Kolumne am Mittag Diesem Scharlatan verhalf Kiffen zu Milliarden Dollars

Von Dirk Jacquemien

21.7.2021

Adam Neumann zeigt auf sein Privatkonto.
Adam Neumann zeigt auf sein Privatkonto.
Bild: Getty Images

Ein neues Buch enthüllt mehr der Machenschaften des WeWork-Gründers Adam Neumann, der Milliarden Dollars versenkte, seine Firma an den Rand des Konkurses brachte und sich mit einem goldenen Fallschirm verabschiedete.

Von Dirk Jacquemien

Adam Neumann sprach viel von «We» — uns. Seine Firma WeWork sollte das Büroarbeiten wieder cool machen. 2019 stand der Börsengang an, Grossbanken bewerteten das Unternehmen mit knapp 100 Milliarden Dollar, ein Investor träumte gar von einem Wert von astronomischen zehn Billionen Dollar.

Doch Adam Neumann ging es viel mehr um «Me», um sich selbst, wie das gestern veröffentlichte Buch «The Cult of We» der «Wall Street Journal»-Reporter Eliot Brown und Maureen Farrell aufzeigt.

Verbindungen nach Hollywood

WeWork bietet fertige Büroflächen in Grossstädten zum Anmieten an. Durch modernes Design, eingebaute Coffee Bars und ähnliches soll das Co-Working angenehm gemacht werden. Neumann wollte das «We»-Konzept noch weiter ausbauen, eröffnete mit seiner Frau Rebekah Paltrow Neumann — übrigens eine Cousine von Hollywood-Star Gwyneth Paltrow — beispielsweise auch unter dem Namen WeGrow eine Privatschule in New York.

Neumann, der in einem Kibbuz in Israel aufgewachsen ist, wollte mit WeWork ein «kapitalistisches Kibbuz» erschaffen, eine Gemeinschaft, die Geld macht. Letzteres ist ihm blendend gelungen, zumindest wenn es um sein eigenes Vermögen geht.

Investoren schmeissen Neumann Geld hinterher

Das 2010 gegründete WeWork expandierte rasant. Investoren, darunter renommierte Banken, warfen dem charismatischen Neumann ihr Geld hinterher. Besonders engagiert war Masayoshi Son der japanischen Softbank, die mit ihrem Vision-Fund vor allem saudi-arabische Öl-Milliarden verteilte.

Mit Stars wie Ashton Kutcher fühlte sich Adam Neumann am wohlsten.
Mit Stars wie Ashton Kutcher fühlte sich Adam Neumann am wohlsten.
Bild: Getty Images

Son machte 2016 für zwölf Minuten einen Zwischenstopp im WeWork-Hauptquartier in New York, bevor er den damals frisch gewählten Präsidenten Donald Trump besuchte. Danach steckte Son vier Milliarden Dollar in WeWork.

Son und Neumann hatten grosse Pläne. Der Japaner glaubte, das WeWork 2028 zehn Billionen Dollar wert sein könnte — was etwa dem Vierfachen des aktuell wertvollsten Unternehmen Apple entsprechen würde. Er wies Neumann an, «verrückter» zu sein, einem Wunsch, dem dieser gerne nachgekommen ist.

Esoterik statt Gewinne

Doch 2018 begann alles den Bach runterzugehen. Eine geplante Softbank-Investition in Höhe von 20 Milliarden Dollar platzte in letzter Minute. WeWorks Ausgaben stiegen allerdings ungebremst weiter, das Unternehmen brauchte dringend frisches Geld.

Also wollte Neumann an die Börse gehen. Im August 2019 reichte WeWork die nötigen Unterlagen bei den Aufsichtsbehörden ein. Doch diese waren mit esoterischen Phrasen gefüllt, die harten Geschäftszahlen dramatisch schlechter als erwartet und Neumann wollte quasi auf alle Ewigkeit WeWork-Chef bleiben.

In der Fachpresse wurde das Unternehmen zerrissen, der Börsengang musste abgesagt werden. Und dann begannen die Berichte über Neumann persönliche Eskapaden.

Kisten voller Drogen

Besonders vernichtend war eine Story über einen Flug mit einem gecharterten Privatjet nach Israel. Neumann und seine Begleiter*innen konsumierten den gesamten Flug über Cannabis in der Kabine.

Der Rauch wurde so dicht, dass die Pilot*innen ihre Sauerstoffmasken anziehen mussten. Nach der Landung entdeckte die Crew dann noch eine mit Drogen gefüllte Süssigkeitenkiste. Aus Angst, wegen Drogenschmuggels festgenommen zu werden, flog die Crew ohne Neumann wieder zurück in die USA.

Das wurde dann auch den Investoren zu viel und sie wollten Neumann als WeWork-CEO loswerden. Doch der hatte die Aktienmehrheit des Unternehmens, gegen seinen Willen ging nichts. Um die Reste ihrer Milliarden zu retten, zahlte Softbank Neumann für seinen Rücktritt ein Lösegeld von 1,7 Milliarden Dollar.

Angestellte auf der Autobahn ausgesetzt

«The Cult of We» macht jetzt noch weitere Exzesse bekannt. Schon in 2015 warf Neumann in seinem Büro mit Tequila-Flaschen um sich und zerstörte Glastüren.

Angestellte, die ihn in seinem Maybach für Geschäftsgespräche begleiten sollten, setzte er danach auf der Autobahn aus. WeWork sollte so gross werden, dass es Konflikte zwischen Staaten lösen könne und Neumann sah sich schon als «Präsident der Welt».

Adam und Rebekah Neumann können jeden Tag in einer anderen Villa übernachten.
Adam und Rebekah Neumann können jeden Tag in einer anderen Villa übernachten.
Bild: Getty Images

Und vor allem bereicherte sich Neumann persönlich, während er in der Öffentlichkeit immer von einer «Gemeinschaft» sprach, die er aufbauen wolle. Nach Berechnungen von Brown und Farrell hat er während seiner Zeit bei WeWork 2,1 Milliarden Dollar für persönliche Zwecke abgezogen, wohl alles komplett legal.

Der Zahltag ist noch nicht vorbei

Davon kauften er und seine Frau sich Villen in allen Ecken der USA und natürlich einen eigenen Privatjet, dessen Pilot*innen sich dann nicht mehr über zu viel Cannabis beschweren können. Die meisten Mitarbeiter*innen von WeWork, die Neumanns Philosophie für bare Münze nahmen, gingen komplett leer aus.

WeWork, unter neuer Führung und deutlich kleiner als zu Neumann-Zeiten, existiert weiterhin. Dieses Jahr will man es ein zweites Mal mit dem Börsengang probieren, zu einem Wert von etwas moderateren neun Milliarden Dollar.

Da Neumann immer noch ein paar WeWork-Aktien hat, wird er auch hier wieder abkassieren.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.