Moderator ringt mit dem Zeitgeist Thomas Gottschalk: «Ich habe Frauen im TV rein dienstlich angefasst»

jke

12.10.2024

Thomas Gottschalk moderierte zwischen 1987 und 2023 151 Mal «Wetten, dass..?». (Archivbild)
Thomas Gottschalk moderierte zwischen 1987 und 2023 151 Mal «Wetten, dass..?». (Archivbild)
Rolf Vennenbernd/dpa

Thomas Gottschalk reflektiert über den Wandel der Gesellschaft. Zwischen Kritik am Zeitgeist und Selbstreflexion kämpft der Entertainer mit seinem eigenen Altern und der veränderten Rolle in der Öffentlichkeit.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Thomas Gottschalk kritisiert gendergerechte Sprache und versteht viele moderne Entwicklungen der jüngeren Generation nicht.
  • Er verteidigt sein früheres Verhalten im TV, betont aber, dass er sich heute politisch korrekter verhält.
  • Das Altern und der Bedeutungsverlust im Showbusiness belasten Gottschalk.
  • Trotz der wachsenden Distanz zu jüngeren Generationen hält er an seiner Position in der Unterhaltungswelt fest.

Thomas Gottschalk, einer der bekanntesten Entertainer Deutschlands, der vor allem durch seine Moderation von «Wetten, dass..?» über Jahrzehnte hinweg zur Kultfigur wurde, steht heute vor einer neuen Herausforderung: dem Wandel des Zeitgeists.

In einem Interview mit dem «Spiegel» reflektiert er über den heutigen Umgang mit Sprache und Kultur und macht keinen Hehl daraus, dass ihm viele Entwicklungen der jüngeren Generation fremd erscheinen.

«Es ist kein Hadern. Ich verstehe den Zeitgeist nur nicht und suche nach Erklärungen,» sagt Gottschalk, als er über seine Schwierigkeiten spricht, mit neuen sprachlichen Trends zurechtzukommen. Besonders irritiert ihn die gendergerechte Sprache: «Warum soll ich ‹Zuschauende› sagen, wenn ich mit ‹Zuschauern› alle meine, die da vor dem Bildschirm sitzen?»

Gottschalk ringt mit Veränderungen

Gottschalk, der einst als ewig jugendlicher Moderator bekannt war, stellt fest: «In meinem Podcast habe ich bemerkt, dass Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz bei der jungen Generation populärer ist als Jimi Hendrix. Die jungen Leute sollen Jimi Hendrix ja nicht hören, sie sollten ihn nur kennen. Das ist eine Frage der Allgemeinbildung.»

Gottschalk scheint mit den Veränderungen in der Gesellschaft zu ringen. Dabei betont er, dass er sich weniger beklage, sondern einfach feststelle, dass «es mal anders war». Und er versucht zu präzisieren: «Ich kritisiere die Jugend nicht. Ich stelle nur fest: Was die sagen, ist nicht meins.»

Ein besonders kontroverses Thema ist sein Umgang mit der #MeToo-Bewegung und der Kritik an früherem Verhalten im Fernsehen. Im «Spiegel»-Interview wird er mit alten «Wetten, dass..?»-Clips konfrontiert, in denen er weiblichen Gästen, darunter den Spice Girls, ans Knie fasst.

«Kein sexuelles Interesse an den Spice Girls»

Gottschalk verteidigt sich mit der Aussage, dass diese Gesten rein «dienstlich» gewesen seien: «Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich nur zweimal jemandem ans Knie gefasst. Die eine war Steffi Graf ...» und fügt hinzu: «Ich hatte kein sexuelles Interesse an den Spice Girls. Ich habe Frauen im TV rein dienstlich angefasst. Wie ein Schauspieler, der im Film küsst, weil es im Drehbuch steht. Das lasse ich mir nicht als Attacke vorwerfen.»

Dabei gesteht er aber auch ein, dass er sich der veränderten gesellschaftlichen Normen bewusst ist: «Trotzdem würde ich das heute bleiben lassen, weil ich weiss, dass gewisse Dinge mittlerweile politisch inkorrekt sind, die es damals nicht waren.»

Gottschalk ist überzeugt, dass er persönlich nie eine Grenze überschritten habe. Die Frage, wie sich sein Verhalten im Laufe der Zeit an die neuen gesellschaftlichen Erwartungen angepasst hat, bleibt dennoch ein zentrales Thema in seiner Selbstreflexion. 

Zustimmung aus dem AfD-Umfeld

Neben den Diskussionen um Zeitgeist und politisch korrektes Verhalten ist es auch das eigene Altern, das Gottschalk beschäftigt. Einst der jugendliche Showmaster, der Generationen vor den Bildschirmen vereinte, muss er sich heute mit einem anderen Bild seiner selbst auseinandersetzen.

Auf die Frage, ob er verbittert sei, antwortet er aber: «Bin ich nicht, warum auch.» Doch es scheint, als ob der Bedeutungsverlust, den viele Menschen –nicht nur Prominente – im Alter erfahren, auch an ihm nicht spurlos vorbeigeht. «Ich war früher trittsicher, heute bin ich es nicht immer,» erzählt er, als er über die Herausforderungen des Alters spricht.

Als ihn der «Spiegel» mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er Zustimmung aus dem AfD-Umfeld erhalte, gibt sich Gottschalk erstaunt: «Das höre ich zum ersten Mal. Ich kann nichts dagegen tun, wenn jemand meiner Meinung ist, den ich nicht mag.» Er selbst bezeichne sich als konservativ, nicht rechts.

Welt dreht sich weiter

Nachdem Gottschalk über die Schwierigkeit spricht, heute verstanden zu werden, macht er deutlich, dass ihm die Meinungen von Aussenstehenden nur begrenzt wichtig sind.

Für ihn zählt eher der Zuspruch, den er im echten Leben erhält, als das, was online über ihn gesagt wird. «Es gibt genügend Menschen, die sich mit mir fotografieren lassen wollen und mir auf die Schulter klopfen. Da muss ich nicht googeln, wer mich scheisse findet.»

Trotz der Veränderungen hält Thomas Gottschalk fest an seiner Position in der Unterhaltungslandschaft, während er auf dem schmalen Grat zwischen nostalgischem Blick zurück und der Erkenntnis balanciert, dass sich die Welt ohne ihn weiterdreht – manchmal vielleicht schneller, als ihm lieb ist.

Thomas Gottschalk verabschiedet sich von Wetten Dass..?