«Tatort»-Check Hat die Schweiz ein Mafia-Problem?

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30.4.2023

Im «Tatort: Seilschaft» aus Zürich schien – zumindest auf den ersten Blick – die Mafia ihr Unwesen zu treiben. Der Verdacht entpuppte sich als falsch. Doch wie verbreitet ist die Mafia in der Schweiz wirklich?

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Nein, letztendlich war es nicht die Mafia, die einem Charity-Veranstalter eine Kugel durch den Kopf gejagt, dessen Kollegen im Zürichsee ertränkt und schliesslich auch noch die Leiterin eines Jugendheims ermordet hatte.

In «Seilschaft», dem fünften Fall der Schweizer «Tatort»-Ermittlerinnen Grandjean und Ott, sann stattdessen eine junge Frau auf Rache – und führte die Polizei mit ihren brutalen Methoden mächtig an der Nase herum.

Der Verdacht auf die Involvierung der kalabrischen 'Ndrangheta sorgte für Aufregung, sogar ein Mafia-Experte wurde nach Zürich bestellt. Doch wie gross ist die Gefahr wirklich, die in der Schweiz von organisiertem Verbrechen ausgeht?

Worum ging es?

Ein Mord am Gastgeber einer Charity-Veranstaltung führte Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) in ein Nobelhotel am Zürichsee. James McDermott (David Chrisman) wurde nach der Spendengala in seinem Hotelzimmer erschossen. Vieles deutete darauf hin, dass die Mafia ihre Finger im Spiel hat: Am Tatort waren keinerlei Spuren zu finden – auch nicht am Fuss des Opfers, obwohl McDermotts Zehen abgetrennt worden waren.

Dass die fein säuberlich abgeschnittenen Glieder wenig später anonym zum Veranstalter des Events, Dominic Mercier (Leonardo Nigro), geliefert wurden, liess die Ermittlerinnen ein persönliches Motiv zunächst ausschliessen: Mercier und McDermott waren lediglich Geschäftspartner, keine Freunde.

Der Verdacht auf organisierte Kriminalität verhärtete sich, als bereits am nächsten Tag einer der Hauptsponsoren des Spendenabends tot aufgefunden wurde. Die Sache schien klar – auch für Jürg Wettstein (Elidan Arzoni), einen Mafia-Experten aus Bern, den die Zürcher Polizei zurate gezogen hatte.

Worum ging es wirklich?

Während Grandjean mit Wettsteins Hilfe ein Geldwäsche-Netzwerk aufdeckt, klickt sich ihre Kollegin durch das Darknet und streift, in der festen Überzeugung eine persönliche Bindung zum Fall zu haben, nach Feierabend allein durch verlassene Gärten. Und tatsächlich: Die Kommissarin scheint den richtigen Riecher zu haben.

Wie sich im Laufe des Films herausstellt, ist der Fall eben doch ein wenig komplexer als angenommen: Die Ermittlungen führen Ott und schliesslich auch Grandjean in ein Jugendheim. Dort, so berichtet einer der Mitarbeiter, seien vor einiger Zeit immer wieder junge Mädchen verschwunden.

Erst, als den Kommissarinnen klar wird, welcher Zusammenhang zwischen den vermissten Jugendlichen, einer getöteten Heimleiterin und den ermordeten Philanthropen besteht, entfaltet sich die volle Tragik eines Falls, in dem sich die Opfer letztlich als die wahren Täter entpuppen: Die getöteten Männer waren verstrickt in die Entführung einer Jugendlichen. Bei der Mordserie handelte es sich nicht um Mafia-Verbrechen – sondern um den Rachefeldzug der Schwester des verschleppten Mädchens.

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Wie verbreitet ist die Mafia in der Schweiz wirklich?

Zwar entpuppte sich der vermeintliche Täter im neuen Zürich-«Tatort» als Täterin, die gar nichts mit der Mafia am Hut hatte. Trotzdem waren die Ermittlerinnen beim Verdacht auf eine Beteiligung der Mafia schnell in Alarmbereitschaft.

Und das völlig zu Recht: Laut dem deutschen Bundeskriminalamt sind in ganz Europa zahlreiche, verschiedene Gruppierungen der organisierten Kriminalität aktiv – darunter die auch im Film genannte 'Ndrangheta aus Kalabrien, die neapolitanische Camorra, die Cosa Nostra aus Sizilien. Zudem existieren mehrere Strukturen, die der «russisch-eurasischen organisierten Kriminalität» zugeordnet werden können.

Der Schweizer Polizeibehörde Fedpol zufolge ist vor allem die 'Ndrangheta in der Schweiz aktiv, die laut Definition für die Vereinigung der kalabrischen Mafia in Italien steht. Ihr Netzwerk erscheint unermesslich gross zu sein, ein geschätzter Jahresumsatz der Organisation soll sich auf mehr als
50 Milliarden Euro belaufen. Schon seit Längerem warnen die italienischen Behörden davor, dass sich die Mafia zunehmend auch in die Schweiz ausbreitet.

In den vergangenen Jahren wurden in der Schweiz immer wieder Personen im Zusammenhang mit organisierten Verbrechen festgenommen – Fedpol zufolge unter anderem in den Kantonen Zürich, Tessin und Graubünden. Laut Berichten des SRF nutzt die Mafia ihre Standorte in der Schweiz nicht nur, um vor Ort tätig zu werden, sondern auch, um Aktionen in Italien zu planen.

Wie geht die Schweiz gegen Organisiertes Verbrechen vor?

«Wir haben ein echtes Problem, das wir nur mit mehr nationaler und internationaler Zusammenarbeit lösen können», erklärte Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle 2021 im Rahmen der Eröffnung des «Observatoriums für organisierte Kriminalität» im Tessin. Das durch das Tessiner Fernsehen RSI und die Universität Tessin ins Leben gerufene Kompetenzzentrum zählt zu den zahlreichen Bemühungen, auf die Bedrohung durch organisierte Kriminalität aufmerksam zu machen.

Auch auf gesetzlicher Ebene hat die Schweiz der Mafia den Kampf angesagt: 2022 hat das Land seine Strafnorm für kriminelle Organisationen verschärft. Seitdem sind für die Beteiligung an einer solchen Gruppierung bis zu 20 Jahre im Gefängnis vorgesehen – ein deutliches Signal, das allerdings eine Verhaftung der Mitglieder voraussetzt.

Bis es zu einer Festnahme kommt, kann jedoch viel Zeit vergehen: Wie es auf einer offiziellen Webseite von Fedpol heisst, gehört die «Observation» zu den effektivsten Mitteln im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. In den meisten Fällen heisst das: Beobachten und Abwarten.

Wie geht es mit dem Zürich-«Tatort» weiter?

In Fall sechs sollen es die Ermittlerinnen mit einem Serientäter zu tun bekommen. «Tessa und Isabelle finden sich plötzlich in einem atemlosen Rennen gegen die Zeit wieder, um die Mordserie zu stoppen. Nicht nur eingefleischte ‹Tatort›-Fans, sondern auch Actionfreunde kommen dabei voll auf ihre Kosten», verriet «Tatort»-Projektleiterin Gabriella de Gara von SRF während der Dreharbeiten gegenüber «Blick».

Regie führte abermals Tobais Ineichen; das Drehbuch lieferten erneut Claudia Pütz und Karin Heberlein. Ein Ausstrahlungstermin ist noch nicht bekannt.