Trevor Noah in der Schweiz«Alles hier fühlt sich an wie der Beginn eines Disney-Films»
Von Gil Bieler, Genf
18.5.2022
Trevor Noah besucht für zwei Auftritte die Schweiz – und zeigt sich beeindruckt von den wahrgewordenen Klischees. Sauber, ruhig, aber dennoch fragt sich der Comedian aus New York: «Wie könnt ihr so leben?»
Von Gil Bieler, Genf
18.05.2022, 17:33
19.05.2022, 15:01
Gil Bieler, Genf
Anfang Mai hat er noch den Präsidenten der USA vor laufenden Kameras mit Spott übergossen, am Dienstagabend hat er die Arena de Geneve ausverkauft, heute ist das Zürcher Hallenstadion dran. Gar nicht schlecht für einen Jungen, der im Apartheid-Südafrika noch ohne eigene Toilette im Haushalt, ja sogar ohne Klopapier aufgewachsen ist.
Der Werdegang von Trevor Noah ist einzigartig und macht einen grossen Teil seiner Erfolgsformel aus, dank der der inzwischen nach New York übergesiedelte Comedian weltweit die Hallen füllt. Der 38-Jährige kann die Perspektiven wechseln, wie er will: Mal blickt er als Afrikaner auf die USA, mal als New Yorker auf Europa. Das Resultat? Zuverlässig witzig, wie sich auch am Genfer Gastspiel zeigte.
Ohne zu viel zu spoilern: Zürich, darauf darfst du dich freuen.
Trevor Noah, der Schleimer
Es gehört zu den Standardfloskeln eines jeden Künstlers, einer jeder Künstlerin: Sätze wie «Oh, ihr seid das beste Publikum überhaupt» oder «Eure Stadt ist die schönste». Auch Noah tut in Genf alles, um dem Lokalpatriotismus zu schmeicheln. Mit dem feinen Unterschied: Wenn er davon berichtet, was ihm beim Schlendern durch die Stadt aufgefallen ist, dann glaubt man ihm das auch. Und sei es nur deshalb, weil sein Vater Schweizer ist und – gemäss Noah – auch immer noch hier lebt. Er muss sich unserem Land doch verbunden fühlen.
Über Genf hat er nur Gutes zu sagen: So sauber, so schön sei die Westschweizer Metropole. «Alles hier fühlt sich an wie der Beginn eines Disney-Films. In der Mitte der Stadt hört man sogar die Vögel zwitschern!» Normalerweise kämen in Städten halbtote Tauben angehumpelt.
Was er aber nicht gehört hat, war das Tram: «Wieso sind eure Züge so leise?», echauffiert er sich gespielt. «Das Ding hätte mich fast umgebracht!» Auch die Schweizer Pünktlichkeit habe ihn überrascht: «Mitten während meines Einkaufs wurde ich aus dem Laden herauskomplimentiert. Punkt 19 Uhr macht ihr alles dicht, da kennt ihr keinen Spass!»
Und noch etwas sei ihm aufgefallen: Es gebe keine Kriminalität. Wenn er abends auf den – ohnehin menschenleeren – Gassen unterwegs gewesen sei, habe er sich zu jeder Zeit sicher gefühlt. Für den New Yorker gänzlich ungewohnt: «Ganz ohne Angst, wie könnt ihr bloss so leben?»
Trevor Noah, ein Fall für Untertitel
Worauf sich die Zürcher*innen ebenfalls freuen dürfen: Trevor Noah brilliert in seinem Stand-up-Programm mit seinen Sprachkenntnissen. Nach eigenen Angaben spricht er sechs Sprachen, und er lernt laufend dazu.
Nicht nur ein paar gute Brocken Deutsch hat er sich angeeignet, auch Schwyzerdüütsch fuhr er auf der Bühne auf – wobei das in Genf vergebene Liebesmüh war. Dazu bringt er noch Spanisch, Französisch und Xhosa ein, die Muttersprache seiner Mutter. Er wechselt die Sprache mit einer Leichtigkeit, die einen schwindlig werden lässt.
Trevor Noah bringt seine «Back To Abnormal»-Tour nach Zürich.
Youtube
Trevor Noah, der Provokateur
Und noch etwas Letztes, worauf sich die Zürcher*innen freuen dürfen: eine gute Portion schwarzen Humor. Trevor Noah ist einem Millionenpublikum als Gastgeber der «Daily Show» bekannt, einer satirischen Nachrichtensendung. Wenn er am Newsdesk sitzend mal verbal über die Stränge schlägt, schiebt er meist ein extradickes Augenzwinkern hinterher, oder macht sonstwie klar: Alles nur Spass, Leute.
In seinem Stand-up-Programm lebt er die Lust am Provokativen einiges offener aus. Ob Hass auf Kinder, Hitler-Imitation oder Rassismus und damit verbundene Übersensibilität: Noah greift auch kontroverse Themen auf, ohne die Pointen in Zuckerwatte zu ersticken. Und recht hat er: Dem Charismatiker kann man ohnehin nicht böse sein.
Nur ein einziges Mal ging Noah in Genf zu weit, als er erklärte: «Ihr gehört doch zu Frankreich.» Das Publikum antwortete mit einem lauten Buh-Konzert. Worauf sich Noah amüsiert doch noch rechtfertigte: «Okay, ich sage nicht, dass ihr zu Frankreich gehört. Aber wenn man die Landkarte anschaut, dann sieht man schon, wo eure Stadt liegt.»