Spielekritik «Disco Elysium»: Die Rollenspiel-Überraschung des Jahres

Von Martin Abgottspon

22.10.2019

«Disco Elysium» zeichnet sich auch durch seinen ganz eigenen Grafikstil aus.
«Disco Elysium» zeichnet sich auch durch seinen ganz eigenen Grafikstil aus.
Bild: ZA/UM

Das Rollenspiel «Disco Elysium» tauchte praktisch aus dem Nichts auf und wurde weltweit mit Lobeshymnen eingedeckt. Dies völlig zurecht.

Ich bin Krimis und Detektiv-Szenarien eher abgeneigt. Ein Mord, einer oder mehrere Ermittler, für mich irgendwie immer das Gleiche. Liegt wohl daran, dass mich der Tathergang oft nicht genug fesselt, egal ob in Buch-, Film- oder Spiele-Form.

Nun liegt «Disco Elysium» aber genau ein solches Szenario zugrunde. Man schlüpft in die Rolle eines alkoholabhängigen Polizisten, der in den Fünfziger-Jahren in einem runtergekommenen Hotel aufwacht. Am Baum hinter dem Hotel baumelt eine Leiche. Klassischer könnte der Fall kaum sein. Und trotzdem finde ich «Disco Elysium» einfach nur grossartig.

Gameplay

Es liegt wohl weniger an der folgenden Ermittlungsarbeit, als vielmehr den grandios umgesetzten Rollenspiel-Elementen, mit welchen das Spiel punktet. Insgesamt beruht das Charaktersystem auf 24 unterschiedlichen Fähigkeiten, die sich grob in die vier Hauptausprägungen «Intelligenz», «Psyche», «Physis» und «Motorik» unterteilen lassen.

Je nachdem, wie man nun anfänglich seine Punkte verteilt, spielt sich das ganze Detektivspiel komplett anders. Wer wie ich auf Intelligenz setzt, wird bei Ermittlungsgesprächen beispielsweise oft logische Schlüsse ziehen oder Tathergänge rekunstrieren können, die einem sonst vielleicht verwehrt blieben. Dafür scheitert man aufgrund der schwachen Physis bereits daran, ein Schuppentor mit einer Brechstange aufzubrechen.

«Disco Elysium» schafft es dadurch, komplett in seine Rolle einzutauchen. Wer im Spiel vorankommen will, muss das auch. Es gibt zwar kein klassisches Kampfsystem, bei welchem man sterben könnte, trotzdem wird man körperlich und auch moralisch bei seinen Aktionen und Dialogen immer wieder auf die Probe gestellt und das Spiel kann durchaus auch ein ungewollt frühes Ende finden, weil unser Charakter aufgrund seines seelischen Zustands sich zum Beispiel für ein Karriereende entscheidet.



Grafik und Sound

Die isometrische Ansicht gepaart mit den schwammigen Pastelltönen wirkt im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig. Nach kurzer Zeit untermalen sie das ganze Setting aber auf hervorragende Art und Weise und lenken auch nicht vom Kern des Spiels – der Story – ab.

Die hervorragend geschriebenen Texte und auch das gut umgesetzte Voice Acting runden den Spielspass ab. Man muss sich allerdings wirklich auf sehr viel Lesearbeit einstellen. Etwas schade ist auch, dass es bis anhin keine deutsche Übersetzung des Spiels gibt. 

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