man ahnt bereits: Das kommt nicht gut. Unter ihnen befindet sich auch der Jugendliche Hugo (dargestellt von Grégoire Didelot). Andächtig lauscht er den Worte des Sektenanführers (gespielt vom Genfer Schauspieler Carlo Brandt): «Spürt nun die Schwingung, die uns durchströmt. Spürt nun die Schwingung, die uns befreit.» Bald darauf wird Gift in Hundefutter gemischt und Sektenhund Ivo (oder Ewok? Unverständlich ausgesprochen) muss sterben, als Versuchskaninchen. Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf …

Besonders die schauspielerische Leistung von Carlo Brandt als durchgeknallter, alle manipulierender und mit sich in den Tod reissender Guru ist eindrücklich. Aber im Lauf der Zeit festigt sich bei mir als Zuschauer immer mehr der Eindruck, das Ganze könnte auch ein x-beliebiger Tatort sein (ohne ermittelnde Kommissare). Wenn man nicht wüsste, dass die Geschichte im Kern wahr ist, würde man nicht gross darüber nachdenken. Wobei: Die Szene, in der der Guru seinen Anhängern Plastik-Säcke über die Köpfe zieht … aber lassen wir das.

Verstörender Fall

Die zweite Episode der «Schockwellen», die ich mir vorab angesehen habe, heisst «Tagebuch des Todes». Lausanne, 2009: Der 18-jährige Schüler Benjamin Feller bringt seine Eltern um. Warum? Die Auszüge aus seinem Tagebuch geben darüber Aufschluss – und verstören nachhaltig. Es ist ein Dokument der totalen Geistesgestörtheit: «Ich erwecke den Eindruck eines sehr gut erzogenen Jungen. Ruhig und zurückhaltend. Jemand, der völlig normal ist. In Wirklichkeit toben regelmässig enorme Stürme in meinem Schädel ...»

Nein, das ist nichts für mich, dafür habe ich einfach zu schwache Nerven. Ich schaue mir jetzt lieber eine Folge von «Mini Beiz, dini Beiz» an – das ist für mich Grusel genug.

«Schockwellen» startet am Freitag, 20. Juli, um 20.15 Uhr mit der Episode «Tagebuch des Todes». Fanny Ardant ist darin als Lehrerin Esther Fontanel zu sehen. Die zweite Folge «Reise ohne Rückkehr» (mit dem Genfer Schauspieler Carlo Brandt als Sektenguru) läuft gleich im Anschluss um 21.25 Uhr. Am Freitag, 27. Juli, geht es um 20.15 Uhr weiter mit «Flucht in die Berge» (nach einem Fall von 2017, bei dem ein Krimineller nach einem missratenen Autodiebstahl aus Lyon in die Schweizer Berge flieht). Im Anschluss zeigt Arte um 21.05 Uhr «Der Fall Mathieu». Diesem liegt eine Begebenheit von 1986 zugrunde: Ein Jugendlicher aus der Romandie entkommt einem Serienmörder. Mit Swisscom TV Replay können Sie alle Episoden bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Die Serien-Highlights im Juli
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