Shitstorm Doku über toten Sterne-Koch lässt dessen Stimme künstlich aufleben

Von Fabian Tschamper

25.7.2021

Anthony Bourdain polarisiert auch nach seinem Tod. Die Dokumentation «Roadrunner» wirft neue Fragen auf: Wie weit darf man mit dem Nachlass eines Menschen gehen?
Anthony Bourdain polarisiert auch nach seinem Tod. Die Dokumentation «Roadrunner» wirft neue Fragen auf: Wie weit darf man mit dem Nachlass eines Menschen gehen?
Focus Features

Eine neue Dokumentation beleuchtet das Leben von Anthony Bourdain. «Roadrunner» erhielt grundsätzlich positive Kritiken, doch die Nutzung einer Fälschungssoftware löst dabei einen Shitstorm über den Nachlass des Kochs aus.

Von Fabian Tschamper

Die Dokumentation «Roadrunner: A Film About Anthony Bourdain» ist eine beeindruckende Chronik über den Fernsehstar und -koch und die Menschen, die ihm nahestanden. Der Film zeigt Bourdain als tiefgründigen, unaufhaltsamen und charismatischen Mann. Die Doku zeigt aber auch seinen inneren Kampf, seine selbstverachtende Art. 2018 hat er sich in einem Hotel im Elsass das Leben genommen.

Um die filmische Erzählung so kohärent wie möglich zu gestalten, habe Regisseur Morgan Neville mehrere 10'000 Stunden Videomaterial und Audioarchive durchforstet. Und gerade mal für drei Zeilen im Werk engagierte Neville eine Software-Firma, um eine künstliche Version von Bourdains Stimme zu erschaffen.

In einem Interview, das der Regisseur jüngst «GQ» gegeben hat, diskutiert er genau dies. Viele Fans von Anthony Bourdain hatten dies nämlich zutiefst verurteilt.

«Das ist sehr makaber», «Schrecklich» und schlicht «WTF» schrieben einige.

Ein Shitstorm wurde losgetreten. Kritiker Sean Burns, der den Film negativ beurteilt hat, schrieb dazu auf Twitter: «Das sagt euch alles über die Menschen, die hinter diesem Projekt stecken.»

Neville nutzte die Technologie und hat dies in seinem Werk zu keinem Punkt offenbart. Doch dies ist nur ein minimales Problem im Vergleich zur genutzten Software.

Die Fälschung einer Stimme, eines Gesichts, sodass sie vom Original nicht mehr unterschieden werden kann, nennt sich Deepfake. Diese Technologie ist äusserst umstritten, da es an Identitätsdiebstahl grenzt – oder schlicht ist.

Auch ist es eine Frage der Ethik.

Anthony Bourdain wählte den Freitod, über die Gründe für diesen Entscheid lässt sich nur spekulieren. Also lasst die Toten ruhen?

Robin Williams beispielsweise gab sein Einverständnis in seinem Testament: Seine unveröffentlichten Ton- und Videoaufnahmen dürfen erst 25 Jahre nach seinem Tod verwendet werden – dies gilt auch für jegliche Deepfakes seiner Stimme und seines Gesichts.

Rechtlich können die Macher von «Roadrunner» nicht angegangen werden, da sie eine Grenze überschritten haben, die bisher nicht existiert hat. In Zukunft dürften aber neue Gesetze, Regelungen diesbezüglich Klarheit schaffen.

Brauchen Sie Hilfe? Hier können Sie reden.

Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
Beratungstelefon der Dargebotenen Hand:
Telefon 143, www.143.ch
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