Erschreckende Studienzahlen Ein Viertel denkt an Suizid – so verheerend ist Cybermobbing

dpa

23.10.2024 - 10:35

Viele Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind von Cybermobbing betroffen. (Symbolbild)
Viele Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind von Cybermobbing betroffen. (Symbolbild)
dpa

Immer mehr Kinder und Jugendliche werden im digitalen Raum bedroht, belästigt und blossgestellt. Eine aktuelle Befragung zeigt: Eltern und Schulen sind häufig mit dem Phänomen überfordert.

Einer aktuellen Erhebung zufolge sind fast ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland von Cybermobbing betroffen. In der Schweiz sieht es ähnlich aus. Seit Corona steigen die Zahlen.

Demnach ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler zwischen 7 und 20 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon mindestens einmal Cybermobbing erlebt haben, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2022 um 1,8 Prozentpunkte auf aktuell 18,5 Prozent gestiegen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, sehen die Experten eine klare Verschärfung der Lage: Im Jahr 2017 hatten noch 12,7 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler entsprechende Angaben gemacht.

Schulen reagieren laut Studie zu zögerlich

Unter Cybermobbing fällt  «die Beleidigung, Bedrohung, Blossstellung oder Belästigung von Personen mithilfe von Kommunikationsmedien». Die gesellschaftlichen Auswirkungen werden immer noch stark unterschätzt. Eltern seien «überfordert, die Lehrkräfte zu wenig darauf vorbereitet und die Schulen zu zögerlich in der Reaktion», heisst es als Fazit in der Studie.

Für die aktuelle Analyse wurden zwischen Mai und Juni dieses Jahres 4'213 Schülerinnen und Schüler, 637 Lehrer und 1'061 Erziehungsberechtigte online befragt. 

Was die Experten besonders alarmiert: 13 Prozent der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen gaben an, aus Verzweiflung schon einmal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen zu haben. Mehr als jeder vierte Betroffene habe Suizidgedanken (26 Prozent) geäussert.

Hass ins Leere laufen lassen

Doch wie geht man als Betroffener, Freund oder Angehöriger nun am besten mit einer solchen Situation um? Entdeckt man einen beleidigenden Kommentar, gilt es zunächst, tief einzuatmen und die Ruhe zu bewahren. Man sollte nie im Affekt handeln und schon gar nicht mit Beleidigungen reagieren. Verfasser von Hate-Kommentaren erhoffen sich durch ihre Provokationen eine Reaktion – diesen Wunsch sollte man ihnen nicht erfüllen.

Die erste Strategie gegen Hatespeech ist deshalb einfach: nicht reagieren. Dieses sogenannte «Disempowerment» zielt darauf ab, den wütenden Kommentarschreibern die erhoffte Aufmerksamkeit nicht zuzugestehen. Ihr Hass läuft so einfach ins Leere. Das bedeutet aber nicht, dass man nichts tun sollte. Beleidigende User sollten blockiert und der jeweiligen Plattform gemeldet werden.

Gemeinsam gegen Hatespeech

Es ist auch möglich, gezielt auf Hasskommentare zu antworten durch sogenannte Counter Speech. Hasskommentare zu kontern, ist wichtig, dabei gilt die Antwort nicht den Hatern, sondern bietet stillen Drittlesern eine alternative Sichtweise an. Es ist zentral, dass man beim Verfassen von Counter Speech anständig und faktenbasiert bleibt. Sich auf lange Diskussionen mit Hatern einzulassen, lohnt sich indes nicht.

Wer mit Hatespeech konfrontiert ist, kann Freundinnen und Freunde animieren, mit positiven Nachrichten gegen den Hass anzuschreiben. Dieses «Empowerment» überfordert die Hater oft, sodass sie die Diskussion abbrechen und sich zurückziehen.

Counter Speech ist jedoch auch ein Akt der Zivilcourage, jede und jeder kann sich in den sozialen Medien also für Opfer von Hatespeech einsetzen, auch ohne die betroffene Person persönlich zu kennen. Umso mehr Counter Speech ein Hasskommentar erhält, desto mehr geht Hatespeech darin unter.

Wer gerade keine schlagfertige Antwort auf einen hasserfüllten Beitrag parat hat, dem hilft das Internet weiter. Inzwischen gibt es sogar eine extra für Counter Speech entwickelte Meme-Datenbank. Und auch mit dem Sticker «Mute the Hate» lässt sich prägnant und mit Witz gegen Hatespeech vorgehen.

Du bist nicht allein

Egal, mit welcher Strategie man auf Hass im Netz reagiert: Wer Opfer von Cybermobbing oder Hatespeech wird, sollte sich umgehend an eine Vertrauensperson wenden. Freundinnen, Eltern oder Lehrpersonen können im Umgang mit Beleidigungen und Anfeindungen helfen.

Als Eltern sollte man mit seinen Kindern über Cybermobbing sprechen und ihnen zu verstehen geben, dass sie über Hatespeech im Internet sprechen können und auch sollen.

Und schliesslich ist wichtig zu wissen: Hassrede ist in der Schweiz auch im Internet strafbar. Bei besonders groben Fällen von Cybermobbing sollte also die Polizei eingeschaltet werden. Wichtig ist, die Kommentare per Screenshot zu speichern, um sie später als «Beweismaterial» verfügbar zu haben. Durch das Melden der Kommentare verschwinden sie nämlich von der Plattform und sind so oft im Original nicht mehr auffindbar.

dpa