Neuer Chef richtet Chaos an Elon allein zu Haus bei Twitter

Von Dirk Jacquemien

31.10.2022

«Chief Twit» Elon Musk verliert keine Zeit.
«Chief Twit» Elon Musk verliert keine Zeit.
Getty Images

Elon Musk lässt alle wissen, wer jetzt der Boss bei Twitter ist. Am ersten Wochenende erzeugt er jedenfalls schon mal das Musk-typische Mass an Aufruhr und Chaos.

Von Dirk Jacquemien

Es war natürlich abzusehen: An seinem ersten Wochenende als Eigentümer und Interims-CEO machte Tech-Mogul Elon Musk seinem Ruf alle Ehre und sorgte für ordentlich Aufregung bei Twitter und dessen Mitarbeiter*innen und Nutzer*innen.

Die weit verbreiteten Sorgen, mit Musk an der Spitze werde es noch mehr Raum für Desinformation auf Twitter geben, scheinen jedenfalls begründet zu sein. So twitterte Musk unaufgefordert einen Link zu einer Fake-News-Story über den Angriff auf den Ehemann der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi.

Dieselbe Website hatte zuvor «berichtet», dass Hillary Clinton 2016 gestorben und durch eine Doppelgängerin ersetzt worden sei. Nach ordentlich Aufruhr löschte Musk den Tweet kommentarlos, konnte sich aber nicht verkneifen, später über den Vorfall zu witzeln.

Blauer Haken für alle

Bei Werbekund*innen, die um ihr Image besorgt sind und die er Donnerstag noch beschwichtigen wollte, dürfte diese Aktion nicht so gut ankommen. Aber Musk will ja auch einen viel grösseren Teil der Twitter-Einahmen über Abo-Gebühren erwirtschaften.

Zum Beispiel über die Verifizierung von Twitter-Konten, signalisiert durch einen blauen Haken neben dem Namen einer/s Twitter Nutzer*in. Das soll künftig 20 Dollar im Monat kosten und dann nicht mehr nur «Prominenten» im weitesten Sinne zugänglich sein. Und wer jetzt bereits einen blauen Haken hat und nicht bereit ist in die Tasche zu greifen, soll ihn in 90 Tagen verlieren.

Unklar ist allerdings, wie attraktiv ein blauer Haken ist, den sich jeder kaufen kann. Die Verifizierung auf Twitter signalisierte bisher durch ihre Exklusivität ein gewisses Level an Status und Prestige, das nicht mehr zu halten wäre. Denn wie jedes Wochenende in den Fussballstadien zu sehen ist: Wer fürs VIP-Ticket bezahlen muss, ist in der Regel kein VIP.

Programmierer mit Pistole auf der Brust

Schon in einer Woche soll diese Funktion aktiv sein, hat Musk laut «The Verge» den dafür zuständigen Programmierer*innen gesagt. Halten sie diesen Zeitplan nicht ein, sollen sie gefeuert werden – eine eher aus dem Manchester des 19. Jahrhunderts bekannte Form der Arbeitsmotivation. Dass es aber generell zu Massenentlassungen kommen soll, hat Musk erst mal verneint.

Stattdessen plante er offenbar, sich mit den Twitter-Programmierer*innen einzeln zu beschäftigen. Wie «Plattformer» berichtet, wurden diese zunächst angewiesen, fünfzig Seiten mit von ihnen geschriebenem Code auszudrucken, damit Musk persönlich darüber schauen könne. Später wurden die Programmierer*innen aufgefordert, das ganze Papier in den Aktenvernichter zu geben.

Manager wegen «Fehlverhalten» gefeuert

Direkt am ersten Tag hat Musk jedoch das bisherige Spitzenpersonal entlassen, darunter auch CEO Parag Agarwal. Nun kam über die «New York Times» heraus, dass Musk «Fehlverhalten» als Kündigungsgrund angegeben hat, was praktischerweise dazu führen würde, dass er die teils achtstelligen vertraglich zugesicherten Abfindungen nicht zahlen müsste.

Es ist aber unklar, welches Fehlverhalten Musk den ehemaligen Twitter-Anführer*innen vorhält. Denn nach allen Massstäben für Manager börsennotierter Unternehmen haben sie ihre Hauptaufgabe — das finanzielle Wohlergehen der Twitter-Aktionär*innen zu fördern — bravourös gemeistert.

Dadurch, dass sie Musk vorgerichtlich niederrangen, musste dieser geschätzt das Doppelte für Twitter zahlen, als es derzeit auf dem freien Markt wert wäre. Elon Musk an die Wand zu spielen, ist allerdings kein kündigungsrelevantes Fehlverhalten, hier wird Musk sich also wohl gleich direkt den nächsten Prozess einfangen.