Reichster Mann kauft Social-Media-Dienst Wie wird sich Twitter unter Elon Musk verändern?

Von Dirk Jacquemien

26.4.2022

Elon Musk hat es geschafft. Sein neustes Spielzeug heisst Twitter.
Elon Musk hat es geschafft. Sein neustes Spielzeug heisst Twitter.
Bild: Keystone

Twitter gehört jetzt Elon Musk. Wie wird sich die Social-Media-Plattform verändern? Und kommt jetzt Donald Trump zurück?

Von Dirk Jacquemien

Er hat es wirklich wahr gemacht: Elon Musk hat Twitter gekauft, für 44 Milliarden Dollar. Der grösste Teil davon stammt aus seinem Privatvermögen. Rein wirtschaftlich scheint der Deal wenig Sinn zu machen, Twitter fährt kaum Gewinne ein.

Doch Musk geht es nach eigener Aussage nicht ums Geld. Er sieht sich auf einer Mission. «Die Meinungsfreiheit ist der Grundstein einer funktionierenden Demokratie und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die wichtigsten Dinge zur Zukunft der Menschheit debattiert werden», lässt sich Musk in der Übernahmeankündigung zitieren.

Was wird nun auf Twitter erlaubt sein?

Allgemein wird erwartet, dass Musk vor allem die Moderation von Inhalten zurückschrauben will. Doch was das konkret bedeutet, ist offen. Twitter und andere Social-Media-Unternehmen sind in den letzten Jahren verstärkt gegen Hassrede und Desinformation vorgegangen, mit Löschung von Beiträgen und Sperrung von Nutzer*innen.

Scheinbar, und Musk ist hier wie gesagt bisher nicht konkret geworden, könnte es bei Twitter nun eine Trendwende geben und die Plattform wieder mehr, vorsichtig ausgedrückt, kontroverse Inhalte erlauben.

Musk sagte in einem Interview unmittelbar nach Bekanntgabe seine Übernahmeinteresses, dass sich Twitter unter ihm natürlich an die örtlichen Gesetze halten werde. Über das Gesetz hinausgehende Einschränkungen der Meinungsfreiheit seien jedoch «ziemlich gefährlich», so Musk.

Freie Fahrt für Extremisten?

Hassrede, Holocaustleugnung, wüste Beleidigungen, all das ist in den USA gesetzlich erlaubt. Würde Musk die reine Gesetzeslage als Richtschnur nehmen, könnte Twitter bald von Extremisten überrannt werden. Es hat schon einen Grund, warum die grossen Social-Media-Plattformen von der absoluten Meinungsfreiheit in den letzten Jahren abgerückt sind.

Denn kein seriöses Unternehmen möchte seine Anzeigen neben einem Nazi-Tweet sehen. Nun mögen Musk die Werbeeinnahmen vielleicht egal sein. Doch eine weitgehende Rücknahme der Inhaltsmoderation könnte paradoxerweise zu weniger Meinungsäusserungen auf Twitter führen.

Denn wenn die extremsten Stimmen eine Plattform dominieren, werden «normale» Nutzer*innen abgeschreckt und ziehen sich vielleicht von Twitter zurück. Die von Musk so geschätzte «Debatte» auf Twitter wäre damit enger und gesellschaftlich irrelevanter.

Elon Musk kauft Twitter für 44 Milliarden Dollar auf

Elon Musk kauft Twitter für 44 Milliarden Dollar auf

Der High-Tech-Unternehmer Elon Musk kauft den Kurzbotschaftendienst Twitter für rund 44 Milliarden Dollar auf. Wie das Internet-Unternehmen mitteilte, wird Musk 54,20 Dollar pro Nutzer berappen.

26.04.2022

Und schliesslich funktioniert Musks mutmasslicher Ansatz nur in den USA. Der erst am Wochenende von der EU beschlossene Digital Services Act verstärkt etwa beispielsweise die Verpflichtungen von Social-Media-Firmen, gegen Hassrede vorzugehen. Möglicherweise wird es dann auf den beiden Seiten des Atlantik de facto verschiedene Twitter-Versionen geben müssen.

Kommt Trump zurück?

Am konkretesten wird das obige Dilemma natürlich am Schicksal von Donald J. Trump. Dieser wurde nach seinem Aufruf zum Aufstand am 6. Januar 2021 von Twitter (sowie Facebook und YouTube) permanent gesperrt. Gegen die Verbannung, die Trump als grosses Unrecht empfindet, klagte der abgewählte Präsident erfolglos.

Musk hat sich nicht dazu geäussert, wie er mit Trump umgehen will. Nun sagt aber Trump, er wolle gar nicht mehr zu Twitter zurückkehren. Stattdessen werde er auf seiner eigenen Plattform Truth Social bleiben. Truth Social wurde vor knapp zwei Monaten lanciert und ist, wie alle anderen bisherigen Twitter-Alternativen, ein völliger Reinfall. Es gibt kaum aktive Nutzer*innen und Trump selbst hat bisher nur einen einzigen Post abgesetzt.

Trumps Behauptung, freiwillig auf Twitter verzichten zu wollen, ist daher völlig unglaubwürdig. Es ist unvorstellbar, dass er der grossen Bühne Twitter widerstehen könnte, wenn sie ihm wieder angeboten würde. Gerade wenn er, wie vielfach vermutet, 2024 erneut für das Präsidentenamt kandieren würde. Nichts mag Trump lieber, als seine Feinde zu ärgern – und wo ginge das für ihn besser als auf Twitter?

Kann Musk mit Twitter wirklich machen, was er will?

Selbst als reichster Mensch der Welt ist Elon Musk nicht völlig frei von externen Zwängen. Seine direkte Kontrolle über eine der grössten Medien-Plattformen der Welt wird ihn auch angreifbar machen. Teslas zweitgrösster Absatzmarkt ist beispielsweise China, das Land ist essentiell für den künftigen Erfolg des Elektroauto-Herstellers und damit auch für Musks persönliche Verhältnisse.

Nun ist China überhaupt kein Fan von Meinungsfreiheit, aber sehr begabt darin, zwei scheinbar nicht im Zusammenhang stehende Dinge zu verbinden. Es ist etwa durchaus vorstellbar, dass die chinesische Regierung das Wohlbefinden der Tesla-Geschäfte im Land davon abhängig macht, dass Dissidenten ihre Twitter-Konten weggenommen werden.

Co-Multimilliardär und Musk-Erzrivale Jeff Bezos stichelte schon mal ein bisschen und fragte wenig verholen, ob die chinesische Regierung nun Einfluss auf den öffentlichen Marktplatz Twitter habe.

Wer wird Twitter-Chef?

Elon Musk ist derzeit CEO von Tesla, SpaceX und dem Gehirnchip-Entwickler Neuralink. Eigentlich dürfte er keine Zeit mehr für einen weiteren Chefposten haben, aber bei Musk weiss man ja nie.

Zunächst wird sich erst mal nichts ändern, es wird erwartet, dass es rund sechs Monate dauert, bis die Transaktion abgeschlossen ist und Musk tatsächlich die Kontrolle übernimmt. In seinen Äusserungen vor der Übernahme hatte Musk bekundet, keinerlei Vertrauen in die Twitter-Führung zu haben.

Das scheint gegen den aktuellen CEO Parag Agrawal zu sprechen. Doch Agrawal ist ein enger Vertrauter von Twitter-Gründer Jack Dorsey und Dorsey wiederum wird ein freundschaftliches Verhältnis zu Musk nachgesagt. Sein Ende als CEO ist also noch nicht besiegelt.

Muss sich Musk neue Mitarbeiter*innen suchen?

Probleme dürfte Musk aber auch mit der Belegschaft bekommen. Zum einen dürften vielen die mutmasslich von Musk geplanten Richtungsänderungen nicht schmecken und deshalb aus moralischen oder politischen Gründen das Unternehmen verlassen. Allen Bekundungen zur absoluten Meinungsfreiheit zum Trotz zeigte Musk zudem bei seinen anderen Unternehmen wenig Toleranz für Dissens und verklagte schon mal kritische Mitarbeiter*innen.

Zum anderen geht es natürlich auch ums Geld. Bei Jobs im Silicon Valley machen Aktienoptionen einen grossen Teil der Entlohnung aus, teilweise mehr als 50 Prozent. Diese fallen bei einem nicht mehr börsennotierten Unternehmen natürlich weg. Musk müsste seinen Angestellten also ein viel höheres Grundgehalt als bisher zahlen, um die heiss begehrten Fachkräfte zu halten.

Das wiederum würde die Betriebskosten massiv erhöhen. Musk mag betonen, dass es ihm nicht ums Geld gehe. Aber wenn Twitter Jahr für Jahr Milliardenverluste schreibt, könnte das selbst dem reichsten Menschen der Welt Probleme bereiten.