Kolumne am Mittag«Rolf Aebersold – fascht e Guetmensch»?
Von Gil Bieler
13.1.2021
Man wärme eine alte Geschichte auf – und mache den Bösewicht zum Helden. Dank dieser Formel wurde «Cobra Kai», die Fortsetzung der «Karate Kid»-Filme, zum Hit. Dasselbe geht doch bestimmt auch mit der SRF-Sitcom «Fascht e Familie», oder?
Wer noch nicht auf den «Cobra Kai»-Zug aufgesprungen ist, verpasst was: Die Netflix-Serie erzählt die Story der legendären «Karate Kid»-Filme aus den Achtzigerjahren weiter – sogar mit den Originalschauspielern von damals, einzig der verstorbene Mr.-Miyagi-Darsteller Pat Morita hinterlässt eine schmerzliche Lücke.
Dennoch ist die Serie feinstes Nostalgieprogramm für all jene, die die Karatefilme damals abgefeiert haben. Und wer hat schon nicht?
Allein schon als sehr späte Fortsetzung wäre «Cobra Kai» gelungen, doch gibt es noch einen besonderen Clou: Die Serie dreht sich nämlich nicht um Daniel LaRusso, den Helden der Filme, sondern um Johnny Lawrence, den Bösewicht.
Dessen Leben ging nach der schmachvollen Niederlage gegen Daniel im Turnier-Finale ziemlich in die Binsen. Ob im Job oder Liebesleben, nichts will ihm im Erwachsenenleben glücken. Das Stigma des Verlierers wird er einfach nicht los, der fiese Kranich-Kick, der ihn auf die Matte geschickt hatte, verfolgt ihn bis heute in seinen Träumen.
Wer ist der Gute, wer der Böse?
Drei Staffeln gibt es bereits, die neueste steht seit Anfang Jahr zum Streamen bereit. In der Serie verfolgt man, wie Johnny sein Leben in den Griff bekommen will und zurück zum Karate findet. Sein alter Sensai – der gnadenlose John Kreese – taucht ebenso bald wieder auf wie der vom Glück geküsste Daniel. Johnny dagegen ist ein Kämpfer, durch und durch. Darum schwebt über allem die Frage: Wer ist hier eigentlich der Gute, wer der Böse?
Der Trailer zur ersten Staffel «Cobra Kai».
Youtube
Dieses Konzept ist nicht neu, aber einfach reizvoll. Spätestens «Breaking Bad» hat aufgezeigt, wie vielschichtig Serien sein können, in denen die Grenzen zwischen Recht und Unrecht verschwimmen. Darum gilt auch: Daumen hoch für «Cobra Kai».
Doch warum sollte man dort enden? Es gibt doch sicherlich auch Schweizer TV- oder Filmbösewichte, die ihre eigene Geschichte verdient hätten. Zum Beispiel Rolf Aebersold, der windige Immobilienmakler aus «Fascht e Familie»?
Zeit für ein «Fascht e Familie»-Sequel
Wenn die Erinnerungen an die SRF-Sitcom «Fascht e Familie» aus den Neunzigerjahren schon verblasst sind, hier eine Auffrischung: Die betagte und esoterisch angehauchte Tante Martha lebt in ihrem Haus mit einer bunten Gruppe von Untermietern zusammen. Der WG-Alltag ist gutbürgerlich dosiert chaotisch und lustig. Einzig ihr Neffe Rolf versucht sie mit allen Tricks dazu zu bewegen, ins Altersheim zu ziehen, denn er will sich das Haus unter den Nagel reissen.
Wenn man nur die Sicht von Tante Martha und ihren Mitbewohner*innen kennt, kommt man zum Schluss: Rolf Aebersold ist von der Gier getrieben. Ein ganz mieser Typ. Aber vielleicht sähe das Ganze aus seiner Perspektive ja ganz anders aus? Vielleicht verfolgt er ja hehre Absichten mit der Immobilie? Er könnte ja theoretisch ein soziales Wohnprojekt darin realisieren wollen, ein Frauenhaus etwa oder ein Zeugenschutzprogramm, worüber er aber im Interesse der Schutzbedürftigen nichts verraten darf.
Zugegeben, ein etwas weit hergeholtes Szenario, aber wie sagte der Lebenskünstler Flip in der SRF-Sitcom doch gern: «Kä Detail.» Serienschöpfer Charles Lewinsky fällt da sicher was Besseres ein als dem Gelegenheitskolumnisten. «Rolf Aebersold – fascht e Guetmensch», das schreibt sich doch von selbst!
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.