Vertrauter von Jack Dorsey Was will der neue Twitter-Chef?

Von Dirk Jacquemien

30.11.2021

In der Öffentlichkeit ist Parag Agrawal bisher eher selten aufgetreten, deshalb gibt es nur Porträtfotos von ihm.
In der Öffentlichkeit ist Parag Agrawal bisher eher selten aufgetreten, deshalb gibt es nur Porträtfotos von ihm.
Keystone

Nach dem plötzlichen Rücktritt von Twitter-Chef Jack Dorsey richten sich nun alle Augen auf seinen weitgehend unbekannten Nachfolger Parag Agrawal.

Von Dirk Jacquemien

Der sofortige Rücktritt von Twitter-Chef und -Mitbegründer Jack Dorsey sorgte gestern für Aufregung. Dorsey stand zwar schon seit einiger Zeit vor allem wegen seiner zusätzlichen Position als Chef des Zahlungsdienstleisters Square — dessen CEO er bleibt — in der Kritik und ihm wurde nachgesagt, amtsmüde zu sein. Aber dass er so plötzlich hinwirft, überraschte dann schon.

Zumindest für Aussenstehende überraschend war auch die Wahl des Nachfolgers. Der 37-jährige Parag Agrawal übernimmt die Position per sofort. Er war zuvor Chief Technology Officer (CTO) bei Twitter und galt als enger Dorsey-Vertrauter. Doch selbst in der Fachöffentlichkeit ist Agrawal weitgehend unbekannt.

Verantwortlich für Zukunftsprojekte

Agrawal machte seinen Bachelor-Abschluss in seinem Heimatland Indien und zog dann für das Master-Studium in die USA — ein Lebenslauf, den er mit weiteren mächtigen Tech-Bossen wie Microsoft-Chef Satya Nadella und Google-CEO Sundar Pichai teilt. Seit 2011 ist er bei Twitter und arbeitete sich vom Programmierer bis 2017 zum CTO hoch.

Dorsey übertrug Agrawal immer wieder Aufgaben, die er als elementar für die Zukunft des Unternehmens ansah. So leitete Agrawal das «Bluesky»-Projekt, mit dem die Twitter-Plattform dezentralisiert werden soll. Agrawal hatte auch die Aufsicht über die Bestrebungen von Twitter in Bezug auf Kryptowährungen.

Bei Jack Dorsey hatten Beobachter*innen schon länger das Gefühl, dass er nicht mehr mit ganzem Herzen dabei war.
Bei Jack Dorsey hatten Beobachter*innen schon länger das Gefühl, dass er nicht mehr mit ganzem Herzen dabei war.
Keystone

Sein Arbeitsalltag wird hart

Doch wird sich Agrawal kaum auf ambitionierte Zukunftsprojekte konzentrieren können, sondern muss vor allem die harte Alltagsarbeit eines CEO verrichten. Wer Chef eines Social-Media-Unternehmens sein will, muss vor allem in der Lage sein, mit politisch heiklen Situationen umgehen zu können. Als eines der Leitmedien für die öffentliche Debatte vor allem in den USA steht Twitter hier unter besonderer Beobachtung.

Dorsey wurde regelmässig vor den Kongress zitiert. Die Abgeordneten interessieren sich wenig für technische Details, sondern verlangen je nach gegenwärtiger politischer Windrichtung entweder mehr oder weniger Zensur. Mit diesem Druck wird Agrawal umgehen müssen. Und schliesslich ist die Twitter-Verbannung von Donald Trump immer noch nicht abgeschlossen — der abgewählte Präsident klagt auf Wiedereinlass.

Auch wirtschaftlich gibt es bei Twitter Verbesserungsbedarf. Während Dorseys Amtszeit seit 2015 ist der Twitter-Kurs um rund 75 Prozent gestiegen. Das mag für ein konventionelles Unternehmen eine sehr gute Entwicklung sein, im Vergleich zu anderen grossen Tech-Firmen ist die Performance aber quasi desaströs. Microsoft konnte etwa ein Plus von 640 Prozent verzeichnen. Selbst der breit aufgestellte Börsenindex S&P 500 war in dem Zeitraum 140 Prozent im Grünen.