Kolumne am MittagDas verrückte Dienstjubiläum der Herren Blank und Meier
Von Hanspeter «Düsi» Künzler, London
7.5.2021
Die Ohrwürmer von Boris Blank und Dieter Meier haben weltweit die Hitparaden geknackt. Sie kündigen bei den Simpsons die Ankunft von Duffman an und wurden in der britischen Musikpresse hochgelobt. Den 40. Geburtstag feiert Yello mit einem üppig gestalteten Karriererückblick.
Von Hanspeter «Düsi» Künzler, London
07.05.2021, 11:21
10.05.2021, 18:09
Hanspeter «Düsi» Künzler, London
«Wenn mir vor 40 Jahren jemand gesagt hätte, was aus Yello noch werden würde», sagt Sound-Maler Boris Blank heute lachend, «dann hätte ich ihn glatt für verrückt gehalten.» Immerhin verbrachte Blank schon damals jede freie Minute in seinem vorsynthflutlichen (sic!) Labor, um mittels Tonbandmaschinen, Scheren und Klebbändern exotische Klangwelten zu schaffen.
Insgeheim dürfte er schon davon geträumt haben, sein Brot dereinst mit Musik zu verdienen. Nur steckte die Schweiz in punkto Popkultur noch im tiefsten Mittelalter. Die Hoffnung, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändern würde, hätte ihm jeder halbwegs vernünftige Kumpel auszureden versucht.
Immerhin standen seine Chancen auf eine klingende Zukunft besser als die von Dieter Meier. Meier war zum Zeitpunkt, als sich ihre Pfade kreuzten, ein Performance-Künstler mit dem Ziel, die totale Überflüssigkeit künstlerisch zu erfassen. Musikalisch war er erwiesenermassen unbegabt.
Nutzlose Gitarrenlektionen
«In der Primarschule, in der 2. Klasse», berichtet er, «da hatten wir einen Lehrer, Herr Giannini hiess er, der sollte uns das Flöten beibringen. Dann gab es eines Tages ein Flötenkonzert, und bevor die Eltern hereingelassen wurden, hat er mir statt der Flöte ein Lineal in den Mund gesteckt. Denn ich sass hinten, und die Eltern haben ja eh nur ihre eigenen Kinder angeschaut.»
Fast so nutzlos waren die Gitarrenlektionen, die er später genoss. «Das war Peter Sowieso, der Mann mit den Teufelsfingern. Am Schluss hat er jedes Mal gesagt: ‹Wieder nichts gelernt, aber hoffentlich gern zugehört›.»
Alle Jahre wieder an Weihnachten seien seine Künste vor der Familie gross angekündigt worden. Immer dasselbe Stück hätte er vor dem Christbaum zum Besten geben sollen: «‹Dieses Jahr kann er es endlich!›, hiess es. Es war natürlich ein Witz. Natürlich konnte ich es immer noch nicht.»
Man schrieb die späten 1970er-Jahre, Die Leck-mich-Haltung der Punks war auch in die Schweiz übergeschwappt. Und die punkige Überzeugung, Do-it-yourself sei der vergnüglichste Ausdruck von Unternehmergeist, passte bestens zu Meiers Credo, dass man alles mal probiert haben musste.
Die Naivität eines Unschuldslamms vom Dorf
Boris Blank wiederum war von einem Anfall von Fernweh und Ehrgeiz gepackt worden. Beseelt auch von der Naivität eines Unschuldslamms vom Dorf – Zürich – war er nach Kalifornien gereist, um mit seinen heimgestrickten Kassetten bei den Plattenfirmen vorzusprechen.
Und siehe da, ausgerechnet bei der supercoolen Insider-Firma Ralph rannte er offene Türen ein. Nur meldete man dort den Wunsch an, er möge seinen Klangmosaiken dem kommerziellen Potenzial in Amerika zuliebe etwas Gesang beifügen.
Einen ähnlichen Vorschlag hatte Blank zu seinem Schrecken schon einmal zu hören bekommen, nämlich von einem gewissen Paul Vajsabel, der gern eine Single von ihm veröffentlicht hätte. Vajsabel war es denn auch, der Blank und Meier zusammenführte. «Ich war absolut überrascht und begeistert von dem, was ich hörte», erinnert sich Meier. «Ein Erfinder war das, ein Schöpfer von Klangwelten, wie ich sie noch nie gehört hatte. Es war eine absolute Sensation für mich.»
Die erste Probe in der Küche von Boris zeitigte nicht den gewünschten, jedoch den goldrichtigen Effekt. Meiers Geschrei trug Blank die sofortige Kündigung der Wohnung ein. Aber Meier wusste Rat: In seinem Studio in der Roten Fabrik machte er Platz für den Maestro. Und damit begann eine wundersame Reise, wie sie niemals hätte geplant werden können.
14 Alben hat das ungleiche Duo bisher veröffentlicht
Die ersten beiden Yello-Alben «Solid Pleasure» und «Claro Que Si» waren Geheimtipps in der noch kleinen anglo-amerikanischen Synthi-Experimental-Szene. Mit dem spektakulären dritten Album «You Gotta Say Yes to Another Excess» kam der Durchbruch. Jedes Stück war ein kleiner Film.
Klänge, wie sie Blank schaffte, hatte man noch nie gehört. Meiers Geschichten, die zwischen urbaner Ironie und exotischer Rätselhaftigkeit pendelten, ebenfalls nicht. Andere Synthi-Avantgardisten arbeiteten mit abstrakten Soundwolken und repetitiven Beats. Yello packten ihre Experimente in knackige Dreiminutenstücke mit unvergesslichen Refrains.
Endlich wusste ich eine Antwort, wenn in meiner Londoner Umgebung die herablassende Frage kam: «Do they make music in Switzerland?» Und ich konnte die Antwort – «Yello und Liliput!» – mit seitenlangen, schwärmerischen Berichten in der britischen Musikpresse belegen.
14 Alben hat das ungleiche Duo inzwischen veröffentlicht. Wie anno 1985 «Stella» sind die letzten drei («Touch Yello», «Toy», «Point») alle an der Spitze der Schweizer Hitparade gelandet. Mit «Yell40 Years» haben Blank und Meier ein Panorama zusammengestellt, das weit über ihre Hits und Evergreens auch in die stilleren Winkel ihrer Arbeit führt.
Die Deluxe-Ausgabe enthält nebst vier CDs ein Buch mit oft unveröffentlichten Fotos sowie Hintergrund-Storys zu den einzelnen Alben. Die ersten beiden Tonträger enthalten in locker chronologischer Abfolge die knackigsten Songs der ersten vierzig Schaffensjahre.
Eine weitere CD rückt den Fokus auf die klangmalerischen und meditativen Qualitäten ihrer Musik. Eine vierte CD schliesslich ist Remixes gewidmet. Dazu sind kurze Versionen von «Yello 40 Years» als Doppel-Vinyl- und Doppel-CD erhältlich.
Mehr Infos zum 40. Geburtstag von Yello gibt es unter diesem Link.
Zur Autor: Der Zürcher Journalist Hanspeter «Düsi» Kuenzler lebt seit bald 40 Jahren in London. Er ist Musik-, Kunst- und Fussball-Spezialist und schreibt für verschiedene Schweizer Publikationen wie die NZZ. Regelmässig ist er zudem Gast in der SRF3-Sendung «Sounds».
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.