Neutralität, Waffen, BersetDie Schweiz hat mehr als nur ein Imageproblem
Von Philipp Dahm
14.3.2023
Bundespräsident Berset in der Kritik
Bundespräsident Alain Berset wird von allen Seiten kritisiert.
Bild: KEYSTONE
Das Co-Präsidium der SP, Mattea Meyer und Cédric Wermuth, distanziert sich von Bersets Aussagen.
Bild: Keystone/MARTIAL TREZZINI
Auch FDP-Präsident Thierry Burkart findet, die Aussagen des Bundespräsidenten problematisch.
Bild: KEYSTONE/MICHAEL BUHOLZER
Der Fraktionspräsident der Mitte, Philipp Matthias Bregy, kritisiert Berset ebenfalls.
Bild: KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE
Einzig von der SVP gibt es keine Kritik: Präsident Marco Chiesa hält die Aussagen für vernünftig.
Bild: Monique Misteli
Bundespräsident Berset in der Kritik
Bundespräsident Alain Berset wird von allen Seiten kritisiert.
Bild: KEYSTONE
Das Co-Präsidium der SP, Mattea Meyer und Cédric Wermuth, distanziert sich von Bersets Aussagen.
Bild: Keystone/MARTIAL TREZZINI
Auch FDP-Präsident Thierry Burkart findet, die Aussagen des Bundespräsidenten problematisch.
Bild: KEYSTONE/MICHAEL BUHOLZER
Der Fraktionspräsident der Mitte, Philipp Matthias Bregy, kritisiert Berset ebenfalls.
Bild: KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE
Einzig von der SVP gibt es keine Kritik: Präsident Marco Chiesa hält die Aussagen für vernünftig.
Bild: Monique Misteli
Twitter-Nutzer toben: Die Schweiz verschrottet lieber Waffen, als sie der Ukraine zu überlassen. Dem Bundespräsidenten schlägt weltweit Kritik entgegen, weil er am Waffen-Export-Verbot festhält. Bern hat ein Imageproblem.
Von Philipp Dahm
14.03.2023, 11:38
14.03.2023, 12:24
Philipp Dahm
Während des Kriegs in der Ukraine kommt die Schweiz aus den Negativschlagzeilen nicht heraus: Immer wieder wird Bern für das Festhalten an der Neutralität kritisiert, weil es an Verständnis dafür fehlt, dass sich die Eidgenossenschaft auf keine Seite schlagen will.
«Die Schweiz zerstört Luftabwehr-Raketen-Systeme, die die Ukraine hätte benutzen können», titelt etwa aktuell die französische Zeitung «Le Monde». Und weiter heisst es: «Trotz seiner Neutralität hätte das Land die alten Boden-Luft-Raketen dem Hersteller, dem Vereinigten Königreich, zurückgeben können, doch es hat sich entschieden, sie stattdessen zu zerstören.»
Die Zerstörung des Systems Rapier habe die «Wut der europäischen Verbündeten» heraufbeschworen, aber auch im Land selbst die Kritiker auf den Plan gerufen, weiss «Le Monde»: «Es ist absurd, dass wir in der Schweiz Defensivwaffen verschrotten, die noch funktionieren», sagt der Waadtländer Grünliberale François Pointet dem Blatt.
Die Schweiz habe in der Sache inzwischen eine «neue Stufe» erreicht, schreibt «Le Monde» sogar mit Blick auf das Interview, das Alain Berset der «NZZ am Sonntag» gegeben hat. Damit sind die Franzosen nicht allein: Weltweit hagelt es Kritik für den Bundespräsidenten.
Harsche Reaktionen
«Alain Berset ist ein Name, den wir alle lernen sollten», ätzt etwa der frühere estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves. Er sei ein «Synonym dafür, sich in Absurditäten zu versteigen, um das zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist».
For his statement «Swiss weapons should not be used in wars» the head of the Swiss government @alain_berset is receiving a lot of criticism. Among the harshest critics is the former president of Estonia. https://t.co/ADNuFku1MC
Benjamin Tallis, Sicherheitsexperte an der Hertie School of Governance in Berlin, nennt Bersets Interview gar «lächerlich» und wirft dem 50-Jährigen vor, dass «Feigheit und Gier» der wahre Grund hinter seiner Aussage wären. «Es gibt keine Neutralität», schlussfolgert Tallis. In den angehängten Kommentaren machen Twitter-User ihrem Unmut Luft.
Dieses Interview von SP-Co-Präsident @cedricwermuth wird noch zu reden geben: „Ich teile den Wunsch von Alain Berset nach einem Ende des Blutvergiessens, aber weder seine Analyse noch die Schlussfolgerungen. Im Moment gibt es schlicht keine Perspektive für Verhandlungen.“ @NZZ.
Von «Heuchelei» ist die Rede: «Sie nehmen das russische Geld und stopfen es in ihre Banken», schreibt stellvertretend eine Userin. Ukrainische Medien und Twitter-User monieren derweil, dass Bern kein Problem damit gehabt hat, einem Staat wie Katar 2022 Waffen zu verkaufen, Kiew aber entsprechende Hilfe vorenthält.
Don't be fooled by Swiss president @alain_berset : he's protecting his arm industry, selling weaponery to thug states like Qatar - in 2022, record weaponery contract signed between bastard #Switzerland and thug state #Qatar ‼️ But zero support to the victim Ukraine. https://t.co/rJlGBWra0K
— UKRAINIANS STAND FREE 🇺🇦 (@killrussianrats) March 13, 2023
Was vielen sauer aufstösst, ist weiterhin die Tatsache, dass die Schweiz im Herzen Europas gut geschützt ist. Nur deshalb kann sie es sich leisten, ein System wie Rapiers überhaupt abzuschaffen, kritisiert etwa ein User unter dem Hashtag #NeutralitätIstKooperation.
👉🏼lowest cash help for 🇺🇦 #34/#36 👉🏼#4 supplier of 🇷🇺 missiles parts 👉🏼blocks 100% arm reexport to 🇺🇦 👉🏼trades 80% of 🇷🇺 commodity 👉🏼has frozen 3% of 🇷🇺 cash 👉🏼has accepted putin's cash at Gazprombank Zurich#Bastard 🇨🇭 https://t.co/7VN6mspYx2
— UKRAINIANS STAND FREE 🇺🇦 (@killrussianrats) March 12, 2023
In dieser Welle der Empörung werden auch alte Geister heraufbeschworen: Die Schweiz habe ja auch das Gold der Nazis genommen, die es den europäischen Juden geraubt haben, wird auf Twitter angeführt. «Die ‹neutrale› Schweiz hat lange das südafrikanische Apartheidregime unterstützt», schreibt ein anderer User.
😭! I cannot tell you how deeply ashamed I am, that #Switzerland lets 🇺🇦#Ukraine down. The🇨🇭Centre party is, unfortunately almost alone against an unholy alliance of left wing self proclaimed "peace lovers"+right wing🇨🇭#FDP/#SVP self-proclaimed "neutrals" doing "business first".
— Dr. Jeannette Wibmer (@JeannetteWibmer) March 12, 2023
Neben jeder Menge Polemik gibt es nur wenige Stimmen, die ruhig bleiben: Das Konzept der Schweizer Neutralität wird kaum verstanden. Es entwickelt sich dieser Tage zu einer Bürde, und dem Bundesrat gelingt es nicht, die Wogen zu glätten. Das ist wohl das einzige Fazit, auf das sich die unterschiedlichen Lager derzeit einigen können.
Wir geben beiden. Den Autokraten und der Ukraine. Beziehungsweise geben wir einfach jedem. Ich wünschte Deutschland hätte Prinzipien wie sie die Schweiz hat.