Prämien, Renten und WahlenDer Schweiz steht ein Jahr voller politischem Zündstoff bevor
Von Alex Rudolf
29.12.2022
Politisch wird 2023 ein spannendes Jahr. Nicht nur werden National- und Ständerat neu bestellt, auch stehen viele brisante Initiativen und Sachthemen an. Und zum Finale die Bundesratswahl. Eine Übersicht.
Von Alex Rudolf
29.12.2022, 00:00
30.12.2022, 09:22
Alex Rudolf
Schweiz sitzt im UNO-Sicherheitsrat
Mit 187 Stimmen wurde die Schweiz im vergangenen Juni in den UNO-Sicherheitsrat gewählt – ein Glanzresultat, wie Aussenminister Ignazio Cassis betonte. Nun gilt es ernst und Pascale Baeriswyl wird die Schweiz in den wöchentlich stattfindenden Sitzungen des UNO-Gremiums vertreten. Bedenken äusserte vor allem die SVP. Sie befürchtet, die Schweiz verliere ihre Neutralität und werde zum Spielball der Grossmächte.
Um die Neutralität in der Verfassung festzuschreiben, sammelt die Volkspartei derzeit Unterschriften für ihre Neutralitäts-Initiative. Hierfür hat sie noch bis im Mai 2024 Zeit.
SVP kämpft gegen Klimaschutz-Gesetz
Der SVP bleibt nur noch bis zum 19. Januar Zeit, um die notwendigen 50'000 Unterschriften für das Referendum gegen das Klimaschutzgesetz zusammenzukriegen. Dabei handelt es sich um den vom Parlament angenommenen Gegenvorschlag zur viel diskutierten Gletscher-Initiative. Diese haben die Initiant*innen aufgrund des indirekten Gegenvorschlags bedingt zurückgezogen.
Die SVP nennt den Gegenvorschlag «Stromfresser»-Gesetz und moniert, dass der Strombedarf drastisch steigen werde, da Heizöl, Benzin, Diesel und Gas ab 2050 faktisch verboten würden.
Wie sehr die drohende Energie-Mangellage der SVP in die Hände spielt, könnte sich im Sommer zeigen. Dann würde das Stimmvolk über das Referendum befinden – falls es denn zustande kommt. Auch würde sie im Abstimmungskampf gegen ihren eigenen Bundesrat, Energieminister Albert Rösti, antreten.
Amtsübergabe von Sommaruga zu Rösti: Solarpanel und Weihnachtsstrauss
Gut eine Woche vor dem offiziellen Ende ihrer Amtszeit als Bundesrätin hat Energieministerin Simonetta Sommaruga am Freitagnachmittag ihren Nachfolger, SVP-Bundesrat Albert Rösti, im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek empfangen.
23.12.2022
Zürich wählt
Das Wahljahr 2023 wird am 12. Februar im Kanton Zürich eingeläutet. Dort finden Gesamterneuerungswahlen statt. 17 Personen kämpfen um einen der sieben Sitze im Zürcher Regierungsrat. Besonders spannend: Gelingt es der SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf, den verlorenen Sitz der Sozialdemokraten zurückzuerobern? 2021 trat Sicherheitsvorsteher Mario Fehr nämlich aus der Partei aus und tritt nun als Parteiloser an.
Iran/Ukraine: Muss die Schweiz Farbe bekennen?
Der Krieg in der Ukraine wird im neuen Jahr ebenfalls eines der wichtigsten Themen sein, genau wie die anhaltenden Massenproteste im Iran. Hier ist auch die Schweiz gefordert: So nahm der Nationalrat im Dezember eine Motion an, wonach eine Taskforce für die Suche nach Oligarchen-Geldern in der Schweiz geschaffen werden soll. Der Ständerat wird wohl im Frühling darüber beraten.
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Optimismus?
Auch in Sachen Iran sind mehrere Vorstösse hängig. So sammelt der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch Unterschriften für eine Petition, wonach die Schweiz unter anderem die EU-Sanktionen gegen den Iran übernehmen soll.
Auch innenpolitisch bleibt die Lage angespannt: Elisabeth Baume-Schneider muss als neue Vorsteherin des Polizei- und Justizdepartements die Zukunft des Schutzstatus S umsetzen. Dass sie persönlich für eine Ausweitung dieses Status auf andere Asylsuchende ist, sagte sie verschiedentlich vor ihrer Wahl in den Bundesrat.
Grüne kämpfen für das dritte Geschlecht
Dass der Bundesrat kein drittes Geschlecht einführen will, weil die Schweizer Gesellschaft dazu noch nicht bereit sei, schlug hohe Wellen. Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BS) akzeptiert dies nicht und kündigte noch im Dezember eine parlamentarische Initiative oder eine Motion gegen diesen Entscheid an. Ein drittes, unbestimmtes Geschlecht sei für viele Menschen ein Bedürfnis, erklärt sie auf der Website der Grünen.
Die Krankenkassen-Prämien und die Altersvorsorge waren 2022 die Politthemen schlechthin. Daran ändert sich auch 2023 nichts. Denn der vom Ständerat gefasste Entscheid für die Sanierung der beruflichen Vorsorge stösst in linken Kreisen auf viel Widerstand. So würden nicht genügend Pensionierte von den Kompensationen profitieren, auch das Wort «Referendum» wurde schon mehrfach verwendet. Voraussichtlich nimmt sich der Nationalrat in der Frühjahrssession des Geschäfts an.
Am 12. März sind alle Blicke auf den Kanton St. Gallen gerichtet. Dann wird die Nachfolge des dienstältesten Parlamentariers, Paul Rechsteiner, bestimmt – nach 36 Jahren ist für das SP-Urgestein Schluss. Und das Rennen ist spannend, da Nationalrätinnen mit grosser Strahlkraft antreten: Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP), Esther Friedli (SVP), Barbara Gysi (SP) und Franziska Ryser (Grüne) kämpfen um den St. Galler Sitz im Stöckli.
Die Schweiz wählt
Am 22. Oktober bestellt die Schweiz im Rahmen der Gesamterneuerungswahlen ein neues Parlament, das im Dezember den Bundesrat wählt. Erste Umfragen zu den nationalen Wahlen zeigen, dass die grüne Welle von 2019 wohl nicht fortgesetzt wird und rechte Parteien zulegen können.
Die Meinungsforschenden von Sotomo sagen voraus, dass die SVP mit einem Wähleranteil von 26,1 Prozent (+0,5 Prozentpunkte) mit Abstand die stärkste Kraft bleiben wird.
Dahinter liefern sich die SP und die FDP ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die SP käme laut Prognosen auf 16,3 Prozent (-0,5) und die FDP auf 16,1 Prozent (+1). Es folgen Die Mitte/EVP (15,4 Prozent, -0,5), Grüne (11,7 Prozent, -1,5) und die GLP (9,3 Prozent, +1,5).
Wie steht es um die Finanzen?
Spätestens gegen Ende Jahr wird Karin Keller-Sutter als neue Finanzministerin ins Rampenlicht rücken, wenn sie das Budget 2024 präsentiert. Der von ihrem Vorgänger Ueli Maurer geforderte Sparwillen zeigte sich im Parlament noch nicht so recht.
Insbesondere für das Militärbudget muss Keller-Sutter tief in die Tasche greifen. Ab 2023 beginnt nämlich die schrittweise Aufstockung um 300 Millionen Franken. Ab 2024 sollen sie jährlich so steigen, dass sie bis 2030 ein Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen: von heute rund 5,5 Milliarden auf rund 7 Milliarden Franken.
Auch Verteidigungsministerin Viola Amherd dürfte im kommenden Jahr für Schlagzeilen sorgen. Denn sie wird der Bevölkerung erklären müssen, wofür sie das zusätzliche Geld ausgeben will und warum. In der Armeebotschaft 2023 ist unter anderem die Erweiterung der bodengestützten Luftverteidigung mit dem modernen Patriot-System vorgesehen. Doch könnten auch andere Beschaffungen zeitlich vorgezogen werden.