Eigentlich wollte sich Apple unabhängiger von China machen. In den letzten Jahrzehnten hatte es seine Produktion fast vollständig in dem Land konzentriert und seine gesamte Lieferkette auf China ausgerichtet. Für diese Strategie war massgeblich Tim Cook verantwortlich, zunächst als Chief Operating Officer unter Steve Jobs und zuletzt als CEO selbst. Das verhalf Apple zu fantastischen Gewinnmargen, vor allem beim iPhone.
Doch in Folge der zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China wollte sich auch Apple ein wenig aus der nahezu totalen Abhängigkeit lösen und begann verstärkt mit der Produktion auch in anderen Ländern, vor allem Vietnam und Indien. China ist allerdings nicht nur als Produktionsland sondern auch als Absatzmarkt ungemein wichtig für Apple, was das Verhalten des Unternehmens in den letzten Wochen erklärt.
Allen Anzeichen nach verkauft sich das neue iPhone 15 in China nicht so gut wie von Apple erhofft. Unabhängige Analysefirmen gehen laut «Wall Street Journal» von Absatzrückgängen im teilweise zweistelligen Prozentpunktebereich bei den neuen Modellen aus. Dafür scheint es mehrere Gründe zu geben.
Zum einen ist der grosse chinesische Konkurrent Huawei wieder im Kommen. Er hat technisch wieder aufgeholt und mit dem Mate 60 erstmals seit Beginn der US-Sanktionen gegen das Unternehmen wieder ein Smartphone mit 5G-Unterstützung lanciert, das sich entsprechender Beliebtheit erfreut.
Chinesische Beamt*innen dürfen keine iPhones mehr nutzen
Kurz vor der Lancierung des iPhone 15 wurde zudem bekannt, dass chinesische Staatsbedienstete keine iPhones mehr in ihre Büros mitbringen dürfen. Dies wurde allgemein als Retourkutsche der chinesischen Staats- und Parteiführung gegenüber den USA aufgefasst, die schliesslich Huawei und andere chinesische Unternehmen mit Sanktionen überzogen.
Auch wenn das iPhone-Verbot nur für den Staatsdienst gilt, hat es zweifellos eine Strahlwirkung in die gesamte chinesische Gesellschaft, wo eine weitere iPhone-Verwendung schnell als mangelnder Patriotismus aufgefasst werden könnte.
Cook reiste also vergangene Woche nach China und versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Im Apple Store in Chengdu jubelte er bei einem dort stattfindenden Videospiel-Turnier den Teilnehmer*innen zu und lobte chinesische Entwickler*innen. Später traf er sich in Peking mit Vize-Premier Ding Xuexiang und versicherte diesem, dass Apple weiterhin eng mit China zusammenarbeiten wolle.
Ebenfalls im Sinne Chinas war der Umgang mit der Talkshow «The Problem» auf dem Streaming-Dienst Apple TV+. Die Sendung mit dem Satiriker Jon Stewart wurde unmittelbar vor dem geplanten Drehbeginn der dritten Staffel abgesetzt. Stewart wollte sich in der neusten Staffel unter anderem mit China beschäftigen.
Laut Stewart habe ihm Apple aber mittgeteilt, dass «The Problem» und das Unternehmen sich im «Gleichklang» bei dem Thema befinden müssten. Weil sich Stewart weigerte, die kreative Kontrolle über seine Show aufzugeben, wurde die Produktion abgebrochen, meldet der «Hollywood Reporter».