Kolumne am MittagDie Schweiz war David Bowie zu klein – oder er zu gross für sie
Von Carlotta Henggeler
11.1.2021
Von Drogen zerfressen, ausgemergelt und auf der Steuerflucht: So landete David Bowie einst in der Schweiz und blieb zwei Jahrzehnte. Erst die Liebe zu einer somalischen Fashion-Königin holte ihn aus dem Drogensumpf.
Rock-Ikone Tina Turner fühlt sich am Zürichsee pudelwohl, Genesis-Sänger Phil Collins lebt und liebt das Waadtland.
Viele Bekanntheiten schätzen die Ruhe und Beschaulichkeit der Schweiz. Sie haben hier ihr Paradies gefunden und bleiben. Doch das funktioniert nicht für alle.
Es gab einmal in den 70er-Jahren einen Paradiesvogel namens Ziggy Stardust, der auf der Erde landete. Die Erschaffung dieser Kunstfigur katapultierte David Bowie in die höchsten Bekanntheits-Sphären. Doch wie so oft, bringt der Ruhm auch Schattenseiten. In der zweiten Hälfte der wilden 70er-Jahre lebte die britische Glamrock-Ikone von Koks, Peperoni und Milch.
Sein Manager Stanley Diamond erkannte, wenn er seinen Schützling nicht aus dem Drogensumpf herausholen würde, dann würde Bowies Stern alsbald erlöschen. Und so kam es, dass Bowie mit seiner damaligen Frau Angie 1976 am Genfersee landete. Angela Barnett kannte die Region aus ihrer Schulzeit in Lausanne und mietete das luxuriöse Gebäude im Chaletstil namens Clos de Mesanges in Blonay bei Vevey. Dort sollte Bowie von seinen Dämonen loskommen und eine Weile Ruhe haben von den britischen Steuerbehörden.
Ein Leben in der Abgeschiedenheit
Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Angela Barnett schrieb in ihren Memoiren («Backstage Passes»): «Er ging einmal durchs ganze Haus und konnte es nicht ausstehen. Er versuchte mir vorzugaukeln, er möge es. Aber ich konnte das Entsetzen in seinem Gesicht sehen. Das war überhaupt kein Ort für ihn.»
Die Ehe mit Barnett ging bachab, aber Bowie blieb im grossen Chalet. Bis 1982 lebte er dort, zog dann weiter ins Château du Signal in einem Lausanner Vorort. Das Bijoux wurde um die Jahrhundertwende gebaut und verfügte über 20 Zimmer. Dort lebte der Rockstar zurückgezogen. Begegnete man ihm beim Spazieren und wollte ein Autogramm, gab's den höflich-lapidaren Kommentar: «Ich bin nicht David Bowie.»
Dann trat die somalische Schönheit Iman Adulmajid in sein Leben. Und brachte das erhoffte Licht. Mit nur zwei anwesenden Freunden heiratete das Paar 1992 ganz ohne Chichi im Standesamt Lausanne.
Bald wurde es Iman, der Muse zahlreicher Designer wie Yves Saint Laurent, in der Romandie zu eng. 1998 zog das Paar weiter nach New York.
Seine Dämonen konnte Bowie in der Schweiz indes nicht bezwingen: «Ich war stets eine Art kultureller Wetterhahn; ich spürte die Stimmungen wie Angst und Zerfall», sagte die Ikone einst in einem Interview und doppelte nach: «Mein Steuerasyl in der Schweiz ruinierte das. Ich hatte gedacht, ich sei gross genug, um über die Alpen zu sehen. Irgendwann stellte sich heraus, dass dem nicht so war.»
Am 10. Januar 2016 starb das britische Pop-Genie, einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, an einem 18 Monate zuvor diagnostizierten Leberkrebs. Sein Spirit lebt weiter.
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.