Vorwahlen in den USAPolitik als Reality-TV-Show – und Trump in seiner Lieblingsrolle
Von Gil Bieler
7.5.2022
Vorwahlsieg von J.D. Vance ist auch ein Erfolg für Trump
Es ist auch ein Triumph für Donald Trump: Der von ihm unterstützte J.D. Vance ist am Dienstag als Sieger aus einer heiss umkämpften Vorwahl der Republikaner um einen Sitz im US-Senat in Ohio hervorgegangen.
06.05.2022
Vor den wichtigen Zwischenwahlen in den USA lässt Ex-Präsident Donald Trump reihenweise Kandidat*innen in seinem Büro antanzen. Dass es dabei zu fernsehreifen Szenen kommt? Klar. Doch dahinter steckt auch Kalkül.
Von Gil Bieler
07.05.2022, 00:00
07.05.2022, 09:31
Gil Bieler
Bevor Donald Trump in die Politik einstieg, war er den Amerikanerinnen und Amerikanern aus seinem früheren Job bekannt. Nein, weniger als Immobilienunternehmer, sondern als Fernsehstar. Der New Yorker war Gastgeber von «The Apprentice», einer Reality-TV-Show, in der Kandidat*innen ihren Geschäftssinn unter Beweis stellen und die Konkurrenz ausstechen mussten.
Trump beobachtete das Wetteifern als knallharter Richter, und entliess jede und jeden, wenn die Leistung nicht stimmte, mit seinem berühmt gewordenen Spruch: «Du bist gefeuert!»
«The Apprentice» hat Donald Trump berühmt gemacht: Das Intro zur ersten Staffel.
Youtube
Bekanntlich wechselte Trump vom Fernsehstudio ins Weisse Haus, doch die Grenzen zwischen Show und Politik waren beim 45. Präsident der USA fliessend. Und sie sind das immer noch, wie sich dieser Tage in den Vorwahlen der republikanischen Partei zeigt.
Trump mag zwar 2020 aus dem Amt gewählt worden sein, doch er ist nach wie vor der einflussreichste Strippenzieher der konservativen Partei – und gebart sich, als sei er Juror einer Reality-TV-Show. Nur dass jetzt alles hinter verschlossenen Türen abläuft statt vor laufenden Kameras.
Über die wahrscheinlich unvergleichlichen Geschehnisse im amerikanischen Wahlkampf berichtete Shane Goldmacher, Korrespondent der «New York Times», diese Woche ausführlich im «The Daily»-Podcast der renommierten Zeitung.
Wer für die Republikaner antreten will, muss erst in Mar-a-Lago antraben
Dazu muss man wissen: Im November stehen in den USA die wichtigen Zwischenwahlen an, bei denen alle Mitglieder des Repräsentantenhauses, ein Drittel der Senatssitze, Dutzende Gouvernersposten und zahllose kommunale Ämter neu besetzt werden. In den Vorwahlen erküren die beiden grossen Parteien – Trumps Republikaner und die Demokraten von Präsident Joe Biden – ihre offiziellen Kandidat*innen.
Und wer für die Republikaner antreten will, muss erstmal bei Donald Trump antraben.
In Trumps Privatressort Mar-a-lago in Florida geben sich die Kandidat*innen die Klinke in die Hand, berichtet Goldmacher. Ihr Ziel: die offizielle Unterstützung («Endorsement») des Ex-Präsidenten zu erringen. Denn wer Trumps Qualitätsstempel erhält, kann auch die Stimmen von dessen nach wie vor grossen Anhängerschaft einsacken.
Trump lasse reihenweise Republikaner*innen in seinem Büro antanzen und um seine Gunst buhlen, beobachtet der «Times»-Korrespondent. Alle müssten ihm darlegen, wie es um ihre Umfragewerte und ihre Wahlkampffinanzen stehe. «Und Trump fragt sie, ob sie glauben, dass er die Präsidentschaftswahlen 2020 nicht in Wirklichkeit gewonnen habe.» Die Mär von der gestohlenen Wahl lässt den 75-Jährigen offenbar immer noch nicht los.
Manchmal holt Trump gleich mehrere Rival*innen, die um dasselbe Amt kämpfen, gleichzeitig in sein Büro – was zu mitunter bizarren Szenen führt. Ein Meeting mit gleich vier Kandidaten aus Ohio verglich das Magazin «Politico» mit den «Hunger Games». Die vier versuchten, sich vor Trump ins beste Licht zu rücken und gleichzeitig ihre Nebenbuhler auszustechen. Ganz wie in einer TV-Show.
Und Trump? Der gefalle sich in der Rolle desjenigen, der über Karrieren entscheide, sagt Goldmacher. «Das ist seine Lieblingsrolle. Mit der Idee dieser Unterstützung kann er, ohne selber zur Wahl antreten zu müssen, darüber entscheiden, wer ein Gewinner und wer ein Loser ist, wer es in die nächste Runde schafft. Das ist typisch Trump.»
Ein guter Deal für Trump
Natürlich macht Trump all dies nicht nur für sein persönliches Amüsement, sondern verfolgt damit handfeste Interessen. Zum einen schafft er sich so ein Netz aus Verbündeten und Abhängigkeiten, was ihm bei einer allfälligen Kandidatur – und Wiederwahl – 2024 ganz nützlich wäre.
Nebenbei verdient der gewiefte Geschäftsmann damit auch gut: Kandidat*innen müssten eine Stange Geld berappen, um in Mar-a-Lago eine Spendengala für ihren Wahlkampf durchführen zu dürfen. Was ihnen aber weder eine Audienz in Trumps Büro, noch dessen offizielle Rückendeckung im Wahlkampf sichere.
Das offizielle «Endorsement» beschränke sich auf einen 5000-Dollar-Zustupf in die Wahlkampfkasse und ein Zertifikat, dass Donald Trump hinter diesem Kandidaten/dieser Kandidatin stehe. «Sie müssen dann selber schauen, wie sie das beste daraus machen», so Goldmacher.
Und nicht zuletzt sind diese Unterstützungen, die Trump in wohl nie dagewesener Zahl erklärt, ein Test, wie es um seine Popularität an der Parteibasis steht. Bei den Vorwahlen im US-Bundesstaat Ohio setzte sich diese Woche sein bevorzugter Kandidat J.D. Vance durch.
Die nächsten Vorwahlen stehen bereits vor der Tür, unter anderem in Pennsylvania wo Trump nur hauchdünn gegen Joe Biden verloren hatte. Und wen unterstützt er da? Mehmet Oz, einen Arzt mit eigener Fernsehserie – das hat Trump wohl überzeugt.