Rückkehr zu Twitter «Donald Trump passt gut in dieses Trollhaus rein»

Von Andreas Fischer

11.5.2022

Musk will Sperre für Trump aufheben

Musk will Sperre für Trump aufheben

Die damalige Entscheidung sei «moralisch falsch und schlicht dumm» gewesen und hätte Trumps Ansichten im rechten politischen Spektrum nur mehr Gehör verschafft, so der Tesla-Chef.

11.05.2022

Donald Trump kann auf sein Comeback hoffen: Wenn Tech-Milliardär Elon Musk Twitter kauft, will er die Sperre des früheren US-Präsidenten wieder aufheben. Eine Soziologin fände das gar nicht so dumm.

Von Andreas Fischer

Elon Musk will den Kurznachrichtendienst Twitter bei erfolgreicher Übernahme merklich umbauen – mit Klarnamen, Abo-Modellen und der Möglichkeit, bereits veröffentlichte Einträge zu bearbeiten. Vor allem aber soll Twitter eine Plattform für absolute Meinungsfreiheit werden. Jeder darf sagen, was er denkt – auch Donald Trump, dessen Twitter-Konto nach dem Sturm auf das US-Kapitol auf unbestimmte Zeit gesperrt wurde.

Musk will Trumps Sperre aufheben, wenn er das Ruder übernimmt. Ist das eine gute Idee? Die Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich hält es für einen richtigen Schritt.

Zur Person: Katja Rost
John Flury

Katja Rost ist Ordinaria für Soziologie und Privatdozentin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Wirtschafts- und Organisationssoziologie, der digitalen Soziologie, sozialer Netzwerke und Diversität. 

Donald Trump kommt womöglich zurück zu Twitter: Wie finden Sie das?

Ich finde es richtig. Man muss verzeihen können. Donald Trump wurde bestraft, sein Verhalten auf Twitter ist nicht sanktionslos geblieben. Sein Ausschluss von Twitter bedeutete für ihn enorme Reputationskosten. Aber: Will man eine Strafe in alle Ewigkeit? Prinzipiell beruht unser Rechtssystem darauf, dass Delinquenten auch eine Chance zur Wiedereingliederung bekommen.

Also will Elon Musk Donald Trump eine Chance gewähren, sich zu rehabilitieren?

Elon Musk hat immer wieder gesagt, dass es für ihn nicht nur eine Wahrheit gibt. Ganz ehrlich: Auch wenn wir es Demokratie nennen, entwickeln wir uns als Gesellschaft in eine autoritäre Richtung.

Wie meinen Sie das?

Indem bestimmte Meinungen ausgeschlossen werden. Das ist natürlich nicht gut. Es gibt in Demokratien schlicht nicht die eine richtige oder die eine falsche Meinung, sondern unterschiedliche Deutungsmuster. Und die müssen ausdiskutiert werden. Das bedeutet aber, sich mit unangenehmen Meinungen auseinandersetzen zu müssen. Insofern ist es falsch, wenn soziale Netzwerke mit grosser Reichweite unliebsame Meinungen ausschliessen. Das würde uns zu sehr in Richtung totalitäre Regimes führen.

Was ist mit den Grundsätzen des Miteinanders, die auch von Donald Trump immer wieder verletzt werden?

Wenn die allgemeine Auffassung ist: Wir sind alle lieb und gut und ganz divers, dann ist das natürlich okay. Trotzdem muss man Meinungen gelten lassen, die anders sind. Beispielsweise sollte man auch den Menschen zuhören, die sich daran stören, dass Homosexuelle heiraten und Eltern sein dürfen. Natürlich fällt das schwer, wenn man anderer Meinung ist. Es gehört zu einer Demokratie dazu, dass man sich auseinandersetzt. Im besten Fall legen beide Seiten ihre Argumente dar und irgendwann findet man einen Konsens. Und selbst wenn man keinen Konsens findet, wurden zumindest die Argumente angehört.

Wer eine zweite Chance erhalten will, sollte gemeinhin Fehler eingestehen und Reue zeigen. Das sind nicht die grössten Stärken von Donald Trump.

In diesem konkreten Fall sind die Fronten verhärtet. Nicht nur Donald Trump bewegt sich keinen Millimeter. Das macht auch die andere Seite nicht. Sie findet es moralisch falsch, was er sagt, und will ihm die Chance zur Wiedereingliederung nicht geben. Es tut einer Gesellschaft allerdings nicht gut, wenn man nicht mehr aufeinander zugeht. Insofern ist es wichtig, dass irgendjemand den ersten Schritt macht.

Das würde Elon Musk zu einem Brückenbauer machen, oder?

Ja, und zwar symbolisch. Ihm geht es nicht um die Person. Donald Trump ist für Elon Musk nur ein besonders auffälliges Beispiel für Massnahmen zur Meinungsbeschneidung, die in sozialen Medien unter dem Deckmantel der Demokratie stattfinden. Für Musk ist es schlichtweg falsch, solche Meinungen auszuschliessen. Das ist nämlich gefährlich.

Aus welchem Grund?

Die Fronten verhärten sich weiter. Das könnte dazu führen, dass beide Seiten in getrennten sozialen Medien unterwegs sind und sich dort weiter hochschaukeln. Wichtig wäre aber, dass sie sich mit den jeweils anderen Meinungen auseinandersetzen. Das wiederum ist schwierig zu machen mit den Regulierungsgesetzen für soziale Medien.

Diese Gesetze sollen vor allem Hass und Diskriminierungen verhindern.

Es gibt bislang noch keine Mittel, den Aggressionen und der Ideologisierung, die in sozialen Medien entstehen, entgegenzuwirken. Soziale Medien haben technologische Features, die Hass und Frontenbildung als kollektive Verhaltensmuster begünstigen – im Gegensatz zum Stammtisch übrigens. Dennoch: Es ist falsch, darauf zu reagieren, indem man einzelne Meinungen ausschliesst. Die Spaltung der Gesellschaft wird dadurch noch weiter vorangetrieben. Im Prinzip erreicht man damit genau das Gegenteil davon, was man erreichen will. Es ist daher ein richtiger Schritt, Trump bei Twitter wieder zuzulassen.

Das Problem mit Hass und Fake News bei Twitter wird dadurch allerdings nicht gelöst …

Gut ist schon einmal, dass Elon Musk niemanden ausschliessen will und dadurch noch mehr Wut und Aggression verhindert. Ich bin aber gespannt, wie Elon Musk Twitter besser machen will. Wie er Fake News und Desinformation, Blasenbildung und gegenseitigen Beschimpfungen entgegenwirken will. Ich hoffe sehr, dass er einen Plan hat und kreative Lösungen findet.

Teilen Sie Befürchtungen, dass Twitter endgültig zu einem Trollhaus wird, wenn Musk übernimmt?

Das ist es doch jetzt schon. Selbst Intellektuelle beschimpfen sich auf Twitter. Wer die «falsche» Meinung vertritt, wird diskriminiert. Ein Beispiel: Hochgebildete Personen haben in der Corona-Pandemie Nazivergleiche gemacht, um die lockeren Corona-Massnahmen zu kritisieren. Es ist oft unter der Gürtellinie, was dort passiert. Trump passt gut rein in dieses Trollhaus, das zumindest vom Meinungsspektrum her divers sein sollte. Die Frage ist also eher: Kann das Trollhaus noch schlimmer werden?

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump könnte womöglich bald wieder bei Twitter seine Meinung verbreiten.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump könnte womöglich bald wieder bei Twitter seine Meinung verbreiten.
Joe Maiorana/AP/dpa