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Bötschi fragt Sina «Ich erlebte mehrere Situationen, die plötzlich brenzlig zu werden drohten»
Bruno Bötschi
15.3.2025
Sina feiert ihr 30. Bühnenjubiläum mit einem Live-Album. Ein Gespräch mit der Sängerin über die wichtigsten Menschen in ihrem Leben, das Baden in kaltem Wasser und ob die Zukunft der Schweizer Musik weiblich ist.

15.03.2025, 23:52
16.03.2025, 14:33
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Sina gehört seit 30 Jahren zu den erfolgreichsten Sängerinnen in der Schweiz.
- Dieses Jubiläum feiert die Walliser Musikerin mit einer Tournee und dem Live-Album «Bescht of 30 Jahr», welches in der «Mühle» in Hunziken BE aufgenommen wurde.
- Im Gespräch mit blue News blickt die 58-Jährige zurück auf die Anfänge ihrer Karriere, sagt, welche Menschen besonders wichtig waren auf ihrem Weg und wagt einen Blick in die Zukunft.
- Sina erinnert sich aber auch an einen übergriffigen Produzenten: «Da war ich 22 oder 23 Jahre alt, als der mir nach den Proben auf mein Zimmer gefolgt ist. Dort fing er an, mich zu bedrängen.»
Sina, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest bitte möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, kannst du auch einmal «weiter» sagen.
Ich darf also nur einmal «weiter» sagen?
Nein, so oft du willst.
Super.
Brig oder Sitten?
Brig. Die Stadt liegt erstens im Oberwallis, also der Region, wo ich aufgewachsen bin. Und dann besuchte ich dort die Handelsschule am St.-Ursula-Institut und absolvierte bei den Nonnen meine kaufmännische Ausbildung.
Rot oder Grün?
Rot.
Verveine-Tee oder Cappuccino?
Dieser Entscheid fällt mir je länger desto schwerer. Aktuell steht der Cappuccino noch an erster Stelle.
Wirklich wahr, dass in deinem Schulzeugnis das Wort «schwatzhaft» stand?
Nun ist mir auch klar, wieso ich vor diesem Interview ein bisschen Angst hatte. Der Bötschi weiss einfach alles … Aber du hast recht, das Wort stand wirklich in meinem Zeugnis. Ich kann mir zwar nicht wirklich erklären, warum dem so war. Die Lehrerin muss mich verwechselt haben (lacht).
Mit wem?
Mit der anderen Ursula in unserer Klasse.
Was hast du in der Schule fürs Leben gelernt?
Das ich nicht mehr hingehen will.
Zum Autor: Bruno Bötschi

blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
Kannst du immer noch – so wie dein Vater auch – drei Sachen parallel erledigen?
(Lacht) Ich habe mittlerweile eingesehen, dass dies eine schöne Vorstellung ist – und mehr nicht. Heute weiss auch ich, hintereinander funktioniert es besser. Oder wie Dabu Fantastic in ihrem Song «Angelina» in einem anderen Zusammenhang singen «Will ufenand gaht’s, aber näbenand nöd», ist mir mit der Zeit klar geworden: Nebeneinander geht nicht, aber hintereinander schon.
Hast du im Keller immer noch eine Schachtel Kassetten mit Songs aufbewahrt, die du als 18-Jährige in Pseudoenglisch aufgenommen hast?
100 Prozent ja. Mit 18 hörte ich Musik von Elvis Presley, Elton John und den Beatles. In dieser Zeit wollte ich jeweils meine eigene Energie auf der Gitarre kanalisieren. Ich weiss allerdings nicht, wie der Zustand der Kassetten aktuell ist. Die Chance ist gross, dass es ihnen nicht gut geht. Bisher brachte ich es jedoch nicht übers Herz, sie zu entsorgen.
Wirklich wahr, dass du die meisten Liebesbriefe nicht als Sängerin, sondern in deiner Zeit als Radiomoderatorin bei SRF 1 bekommen hast?
Das ist fast richtig. Die allermeisten Liebesbriefe bekam ich während der Schulzeit. Darauf werde ich übrigens bis heute von ehemaligen Schulkameraden angesprochen.
Was sagen sie zu dir?
Hey Sina, du hattest früher immer das Gefühl, dass du nicht zu den Top 3 gehörst. Dabei hast du einfach nicht gecheckt, dass alle auf dich gestanden sind. Ehrlich gesagt zweifle ich etwas an dieser Aussage.
Trauten sich deine Schulkollegen nicht, dir ganz konkrete Liebesbriefe zu schreiben oder hast du die Message darin nicht richtig verstanden?
Ich fand die Briefe nett, aber dem Inhalt habe ich jeweils nicht zu viel Bedeutung beigemessen und deshalb auch nicht darauf reagiert. Das hatte zur Folge, dass der Briefschreiber oft konsterniert reagiert hat, was ich im Gegenzug nicht verstanden habe. Einige Schulkameraden fanden deshalb, ich sei arrogant. Derweil die anderen meinten, ich würde wahrscheinlich auf irgendeinen Märchenprinzen warten (lacht).
Und wie war das mit den Liebesbriefen beim Radio?
Beim Radio SRF 1 moderierte ich meist in der Nacht. Da ist man den Hörern besonders nahe. Meine eher dunkle Stimme verhalf dieser Stimmung zu noch mehr Intimität. In dieser Zeit bekam ich ab und an Post von männlichen Fans. Mein Song «Wiä Sammat und Siidu» handelt denn auch von so einem Verehrer, der jeweils ein Radio-Date mit mir hatte.

Als wir uns 2014 für die «Schweizer Familie» zum Interview trafen, hast du auf die Frage, ob du dich vor der Zukunft fürchtest, geantwortet: «Musik ist ein Jungbrunnen. Mal sehen, ob er bei mir wirkt.» Wie zufrieden bist du im Rückblick mit der Wirkung deiner Musik?
(Lacht) Gut, ich darf berichten, dass sich in den letzten elf Jahren vielleicht ein bisschen mein Energiehaushalt verkleinert hat, aber die Lust auf das Musikmachen ist definitiv nicht weniger geworden.
Mit welchen Gefühlen schaust du heute in die Zukunft?
Wie soll ich das erklären? Ich habe in letzter Zeit mehrere Konzerte von älteren Sängerinnen gesehen. Und da ist es mir ein paar Mal passiert, dass ich mich fremdgeschämt und mitgelitten habe. Für mich ist klar, so möchte ich das nicht machen. Aber hey, ich bin noch nicht einmal 60 Jahre alt. Und darum Bruno: Frag mich nochmals in elf Jahren.
Ist es einfach, auf einer Bühne vor mehreren Hundert Menschen ein glücklicher Mensch zu sein?
Es ist eine Herausforderung auf der Bühne zu stehen und sich selbst sein. Das heisst aber nicht, dass ich in jedem Fall dort oben auch glücklich bin. Es gab einige Konzerte, in denen ich nicht in Bestform war. Da habe ich oft auch ehrlich kommuniziert, was in meinem Leben gerade los war.
Wie reagierten die Menschen auf deine Ehrlichkeit?
Ich fühlte mich während diesen Auftritten sehr getragen. Deshalb glaube ich, nicht das Glücklichsein ist das Wichtigste auf der Bühne, sondern die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und dem Publikum.
Deine Erklärung dafür, warum viele Sänger*innen beim Singen die Augen schliessen?
Bei mir hat es damit zu tun, dass ich noch mehr in mich hineinhören und mich dabei nicht ablenken lassen will von dem, was um mich herum passiert.
Violinistin Anne-Sophie Mutter trägt während Konzerten oft ärmellose Kleider, um ihre Geige besser auf der Haut zu spüren. Was ist dir bei deinen Kleidern, die du auf der Bühne trägst, wichtig?
Früher trug ich gerne formgebende Oberteile. Das mache ich aber schon länger nicht mehr. Heute ist es mir wichtig, auf Bühne gut Atmen zu können. Ich bevorzuge deshalb Kleider, die mich nicht einengen.
Wie wichtig ist der Applaus des Publikums?
Nicht ganz unwichtig.
Dieser Tage erschien dein Live-Album «Bescht of 30 Jahr». Es wurde während drei Nächten kurz vor Weihnachten 2024 in der «Mühle» in Hunziken BE aufgenommen. Was macht dieses Album für dich zu etwas Besonderem?
Meine Fans konnten vorab bestimmen, welche Lieder ich an diesen drei Abenden singen und später auf dem Live-Album festgehalten werden sollen. Ich habe also mein Hoheitsgebiet, das Erstellen der Set-Liste für ein Konzert, ans Publikum übertragen. Wir stellten dafür alle meine 250 bisher erschienen Songs im Internet zur Wahl. Danach konnte während eines Monats abgestimmt werden.
Hast du am Ende der Abstimmung alle ausgewählten Songs übernommen?
Fast. Für die kommende Live-Tour nahm ich zum Beispiel noch das Lied «D’Wält Uf Um Chopf» auf die Set-Liste, weil es dramaturgisch gut passt.
Gibt es ein Lied von dir, das dir besonders am Herzen liegt?
Ich denke, du hast auch nicht jeden Tag Lust, die gleiche Musik zu hören. Bei mir ist das genau so. Heute Nachmittag, also bei diesem wunderbaren Frühlingswetter, ist mir nach «Rosa Rosä», einem Feel-Good-Song, der Aufbruchsstimmung verbreitet. Würdest du mir die gleiche Frage jedoch morgen stellen, wäre die Antwort wahrscheinlich eine andere.
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Cookie-EinstellungenAuf deinem Weg als Musikerin begleiteten dich viele Menschen. Welche drei waren besonders wichtig für deine Karriere?
Zu diesen drei Menschen gehört ganz sicher mein erster Musiklehrer und Förderer Alfred Kesseli – und dann natürlich mein erster Produzent und heutiger Ehemann Markus Kühne. Wichtig für meine Karriere als Sängerin ist zudem Thomas Fessler. Mit ihm schrieb ich viele Songs. Nicht zu vergessen meine Managerin und Freundin Benita Andres, die mich seit 30 Jahren begleitet. Das sind meine Fab 4.
Gibt es noch weitere Frauen, die auf deinem Weg zu einer der erfolgreichsten Sängerinnen der Schweiz, wichtig waren?
Am Anfang meiner Karriere bewegte ich mich in einem Umfeld, in dem es kaum Frauen gab. Wer mich jedoch von Anfang an mit viel Liebe unterstützt hat und mir oft gut zugeredet, waren meine beiden Tanten, bei denen ich aufgewachsen bin.
Was sagten deinen Tanten jeweils zu dir?
Wir verstehen zwar nichts vom Musikbusiness, aber wenn du das wirklich willst, dann probiere das.
Dein musikalischer Durchbruch geschah, als die Musikbranche – und das nicht nur in der Schweiz – noch eine von Männern dominierten Branche war. Erzähl, wie war das damals?
Die Begebenheiten waren damals so und ich kannte es lange Zeit nicht anders. Gleichzeitig hatte ich das Glück, von Männern so gefördert und gefordert zu werden, dass ich mich entwickeln und wachsen konnte. Zu Beginn meiner Karriere als Sängerin waren Frauen im Musikbusiness fast ausschliesslich als Background-Sängerinnen und im Ausnahmefall vielleicht als Bassistin tätig.
Hast du in jener Zeit unangenehme Situationen mit Männern erlebt?
Die gab es – aber erst einige Jahre später. Damals erlebte ich mehrere Situationen, die plötzlich drohten brenzlig zu werden, nachdem ich mich anfangs total sicher gefühlt hatte.
Willst du mehr darüber erzählen?
Ich erinnere mich an einen Produzenten in Deutschland, da war ich 22 oder 23 Jahre alt, der mir nach den Proben auf mein Zimmer gefolgt ist. Dort fing er an mich zu bedrängen. Er behauptete zudem, ich würde künftig keine Aufträge mehr bekommen. Ich hatte etwas Alkohol getrunken, konnte mich aber im WC einschliessen. Dort wartete ich so lange, bis die Frau des Produzenten zurückkam.
Übergriffiges Verhalten von Männern habe ich aber auch vor meiner Karriere als Sängerin erlebt. Als junge Frau half ich in den beiden Restaurants meiner Tanten im Service aus. Dort passierte es immer wieder, dass ein Typ mir einen Klapps auf den Hintern gab oder mich ungefragt auf seinen Schoss zog. Als ich nach einem solchen Vorfall einmal weinend in die Küche gerannt bin, meinte meine Tante: «Das ist Part of the Game.»
Hat sich das Verhalten der Männer gegenüber den Frauen verändert?
Ja – das hat aber auch viel damit zu tun, dass wir Frauen uns heute stärker wehren. Fakt ist aber leider auch: Bald jede zweite Frau hat in ihrem Leben schon einen Übergriff erlebt – im Kleinen, aber auch ganz direkt.

Von Joya Marleen über Naomi Lareine bis Priya Ragu und noch einigen mehr erobern aktuell viele Schweizer Musikerin die Hitparaden. Wie kommt’s?
Ich finde es cool, dass es heute in der Schweiz so viele grossartige Sängerinnen gibt. Das ist auch deshalb schön, weil du heute als junge Frau hierzulande nicht mehr irgendeinem Weltstar wie Beyoncé nacheifern musst. Während meiner Kind- und Jugendzeit war das noch ganz anderes. Ich war damals Fan von der Glarner Sängerin Betty Legler …
… ich auch …
… weil sie eine tolle Stimme hatte und grossartig Klavier spielen konnte. Betty Legler strahlte zudem Selbstbewusstsein und Stärke aus. Solche weiblichen Vorbilder sind wichtig für junge Frauen, die ebenfalls Musikerinnen werden wollen.
Aktuell erlebe ich das in nächster Nähe mit Melina Nora. Die 24-jährige Sängerin begleitet mich partiell auf meiner Tournee als Vorband. Melina ist ebenfalls im Wallis aufgewachsen und hat an Zürcher Hochschule für Künste Gesang studiert.
Mir ist sofort aufgefallen, wie cool und professionell Melina ihre Karriere angeht. Sie weiss genau, wie sie vorgehen muss, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Das war zu meinen Zeiten anders, ich habe on the Job gelernt.
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Cookie-EinstellungenIch behaupte, die Zukunft der Schweizer Musik ist weiblich: Wahr oder nicht?
Ich würde es mir wünschen – aber gleichzeitig denke ich, bis es wirklich so weit ist, braucht es noch etwas Zeit.
Deine Schweizer Lieblingssängerin?
Das kann und will ich nicht an einer Frau fest machen.
Deine Lieblingssängerin international?
Ich bin grosser Fan der kürzlich verstorbenen Marianne Faithfull und hatte das Glück, sie mehrfach live erleben zu dürfen. Die britische Sängerin strahlte auf der Bühne jeweils derart viel Ehrlich- und Verletzlichkeit aus, dass ich dachte: Wenn ich als Sängerin ähnlich wie Marianne Faithfull älter werden darf, wäre das wunderbar.
Die Musikindustrie hat sich wegen der Streamingdienste in den vergangenen Jahren stark verändert. Man könnte auch behaupten: Die Musik hat viel an Wert verloren.
Du hast leider recht. Heute fliesst die Musik ähnlich wie das Wasser aus einem Hahnen. Für weniger als 14 Franken Monatsgebühr kannst du bei Spotify über 100 Millionen verschiedene Songs hören. Und die einzigen, die wirklich daran verdienen, sind die Musiklabels und Spotify.
Und was ist mit euch Musiker*innen?
Unsere Entschädigungen pro gestreamten Song wurden erst kürzlich ein weiteres Mal gesenkt – und liegt jetzt bei 0,0033 Euro pro Stream. Die Wahrheit ist: Viele Schweizer Musiker*innen finden zwar auf den diversen Streamingdiensten statt. Gleichzeitig sind die Einnahmen, die sie dort generieren können, aber zu klein, um vom Musikmachen leben zu können. Auch wenn ein Lied zwei Millionen Mal gestreamt wird, ergibt das nicht mehr als 6'500 Euro.
Von welchen Einnahmen leben heute Musiker*innen in der Schweiz?
Vor allem von Konzerten.
In der kleinen Schweiz kannst du nicht dauernd auf Tournee sein.
Das stimmt – deshalb gehen viele Musikschaffenden hierzulande anderen Jobs nach, um finanziell überleben zu können.
Du auch?
Ich darf von Glück sagen, dass ich mit meinen ersten Alben einen tollen Start hatte und in den letzten 30 Jahren gut unterwegs war, sodass ich heute weniger unter Druck bin. Ich kann auch einmal ein Jahr lang keine Konzerte geben. Allerdings sieht auch meine Rechnung heute komplett anders aus.
Wie meinst du das?
Gehe ich heute ins Studio, um ein Album zu produzieren, sind meine Kosten nach wie vor so hoch wie vor 15 Jahren. Es ist schwierig, diese Ausgaben wieder zu refinanzieren, wenn kaum mehr CDs gekauft werden und die Einnahmen bei den Streamingdiensten derart niedrig sind. Deshalb gilt für mich: Es steht in den Sternen, wie lange ich noch ganze Alben produzieren werde.

KI ist ein Thema im Musikbusiness. So grundsätzlich: Was hältst du davon?
Anfänglich war ich KI gegenüber äusserst kritisch eingestellt. Nachdem ich mich intensiver damit auseinandergesetzt habe, benutze ich sie selber im Büro – etwa um Zusammenfassungen zu schreiben. Dem Einsatz von KI in der Musikwelt stehe ich aber nach wie vor total kritisch gegenüber. Mir ist ein kreativer Prozess im Songschreiben wichtig, der aus mir selbst entsteht.
Kate Bush und Annie Lennox gaben gemeinsam mit 1000 anderen britischen Musiker*innen das stille Album «Is This What We Want» heraus. Sie protestieren so gegen eine geplante Änderung des britischen Urheberrechts. Hast du davon gehört?
Ja, am Rand.
Auf dem Album «Is This What We Want?» sind drei- bis vierminütige Aufnahmen von leeren Studios und Aufführungsräumen zu hören. Was hältst du von der Aktion?
Es erinnert mich an das «Ghost Festival». Das war eine Benefiz-Aktion von uns Kunstschaffenden aus der Schweiz während der COVID-19-Pandemie. Im Februar 2021 wurde ein Musikalbum verkauft, das sogenannte «Geistersounds» enthielt. Diese setzen sich zusammen aus Publikumsklängen, Gitarrenriffs, Rauschen und Melodien.
Ich finde solche Initiativen gut, weil es wichtig ist, sich in schwierigen Situationen zusammenzutun, sich in den Medien Gehör zu schaffen und für die eigenen Belange zu kämpfen. Deshalb fand ich es auch wichtig, die Petition zum Erhalt der SRF-Sendung «Gesichter und Geschichten» zu unterschreiben. Diese TV-Sendung ist noch einer der wenigen Orte, wo Schweizer Kultur- und Kunstschaffende ihre Arbeiten vorstellen können.
Du hast als Vorstandsmitglied der Musiker-Organisation Sonart gegen illegale Musik-Downloads im Internet gekämpft.
Das stimmt. Heute bin ich nur noch Mitglied, aber nach wie vor froh darüber, dass es Organisationen wie Sonart gibt, die für die Rechte von Musikschaffenden einstehen. Als Vorstandsmitglied war ich dabei, als wir nach Bern fuhren, um uns mit Politikerinnen und Politikern zu treffen und ihnen die Problematik der illegalen Musik-Downloads zu erklären.
Hat sich nach diesem Treffen politisch etwas verändert?
Ja, das eine oder andere – damals sah ich aber auch deutlich, wie langsam die Mühlen in der Politik mahlen.
Du bist im Wallis gross geworden, hast mehrere Jahre in der Stadt Zürich gewohnt und lebst nun seit 20 Jahren am Hallwilersee im Kanton Aargau. Was bedeutet dir Heimat?
Vor wenigen Tagen sprach ich mit Kabarettist Bänz Friedli über dieses Thema. Wir waren uns einig, dass Heimat dort ist, wo Menschen sind, die einem das Gefühl von Aufgehobenheit geben und die Energie von Geliebtsein spürbar ist.
Was heisst das konkret für dich?
Meine erste Heimat ist das Wallis. Ich erlebte dort die ersten 17 Jahre meines Lebens. Das prägte mich. Mittlerweile ist aber auch der Aargau zu meiner Heimat geworden, denn hier ist mein Mann und seine Familie daheim.
Wieso ist der Lötschentaler Dialekt einer der urchigsten und kraftvollsten Dialekte im Kanton Wallis?
Ein Grund ist, dass eine Phase der Sprachentwicklung ausgelassen wurde. Beim Lötschentaler Dialekt ist das Althochdeutsch noch sehr gut hörbar.
Kannst du mir bitte ein Beispiel machen?
Du sagst «laufe», ich sage «löüffu» und die Lötscher sagen «loiffun». Sie setzen am Ende es Wortes also noch den Buchstaben N dazu, was das Wort archaischer klingen lässt und gleichzeitig melodiöser.
Gehst du immer noch regelmässig Schwimmen im Hallwilersee?
Ja. Als ich heute Morgen spazieren gegangen bin, habe ich schon mal die Hand ins Wasser gestreckt, um zu testen, ob es bereits genug warm ist.
Ich habe gelesen, das Wasser müsse mindestens 14 Grad warm sein, sonst würdest du nicht schwimmen gehen.
Heute steige ich bereits bei elf Grad ins Wasser.
Hast du es schon einmal mit Winterschwimmen versucht?
Nein, aber ich arbeite daran (lacht). Im Moment ist tuts noch weh an Beinen und Armen. Solange lass ich es.
Welches ist deine grösste Begabung, von der bisher noch niemand wirklich weiss?
Ich würde mir wünschen, dass mir das irgendwann einmal jemand verrät (lacht).

In welchen Situationen oder an welchen Orten willst du unter keinen Umständen Musik hören?
Beim Frühstücken im Hotel habe ich nie verstanden, warum der Pianist bereits um acht Uhr morgens «Pour Elise» spielen muss. Und ich hatte schon öfter das Gefühl, dass ich nicht die einzige Person im Saal bin, der es so geht.
Ich bin zudem ein Mensch, der sich gerne ablenken lässt durch Musik. Wer mit mir also ein Gespräch unter vier Augen führen will, sollte unbedingt vorher die Musik ausmachen.
Hast du vor 30 Jahren daran geglaubt, dass du im Jahr 2025 nach wie vor als Sängerin auf der Bühne stehen wirst – oder wie hast du dir damals dein Leben mit über 50 vorgestellt?
Findest du das nicht eine absurde Vorstellung, dir als junger Mensch dein Leben mit 50 vorzustellen (lacht)?
Ich nahm mir als junger Mensch vor, dass ich mit 40 nicht mehr arbeite.
Okay.
Ich war damals 12 Jahre alt.
Ach so … das tönt nach Kuno Launer von Züri West, der im zarten Alter von zehn Jahren als Berufswunsch «Italiener werden» angegeben hat. Aber wenn ich jetzt zurückdenke, also an den Anfang meiner Karriere als Sängerin, dann hat sich seither etwas nie verändert:
Ich habe in all den Jahren nie einen mehrjährigen Businessplan aufgestellt. Und mir auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wo ich in zwei Jahren sein werde. Das hat viel damit zu tun, dass das Musikgeschäft derart schnelllebig ist. Ich hätte dazu noch eine lustige Geschichte, aber dann wird diese Antwort viel zu lang …
… nur zu.
Meine Managerin Benita Andres sagte kürzlich zu mir, dass ich am Anfang meiner Karriere einmal zu ihr gesagt hätte, mir wäre es am liebsten, dass nachdem ich die Bühne wieder verlassen habe, mich niemand mehr erkennen würde.
Wieso das?
Ich mache Musik der Musik zuliebe, wollte neben der Bühne lieber anonym sein. Mit den Jahren lernte ich, wie ich mit meiner zunehmenden Bekanntheit einen Umgang finden kann.
So schlimm sind die Schweizer*innen aber nicht, wenn sie dich auf der Strasse erkennen – oder doch?
Zum Glück nicht – hätte ich in den USA eine Karriere als Sängerin gehabt, hätte ich sie wahrscheinlich längst wieder an den Nagel gehängt. Ruhm im grossen Stil verändert einen.
Wurdest du schon einmal mit einer anderen bekannten Sängerin verwechselt?
Das ist mir mehrfach passiert. Einmal hat mich jemand mit Melanie Oesch verwechselt, ein anderes Mal mit Sandee. Und noch gar nicht so lange her ist es, dass eine Frau meinte, ich sei Natascha und sie würde meinen neuen Hit rauf und runter hören. Als ich nachfragte, welchen Song sie meine, antwortete sie: «Sölli, sölli nid». Ich habe ihr dann gesagt, dass sie mich definitiv verwechseln würde.
Wir kommen zum Schluss zum Self-Rating-Test: Du benotest bitte dein eigenes Talent von null Punkten, kein Talent, bis zehn Punkte, maximales Talent. Wir beginnen mit Gärtnerin.
Vor fünf Jahren hätte ich mich noch mit null Punkten benotet, heute gebe ich mir drei Punkte.
Das heisst, du vergisst nicht mehr deine Pflanzen genug zu tränken, ...
… und zwar mit Wasser und nicht mit dem übrig geblieben Wein vom Abend davor (lacht).
Gitarristin?
Ohh … zwei Punkte.
Du hast früher doch Gitarre gespielt?
Das stimmt. Aber nachdem ich mit Gitarristen wie Adrian Stern und Jean Pierre von Dach zusammengearbeitet habe, wurde mir klar: Schuster bleib bei deinen Leisten.
Fussballerin?
Sechs Punkte. Während meiner Zeit auf einer Bank in Genf spielte ich eine Zeit lang Fussball in einer Frauenmannschaft. Ich schoss selten ein Tor, aber dafür sah ich auf dem Fussballplatz derart gut aus, dass ich schon bald den Übernamen «Gazelle» bekommen habe (lacht).
Aargauerin?
Acht Punkte.
Möchtest du noch ein Schlusswort halten?
Es ist schön gewesen mit Ihnen, Herr Bötschi.
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