«Tschugger»-Macherin «Ich gebe das Geld lieber für eine Explosion aus»

Von Bruno Bötschi

14.12.2022

Die Schweizer TV-Serie «Tschugger» wird auch im Ausland hochgelobt. Produzentin Sophie Toth spricht mit blue News über Walliser Klischees, Explosionen – und warum das SRF die Serie zuerst nicht wollte.

Von Bruno Bötschi

Sophie Toth, ab dem 18. Dezember ist die zweite Staffel von «Tschugger» im Schweizer Fernsehen SRF zu sehen. Wie ist deine aktuelle Gefühlslage?

Ganz ehrlich gesagt bin ich mental bereits an einem anderen Ort. Nach den Dreharbeiten dauert es bei einer TV-Serie ja immer ziemlich lange bis zur Ausstrahlung. Aber natürlich bin ich gespannt, wie die zweite Staffel von «Tschugger» beim Publikum ankommen wird – auch deshalb, weil wir, anders als bei der ersten Staffel, nicht mehr auf den Überraschungseffekt hoffen dürfen.

Für die zweite Staffel soll es Änderungen beim Personal geben. Was kannst du dazu verraten, ohne zu viel zu spoilern?

Ich sage nur: kill your darlings. Und was ich noch verraten darf, Skifahren ist ein Thema. Polizist Bax, gespielt von David Constantin, hat ja viele Idole und strebt gern nach Grösserem. Für die zweite Staffel hat ihn der ehemalige italienische Skistar Alberto Tomba beeinflusst.

Zusammen mit David Constantin, der nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Autor und Regisseur von «Tschugger» ist, geltet ihr in der Schweiz als die Serienmacher der Stunde. Wie habt ihr es geschafft, dass eure Serie so schnell Kult wurde?

Zur Person: Sophie Toth
Bild: Lukas Maeder

Sophie Toth von Shining Film, Zürich, ist Produzentin der TV-Serie «Tschugger». David Constantin führt zusammen mit Leandro Russo Regie, für die Kamera ist Rafael Kistler zuständig. Die Drehbücher entstanden unter Leitung von David Constantin und Mats Frey («How to Sell Drugs Online (Fast)») und den Autoren Johannes Bachmann,  Arnold H. Bucher,  Rafael Kistler und Leandro Russo. «Tschugger» ist eine Ko-Produktion von Shining Film mit SRF und Sky Schweiz.

David und ich arbeiten schon seit zehn Jahren zusammen – ursprünglich machten wir Werbung, später Web- und nun TV-Serien. Wir haben eine sehr enge Beziehung. Ruft mich David an, weiss ich schon nach dem ersten «Hallo», wie er drauf ist. David ist der Kreativkopf, ich bin mehr der Zahlen- und Organisationskopf.

Wir kennen zudem unsere gegenseitigen Ansprüche und fordern uns immer wieder heraus. Obwohl ich für die Zahlen zuständig bin, stehe ich immer auf der Seite der Kreativität. Denn ich gebe das Geld lieber für einen Stunt oder eine Explosion am Set aus und spare dafür dort, wo es für die Zuschauer*innen nicht sichtbar ist. Ich glaube, ich darf sagen, David und ich vertrauen uns blind.

Ist dieses grosse Vertrauen euer Erfolgsgeheimnis?

Ich denke, ja – zudem sind wir beide nicht so schnell zufrieden mit unserer Arbeit. David ist sehr detailverliebt. Das schätze ich. Ich mag es nämlich überhaupt nicht, wenn Regisseure eine Gleichgültigkeit entwickeln. Und was auch ganz wichtig ist: unser Team. «Tschugger» sind ja nicht nur David und ich allein.

Ein ungleiches Ermittlerduo und eine etwas hinterwäldlerische Kulisse: Die TV-Serie «Tschugger» lebt von Klischees.

Es stimmt, es gibt viele Klischees über die Walliser*innen. Deshalb ist wohl auch die Selbstironie im Kanton verbreitet und die Menschen können gut über sich selbst lachen. Das Spiel mit den Klischees und das Brechen von solchen mag ich übrigens auch in anderen TV-Serien.

Welche Serie hat euch bei der Realisation von «Tschugger» inspiriert?

Eine Referenz war «Lillehammer». Im Zentrum dieser Netflix-Serie steht der ehemalige New Yorker Mafioso Frank Tagliano, der sich in Norwegen ein neues Leben aufbauen möchte.

«Tschugger» zeigt auch negative Seiten vom Kanton Wallis – von der Korruption über den Drogenhandel bis zur Vetterliwirtschaft. Hat der Erfolg der Serie vielleicht damit zu tun, weil viele einheimische Laiendarsteller*innen mitspielen und die Serie darum so echt wirkt?

Die Laiendarsteller*innen tragen sicher zum Erfolg bei. Möglicherweise hat es aber auch damit zu tun, dass wir eine universelle Geschichte in einem Nischensetting erzählen und mit dem Charme des Lokalen spielen. Wichtig ist uns zudem eine Einfach- und Klarheit bei der Geschichte, damit die Figuren und ihr Humor genug Platz haben.

War von Anfang an klar, dass so viele Einheimische mitspielen sollen?

Ja. Einerseits gibt es nicht so viele Schauspieler*innen, die Walliserdeutsch sprechen. Und andererseits wollen wir vom Look und vom Charakter her authentische Typen. Der Bauunternehmer Fricker beispielsweise ist auch in Realität Bauunternehmer und Lokalpolitiker.

Die erste Staffel von «Tschugger» wurde auch im Ausland gelobt. Der «Spiegel» schrieb: «Mit schnellen Schnitten, dynamischer Kamera und Schnurrbart-Lederjacken-Style kommt Tschugger breit­beinig wie eine Quentin-Tarantino-Produktion daher, zeigt dann aber die Verschmitztheit eines Wolf-Haas-Krimis, bei dem die Lösung des Kriminalfalls schnell nebensächlich wird und stattdessen der Spass an den grandiosen Figuren und den irrwitzigen Wendungen zählt.»

Diese Kritik hat mich sehr gefreut und auch etwas stolz gemacht. Es ist schon extrem cool, dass wir mit unserer Serie auch international mithalten können.

Begonnen hat die Geschichte von «Tschugger» mit einem Misserfolg …

… das tönt hart.

Als David Constantin und du eure Idee 2017 zum ersten Mal beim Schweizer Fernsehen SRF präsentiert habt, wurde sie abgelehnt.

Das stimmt. Wir präsentierten unser Konzept damals nur in Papierform. Die Redaktion fand unsere Idee gut und hat sie dann auch gepitcht. Was dort genau passiert ist, kann ich nicht sagen, weil wir bei dieser Ausmarchung nicht dabei waren. Auf jeden Fall bekamen wir danach das Feedback, dass unsere Idee zu nah an der SRF-Serie «Wilder» sei, die damals gerade produziert wurde.

Wir konnten das überhaupt nicht verstehen, denn die beiden Serien haben kaum etwas miteinander zu tun – ausser dass beide teilweise auch in den Bergen angesiedelt sind und die Polizei eine Rolle spielt.

In der Folge produzierten David Constantin und du auf eigene Kosten einen Pilotfilm.

Das tönt jetzt so easy, war es aber nicht. Für den zwölfminütigen Pilot mussten Szenen geschrieben, Schauspieler*innen gecastet und Locations gesucht werden. Wir mussten zudem eine ganze Filmcrew engagieren. Mit dem Pilotfilm kam dann die Wende und wir bekamen das Okay vom Schweizer Fernsehen SRF.

David Constantin beschrieb die zweite Staffel von «Tschugger» in einem Interview so: «Schwimmflügeli, Saaser Bärgvärsi, Gimmu di butzi! Fuckfuckfuck!» Wie lautet deine Beschreibung in einem Satz?

Es ist nicht alles Schnee, was glänzt.

Dein Lieblingswort auf Walliserdeutsch?

Tschaagge.

Was ist das?

Das Bein.

Von der SRF-Serie «Der Bestatter» gibt es im Frühling 2023 eine Kinoversion. Ist das auch eine Option beim «Tschugger»?

«Tschugger» als Kinospielfilm sehe ich nicht. Aber ein Spin-off könnte ich mir im Kino durchaus vorstellen. Zudem werden in verschiedenen Schweizer Kinos zur Lancierung der zweiten Staffel alle fünf Folgen an einem Abend gezeigt.

Mir kannst du es ja jetzt verraten: Gibt es von «Tschugger» eine dritte Staffel?

Das ist noch nicht spruchreif. Aber unter uns gesagt: Wir sind gerade sehr, sehr busy (lacht).


Folge 1 und 2 der TV-Serie «Tschugger» zeigt das Schweizer Fernsehen SRF am kommenden Sonntag, 18. Dezember, ab 20:05 Uhr. Ab dann ist der zweite Teil der Serie auch auf Play Suisse verfügbar.


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